Mittelalter Wiki
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Eine Agrarverfassung ordnete in der bäuerlichen Gesellschaft des Mittelalters die Eigentumsverhältnisse, Siedlungsformen und Bodennutzung. Das genossenschaftliche Prinzip dabei beruht auf der Gleichstellung von Gleichberechtigten und äußerte sich in der Form der Dorfgemeinde, der Allmende und Markgenossenschaft. Das herrschaftliche Prinzip wird seit dem Frühmittelalter durch die Grundherrschaft bzw. Gutsherrschaft gekennzeichnet. [1]

Beschreibung[]

Römische Eisenzeit[]

Nach Caesars Darstellung im "De Bello Gallico" (4, l) gab es bei den Germanen noch keinen privaten Grundbesitz. Der gesamte Grund und Boden war vielmehr im Besitz größerer Gemeinschaften, die als pagi und regiones (= 'Gaue' und 'Untergaue') bezeichnet werden. Die Behörden wiesen den einzelnen Sippen und Verbänden auf je ein Jahr ein Stück Land zur Bewirtschaftung zu, dessen Größe und Lage von dem Befinden der Obrigkeit abhing. D.h. ein Stück Land wurde ein Jahr als Saatfeld unter den Pflug genommen, lag dann mehrere Jahre brach und wurde als Weide benutzt. Dabei wurde das zu bebauende Land alljährlich an die Sippen neu verteilt und jede Sippe änderte jährlich mit dem Acker zugleich ihren Wohnsitz.

Völkerwanderungszeit[]

6. Jahrhundert[]

Aus der Vermehrung der Menschen ergab sich auch das Bedürfnis nach einem weiterem Ausbau des Landes. Dieser erfolgte entweder durch genossenschaftliche Rodung und planmäßige Neuanlage von Dörfern oder durch Rodungstätigkeit einzelner. Hier kommt vor allem die sich in der fränkischen Zeit bildende Grundherrschaft in Frage. Durch verschiedene Umstände hatte sich nach der Völkerwanderungszeit die ursprüngliche Besitzesgleichheit so verschoben, dass einzelne einen das normale Maß weit übersteigenden Grundbesitz innehatten.

Diese Grundherren betrieben mit zahlreichen Arbeitskräften ausgedehnte Rodung (s. a. Beunde). Ihr so noch größeres wirtschaftliches Übergewicht führte allmählich zu einer Unterdrückung der kleineren Wirtschaften und Verminderung der freien Eigenbauern. Soweit nicht durch Rodung für das Bedürfnis der steigenden Bevölkerung neues Land erschlossen wurde, griff man zur Teilung alter Hufen unter die Söhne des früheren Besitzers und gelangte so zu einer weiteren Besitz-Ungleichheit in einer der Grundherrschaft entgegengesetzten Richtung. Das Institut des Stammgutes vermochte solchen Zersplitterungen vielfach entgegenzuwirken.

Neben den Grundeigentümer, der den von ihm bebauten Boden als sein freies Eigentum besaß, als Allod, traten diesen Verhältnissen gemäß in großer Zahl Bauern, die ihr Land nur von einem Grundherrn zur Leihe] hatten (siehe Grundleihe).

Frühmittelalter[]

So wie sich die Siedlungsformen nach der Völkerwanderungszeit unterschieden, so verschieden gestalteten sich die agrarischen Verhältnisse im Frühmittelalter. In den Dörfern bestimmte sich der Anteil des einzelnen an der Ackerflur im wesentlichen nach dem Bedürfnis und fand in der Hufe seinen Ausdruck. Beim Einzelhof lag das Kulturland unmittelbar um jeden einzelnen Hof, stand von Anfang an im Sondereigentum, war aber auch nicht dem Flurzwang unterworfen. Die wirtschaftliche Basis war (vor allem bei der Dorfschaft) vorzugsweise die Allmende, an der allmählich Gesamteigentum der Markgenossen oder der Dorfgenossen entstand, während die Nutzung den einzelnen Mitgliedern zustand.

