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Als Aberglaube oder Volksglaube versteht man jede allgemeine Annahme, die entweder keine Berechtigung in einer bestimmten Religion hat oder mit der wissenschaftlichen Auffassung einer bestimmten Zeit in Widerstreit steht.
Herkunft[]
Der Aberglaube geht größtenteils auf den Glauben eines Volkes an übernatürliche Kräfte zurück und gilt daher oft als Überrest eines früheren Gesellschaftsglaubens bzw. einer Religion. Da das Volk den Aberglauben fortpflegt, bezeichnet man ihn auch als Volksglaube.
Das Wort 'Aberglaube' tritt erstmal am Ende des 15. Jhs. auf und bezeichnet in der christlichen Kirche den vom kirchlichen Dogma abweichenden Glauben. In allen germanischen Sprachen (ndd. overgeloof, skand: overtro, isl. hjatru) ist das entsprechende Wort jungen Ursprungs; ältere Quellen nennen diesen Glauben ungeloube.
Vor dem Christentum[]
Vor der Zeit des Christentums fiel es niemanden ein, den Aberglauben zu bekämpfen, sofern er nicht, wie z.B. der Bosheitszauber, in das soziale Leben der Gemeinde schädigend eingriff. Bei z.B. den Germanen war der Volksglaube gleichzeitig eine Ergänzung ihres Götterglaubens. Neue Religionsauffassungen gestalteten die alten um, und ein nicht geringer Teil wurde in sie aufgenommen. In der Zeit des Vitalismus glaubte man die ganze Umgebung, die Natur beseelt und sprach den Dingen eine gewisse Zauberkraft zu, die durch Gedankenverbindung mit dem Menschenleben in Zusammenhang gebracht wurde.
Bestimmte Plätze in der Wildnis haben immer die Aura der Macht gehabt die Gipfel der hohen einsamen Berghügel (s. Bergkult, die heiligen Quellen (s. Quellenkult) im verborgenen Hain (s. Baumkult), die tiefen Höhlen und die uralten, mit Steinen eingefassten Tanzböden, die als heilig angesehen wurden. Es waren geschützte Orte, die Grenzbereiche zwischen Erde und Wasser, zwischen Luft und Erde, zwischen dieser Welt und derjenigen der Zauberei, die nur von einem Schleier des Traumes verborgen wurde. [1]
Im Christentum[]
Erst das Christentum, das der stetigen Entwicklung der Volksreligion schroff entgegentrat, nahm den Kampf gegen den noch lebenden Volksglauben auf. Und erst ab diesem Zeitpunkt galten die verschiedensten Schichten des heidnischgermanischen Glaubens als Unglaube und später als der nach christlicher Auffassung verwerfliche 'Aberglaube'.
Allerdings gelang es der Kirche nicht, den Volksglauben auszurotten. Vielmehr sah sie sich genötigt, einen großen Teil zu adaptieren, um ihn entweder in christliches Gewand zu hüllen, wie es Papst Gregor der Große in dem Brief an den britischen Abt Mellitus vorschrieb [2], oder ganz als Privilegium für sich in Anspruch zu nehmen. So wurde vielfach aus altem Volksglauben dogmatischer Glaube [3], und die Kirche wurde nicht nur zur Hüterin altgermanischen Aberglaubens, sondern brachte dem Volke durch die Mystik der Kirchenväter auch neuen Aberglauben, wie den orientalischen Dämonen- und Teufelsglauben. Dieser herrschte das ganze Mittelalter bei allen germanischen Völkern.
Reformation und Aufklärung[]
Auch die Reformatoren bekämpften nur einen Teil dieses Aberglaubens (Marien-, Heiligenkult u.a.), anderes ließen auch sie gelten (z.B. Teufels- und Hexenwahn). Dagegen ging der Humanismus und später die Aufklärungsliteratur dem Aberglauben energisch zu Leibe. Gleichwohl lebt bis heute noch viel Aberglaube im Volke und unter den Gebildeten fort, und wie in altgermanischer Zeit kann man die Beobachtung machen, dass Staat und Gesellschaft wohl den ihre Mitglieder schädigenden Aberglauben bekämpfen, seine harmlosen Äußerungen aber bestehen lassen, ja die poetischen Gestalten desselben, wie sie in Märchen und Sagen zum Ausdruck kommen, sogar vielfach pflegen.
