Auf den Mangel eines Abortes, bzw. Abtritts, weist der altnordische Ausdruck "leita sēr staðar" hin. Zwar gibt es eine gemeingermanische Benennung dafür, das altnordische gangr, angelsächsisch: gang (arsgang, gangern), althochdeutsch: gang; die Bedeutung 'Abtritt' ist aber sekundär. Das Wort läßt sich nicht als "(bedeckter) Gang" erklären, sondern stammt von der Redensart "seine Notdurft verrichten".
Nordeuropa[]
Der Abort im allgemeinen Sinne war teils das offene Feld (vgl. altnordisch: vallgangr = 'Gang ins Feld'; althochdeutsch: feldgang = 'Abtritt'), teils ein Winkel des Hofplatzes (vgl. altnordisch: ganga til garðs = 'auf den Hof gehen'.). Auch wo zu diesem Zwecke ein Häuschen errichtet wurde, bekam es gewöhnlich im Hof seine Stelle (der "Hofplatz"). Auf größeren Höfen war der Abtritt häufig am Ende des um das Obergeschoß laufenden Ganges angebracht. Mehrmals wird ausdrücklich hervorgehoben, dass das Häuschen auf Pfosten gebaut und mit einer Treppe versehen war; Gruben für die Exkremente, wie in England, gab es nicht. Nur ausnahmsweise scheinen abgesonderte Sitze vorhanden gewesen zu sein, gewöhnlich genügte ein horizontaler Balken, auch wo das Haus gleichzeitig mehrere Personen aufnehmen konnte. Auf Schiffen gab es keinen Abtritt; die nautische Redensart ganga til borðs zeigt, dass hier der Reling die Rolle des nāðahūstrē übernahm.
Klöster und Adel[]
Der Abtritt als geschlossenes Gemach und besondere Vorrichtung zur größeren Bequemlichkeit und Reinlichkeit und aus Gründen des Anstands wurde durch die Römer und Mönche in Nordeuropa eingeführt. Dass die Römer den Abort mit durchlöchertem Sitz kannten, ergibt sich aus dem Ausdruck sella pertusa = 'durchlöcherter Sitz, Nachtstuhl', sowie u.a. aus den Resten öffentlicher Aborte in der römischen Stadt Thamugadi in Algerien. In Klöstern und Priesterwohnungen gab es schon im Frühmittelalter besondere, mit Tür oder Vorhang verschließbare Gelasse zur Verrichtung der Notdurft, z.B. in Form von Nischen und Erkern (Aborterker), die oft einfach ins Freie führten.
Der Bischof Gregor von Tours berichtete im 6. Jahrhundert von einem Priester, der auf dem Abort vom Schlage gerührt wurde, während sein Diener mit einer Kerze vor dem durch einen Vorhang abgeschlossenen Eingang wartete. Im Grundriß des Klosters St. Gallen (820) sind etwa zehn, von den Wohnhäusern getrennte Aborte ausgezeichnet, die stets durch einen Gang mit den Dormitorien verbunden sind. Auch das Krankenzimmer der Klöster war bereits im 11. Jahrhundert mit einem Abort versehen.
Dass diese Bequemlichkeit frühzeitig auch in die Häuser des Adels Eingang fand, darf man ohne Weiteres annehmen. Der Geschichtsschreiber Regino von Prüm berichtet z.B. im Jahre 901 von einem Grafen, der auf dem Abort durchs Fenster erschossen Wurde. Der Abort ist hier also ein durch eine Fensteröffnung erhelltes, abgeschlossenes Gemach.
Aufbau[]
Die Größe der Aborte war je nach Bedarf verschieden; im Grundriß des St. Gallen Klosters sind solche mit 2 — 18 Sitzen verzeichnet. Die mehrsitzigen waren in der Regel wohl für mehrere Personen zu gleichzeitiger Benutzung nebeneinander bestimmt. Ein angelsächsischer Geistlicher in der Dänenzeit eifert dagegen, dass der Abtritt von Frauen vielfach zu Eß- und Trinkgelagen benutzt werde. Diese Verwendung des Abortes als Unterhaltungs- und Speiseraum zeigt, dass die Klosetts in Deutschland und England schon im Frühmittelalter mit bequemerer Sitzgelegenheit als einem einfachen Balken ausgestattet waren. Von Arius wird berichtet, dass er auf dem Abort starb und tot dort sitzen blieb, ähnlich wie der Diener des Priesters bei Gregor von Tours seinen Herrn findet.
Doch war der Abort für die Masse des Volkes im Mittelalter wohl immer ein Luxus. Er wird sich in der Regel nur in Klöstern, in den Häusern des Adels und später allgemeiner in den Städten gefunden haben, wo die Aborte in der Regel als Sickergruben angelegt wurden. Auf dem Lande war er bis in die Neuzeit hinein in Deutschland eine Seltenheit.
Funde[]
Lübeck[]
Das Lübecker Gründungsviertel ist für Archäologen ein wahres El Dorado. Zwar finden sich bei dem Großgrabungsprojekt keine riesigen Goldschätze, kürzlich stieß man aber auf einen Thron ganz besonderer Art: Ein fast vollständig erhaltenes Klohäuschen! Offenbar genoss man im mittelalterlichen Lübeck selbst auf dem stillen Örtchen traute Zweisamkeit, denn in dem etwa drei mal drei Meter großen Holzhaus mit Kloakenschacht gab es einen Doppelsitz. Die Grabungen im Lübecker Zentrum sollen noch bis Ende 2013 laufen. Auf den rund 9.000 Quadratmetern werden dank günstiger Bodenverhältnisse immer wieder spannende Entdeckungen wie zum Beispiel Keller, Backöfen und Brunnen gemacht. Mehr über die Ausgrabungen auf der Webseite der Hansestadt Lübeck. [1]
Quellen[]
- Johannes Hoops. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 1. 1918—1919. S. 13-15.