Die Hauptelemente der altenglischen Flurverfassung lassen sich aus den überlieferten Urkunden dieser Zeit ableiten. Die Ackerflur wurde in Gewanne verteilt. Die Bauerstellen des Dorfes erhielten ihre Anteile an den Gewannen in Parzellen zugewiesen. Parzellen von unregelmäßig zugespitzter Form wurden durch den Ausdruck gara bezeichnet. Parzellen, die sich infolge des Pflügens an einem Hügelabhang stufenartig voneinander abheben, heißen hlincas. Zum Umwenden der Pflüge werden Forerth-Parzellen gebildet. Demselben Zweck dienen auch die so oft vorkommenden Heafod-lande oder Heafod-acren, die außerdem benutzt wurden, um den Teilbesitzern der Gewanne Zugang zur Bestellung ihrer Parzellen zu gewähren und daher in der Regel quer zu den andern Parzellen lagen.

Nordische Agrarverfassung[]

Die nordeuropäische Agrarverfassung des Frühmittelalters ist nicht einheitlich. Der Grund liegt im starken Hervortreten der Einzelhofansiedlung, die das ganze westnordische Gebiet, Norwegen und Island, sowie das nördliche Schweden beherrscht. Im übrigen Gebiet herrscht die Dorfschaft. Von Bedeutung ist in Nordeuropa das Fehlen einer ausgebildeten Grundherrschaft und die geringe Zahl großer Grundbesitze.

Die Einzelheiten über die nordische Agrarverfassung sind nicht vollständig gesichert, da die zur Verfügung stehenden Quellen erheblich jünger sind als die Bebauung des Bodens selbst und insbesondere auf ostnordischem Gebiet in eine Zeit von Veränderungen und des genossenschaftlichen Weiterausbaues fallen. Aufgrund der Art der Ansiedlung war die für den Kontinent so bedeutungsvolle Markgenossenschaft nur in Dänemark und Schweden vorhanden. In Norwegen und Island waren es eher Wirtschaftsgemeinschaften für der Wiesen und Weiden.

Die Nutzung des Waldes und der Allmende war im Frühmittelalter unbeschränkt. Die Aufsicht und Leitung der Wirtschaftsangelegenheiten stand in Schweden einem Næmdarmaþer zu, während in Dänemark die Nachbarn in den Vordergrund traten.

Ausbau des Landes[]

Der Ausbau des Landes erfolgte durch Neuanlage von Dörfern und Rodung, die teils von Einzelnen, teils von der Markgenossenschaft vorgenommen wurde, teils innerhalb der Dorfmark, teils außerhalb ihrer stattfand. So entstanden das dänische ornum, ruth, in Schweden die intaka, utskipt und utgiærþer. Auf diese Weise konnte auch der einzelne zu einem Privatwald kommen (aschwed. varskogher, adän. enmærki hæg - nathæ skogh).

Andererseits konnten in der Flur von den den einzelnen zugeteilten Feldern kleinere Stücke wegverkauft werden. Durch das Solskift- und Reebningsverfahren erfolgte eine Umlegung der Hofstellen und eine Neuverteilung der Ackerflur. Dadurch bildeten sich die Gewannen aus. Verbunden war damit auch aeine Verteilung des Waldes durch Zuweisung bestimmter Strecken an die einzelnen.

Bewirtschaftungsweise[]

Die Bewirtschaftungsweise war in Nordeuropa anfänglich eine geregelte Feldgraswirtschaft. Später machte diese dann der Zweifelderwirtschaft und Dreifelderwirtschaft Platz. Die Weidenutzung war aber auch bei den Einzelhöfen oft gemeinschaftlich. Eine besondere Bearbeitung des Bodens fand nicht statt, doch kannten die Schweden auf ihren Äckern z.B. Entwässerungsanlagen.

9. Jahrhundert[]

Im 9. Jhd. erwarben Adlige als Grafen Amtsgüter, die oft zu Familiengütern wurden. Zugleich wurden auch die entstehenden Bistümer, Kirchen und Klöster mit Land und Leuten ausgestattet. Besonders die kirchlichen Institutionen schufen dadurch gestreute und um Haupthöfe gruppierte Großgrundherrschaften (Villikationen).

10. Jahrhundert[]

Seit dem 10. Jhd. erweiterten sich allmählich die Getreideanbauflächen und die Kleindörfer nahmen zu.

Hochmittelalter[]

Nach der Jahrtausendwende waren es vorrangig die Halbfreien bzw. Hörigen, die in Landwirtschaft und Gewerbe arbeiteten. Sie bestellten das herrschaftliche Land gegen eine Naturalabgabe zu und leisteten Transportdienste, konnten mitunter aber auch Naturalrenten liefern oder gewerblich wirtschaften.