Spätmittelalter[]
Auch in den Städten im Hoch- und Spätmittelalter hielten die Reste lebendigen Volksglaubens ihren Einzug. Hier nahmen sich die Zünfte ihrer an, auch wenn sie ein ganz anderes Gepräge erhielten. Aus den lebendigen Riten, die sich an die Verjüngung der Natur und des Jahres knüpften, wurden die Umzüge der Zünfte, wie der Metzger und Fischer. An der Gemeinschaftsfeiern und dem Begießen mit Wasser spürte man den Ritus, der wie viele rituelle Handlungen zur volkstümlichen Sitte wurde.
Erscheinungsformen[]
Im Alltags- und Festleben der Germanen gab es keine Ereignisse und kein Unternehmen in der Familie oder in der Gemeinschaft, bei dem nicht der Glaube mitgesprochen hätte. Durch allerlei Mittel versuchte man z.B. Säuglinge gegen die Dämonen zu schützen und vor allem die Vertauschung mit dem Wechselbalg zu verhindern. Durch Zaubermittel sucht der Jüngling die Liebe des Mädchens, dies die des Geliebten zu gewinnen und zu erhalten. Unter Beachtung der Zeit und des Tages, mit Befolgung von Gebräuchen und Riten wurden Hochzeiten gefeiert; durch Zaubermittel wurden Krankheiten geheilt, am Totenbette spielte sich der Totenkult ab und kam der Glaube an das Fortleben der Seele zu seiner Geltung.
Der Zauber[]
- Siehe Hauptartikel: Zauber
Mit dem Aberglaube steht der Zauber in sehr engen Zusammenhang, so dass beide oft gar nicht voneinander getrennt werden können. Der Zauber gilt als der in Handlung umgesetzte Aberglaube. Auch die Weissagung wurzelt im Aberglaube; diese entspringt aus dem Glauben, dass gewisse Dinge oder Erscheinungen dem Menschen warnend oder aufmunternd entgegentreten und so sein eigenes Handeln beeinflussen können. Andere Erscheinungsformen des Volksglaubens sind der Dämonenglauben, der Fruchtbarkeitsritus, der Seelenglauben... Weiterlesen.
Abbild und Gegenstandszauber[]
- Siehe auch: Übertragungszauber
Zur Vorstellung des Volksglaubens gehört weiter, dass man persönliche Gegenstände eines Menschen, bzw. Dinge mit denen er in Verbindung steht, z.B. Kleidung, sein Bild, seinen Namen, mit diesem Menschen gleichstellt und glaubt, dass ihm das geschehe, was man mit diesen Dingen vornimmt. Wer einem gegen seinen Willen die Haare schneidet, nimmt z.B. dessen Kraft. Vom Daumen ungeborener Kinder, die noch unsichtbar sind, wurde gesagt, er mache den unsichtbar, der ihn bei sich trägt.
Durch Nachbildungen der Sonne, wie man sie auf den nordischen Hällristningar findet und wie sie noch bis in die Gegenwart oft hergestellt werden, glaubte man der Sonne neue Kraft zuführen zu können. Wenn man das Bild eines Abwesenden verletzte, so starb dieser oder wurde krank an dem Gliede, dem auf dem Bilde die Verletzung zugefügt wurde. Seinen Namen durfte man nicht nennen, wenn zu befürchten war, dass dieser von einem Feinde zum Bosheitszauber benutzt wurde.
Vorgänge in der Natur wurden in Verbindung mit Vorgängen im Menschenleben gebracht. Was wachsen, zunehmen sollte, begann man bei zunehmendem Monde, was vergehen sollte, namentlich Krankheiten, wurde bei abnehmendem kuriert. Gegenstände von Kranken gab man Toten mit ins Grab, damit die Krankheit zugleich mit der Verwesung des Leibes schwinde.
Pflanzen und ihre mystische Bedeutung[]
- Siehe auch: Pflanzen im Mittelalter: Mythische Bedeutung
Auch der Pflanzenwelt wurden Lebens- und Zauberkräfte zugeschrieben. Zahlreiche Pflanzen galten als glückbringend, bewahrten die Gesundheit oder hielten Unglücksdämonen (wie Hexen oder den Alp) fern. Nützlich waren sie bei manchem Zauber. Sie bewirkten bei den Frauen leichte Geburt, kündeten zuweilen die Zukunft und waren nicht selten Wetterpropheten. Auch an einheimische Bäume knüpfte sich vielfach der Aberglaube.
Poetische Gestalten[]
- Siehe auch: Fabelwesen und Gottheiten
Als Quelle reichster Poesie schöpften Mythen und Legenden, Märchen und Sagen in gleicher Weise aus dem Volks- u. Aberglauben. Auf ihm fußen zahlreiche Legenden, wie z.B. die Die Edda, die von den nordgermanischen Gottheiten handelt. Daher zählen auch die Verehrung von Fabelwesen und persönlicher Gottheiten zu den Formen des Aberglaubens. Auch zahlreiche Züge, die im Volksglauben wurzeln, sind in der Volksdichtung verwertet. Es sei nur erinnert an das Verstehen der Tier-, besonders der Vogelsprache, an das Motiv von der verborgenen Seele, an die vielen Sagen von der Wanderung der Seele in Tiergestalt während des Schlafes.
Tiere im Volksglauben[]
- Siehe auch: Tiere im Mittelalter
Ganz besonders deutlich zeigte sich der Volksglauben im Tierreich. So gab es glückbringende Tiere, die das Haus und den Herd vor Ungemach und besonders vor Blitzschlag schirmten. Da z.B. die Schwalbe und andere Zugvögel mit der schönen Jahreszeit kamen, hielt man diese Vögel für glückbringend und hütete sie sorgfältig. Eine besondere Rolle spielt das Tier im sog. "Angang" (Form der Weissagung). Begegnen beim Beginn eines Unternehmens ein Fuchs oder Wolf oder Schaf, so bedeutet dies Glück, dagegen sagen Hase, Katze, Schwein unglücklichen Ausgang an.
Einige Tiere, wie das Pferd, die Schwalbe, der Storch, die Biene, galten geradezu als heilig und durften nicht verletzt oder gar getötet werden. Der Glaube, daß die menschlichen Seelen nach dem Tode in Tiergestalt sich zeigen, daß gewisse Menschen auf Zeiten ihre Seele aus dem Körper senden und dann Tiergestalt annehmen können, war allgemein verbreitet. Als Hunde und Wölfe, als Raben und andere Sturmvögel zogen die Toten durch die Lüfte, als Werwölfe, Bilwisse, Schwäne trieben Zauberer und Zauberinnen ihr Wesen (vgl. Seelenglauben).
Traum und Schlaf[]
Zu unzähligen Gebilden gab der Traum Veranlassung, denn der Traum war den Menschen Wirklichkeit; was der Schlafende träumte, erlebte er. Im Schlafe wanderte auch die Seele oder verkehrte mit Verstorbenen, und durch sie erfuhr der Träumende seine und seiner Angehörigen Zukunft.
Verwandte Themen[]
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Quellen[]
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 4 Bände (1. Aufl.). Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. I, S. 4.
- Alfred Vierkandt, Naturvölker und Kulturvölker. 1896.
- Fritz Schultze, Psychologie der Naturvölker. 1900.
- Deutsche Mythologie (Internet Archive). 3 Bände. Jacob Grimm. 4. Aufl. von E. H. Meyer. Berlin, F. Dümmler, 1875.
- Dobeneck, Des deutschen Mittelalters Volksglauben und Heroensagen. 1815.
- Wilhelm Wundt, Völkerpsychologie, Band II. Kapitel 1—3. 1905— 1909.
Einzelnachweise[]
- ↑ Das Geheime Wissen der Hexen. Marian Green. Orginalverlag: Harper Collins, London, 1991. Übers. Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München, 1998. ISBN 3-426-77343-0. S. 12 f.
- ↑ Beda Venerabilis. "Historia ecclesiastica gentis Anglorum" (Kirchengeschichte des englischen Volkes). Jahr 731. Kapitel I; Seite 30
- ↑ Rabaud. "Altheidnische Wurzeln im katholischen Kultus". 1906.