11. Jahrhundert[]

Im Hochmittelalter war die Grundlage für eine vollwertige bäuerliche Existenz die dem Hof („curia“) zugeordnete Hufe („mansus“), deren Größe häufig gut 7 ha betrug, jedoch regional weit differierte.

In Skandinavien war die Anlage der Dörfer anfangs nicht planmäßig und in der Zeit des 11.-13. Jhds. wurde eine Neuregelung der Verhältnisse erforderlich. Bei der ältesten Ansiedlung lag als Äquivalent der kontinentalen Hufe in Schweden der Attunger zugrunde, in Dänemark das Ból. Beide bestanden aus gleichem Besitz an Ackerland und Wiesenland, also an dem durch Zäune und andere Mittel abgegrenzten Bauland und Kulturland.

12. Jahrhundert[]

Im 12. Jhd. zerfiel das Villikationssystem unter den Bedingungen des Wirtschaftswachstums, denn die mit der Rodungsexpansion und dem Städtewachstum verbundenen Freiheiten und Freizügigkeit vertrugen sich nicht mit der auf Hörigkeit ausgerichteten alten Ordnung.

Gleichzeitig erhöhte sich durch die flächenhafte Verbreitung effektiverer Agrartechniken die agrarische Produktivität. Hierzu zählen: die wachsende Bedeutung des Getreidebaus gegenüber der Viehwirtschaft, die Verbreitung neuer landwirtschaftlicher Geräte, die bessere Ausnutzung der tierischen Arbeitsenergie, das Vordringen der Pferde- gegenüber der Ochsenbespannung, die optimierte Bodenbearbeitung durch Lockerung mit Mergel, Verwendung tierischen Düngers oder der Heide- und Moorplaggendüngung und die Mehrfelderbrachwirtschaft.

Da die Bevölkerung schneller wuchs als die Agrarproduktion und -vermarktung, sicherten steigende Getreidepreise die Rentabilität der Innovationen. Als Folge des Bevölkerungsdrucks wurden im Altsiedelland verstärkt neue, nur noch mit wenig Land ausgestattete Hofstellen am Rande der Dörfer angelegt. Sie waren oft auf gewerblichen Zuerwerb angewiesen. Auch durch Rodung und Expansion in bisher unbesiedelte Gebiete wurden neue landwirtschaftliche Nutzflächen gewonnen.

In dieser Phase wurden auch viele neue Klöster gegründet. Besondere Bedeutung erlangten seit Mitte des 12. Jhds. die wegen der effizienten Methoden des Grundbesitzerwerbs und der Nutzung der Ländereien für die mittelalterliche Landwirtschaft innovativ wirkenden Zisterzienserklöster.

13. Jahrhundert[]

Geld-, Produkt- und Arbeitsrenten blieben die ökonomischen Grundlagen des Herrenlebens. Wichtigste Einnahmequelle war der hofbezogene Grundzins, gefolgt vom dorfbezogenen Zehnt. Verschiedene Besitz-, Rechts- und Herrschaftsformen überlagerten sich oft auf engstem Raum, so dass ein Bauer häufig das Land verschiedener Herren bewirtschaftete.

Spätmittelalter[]

14. Jahrhundert[]

Zu Beginn des 14. Jhds. setzt in Europa eine Agrardepression ein, die bis zur Mitte des 15. Jhds. anhielt. Es war eine Krise des Getreidebaus, welche durch einen Bevölkerungsüberhang im Vergleich zur Ernährungsbasis ausgelöst wurde. Auf dem Land führten Seuchenverluste und Abwanderungen in Verbindung mit der Agrardepression häufig zur Aufgabe von Feldern und ganzen Dörfern (Flur- und Ortswüstungen). Der Rückgang der Agrareinkommen zwang die Grundherren zur Sicherung der Eigenversorgung.

Schenkungen, Rentenverschreibungen, Verkäufe und Verpachtungen von Land oder von Einnahmen aus Land mehrten sich. Gebiete mit ausgeprägter Viehwirtschaft, vorrangig die Fluss- und Seemarschen, konnten sogar profitieren, ebenso wie unterbäuerliche Gruppen, für die Hofstellen frei wurden. Generell bemühten sich die Grundherren, ihren Besitz auf ein engeres Gebiet zu konzentrieren. So war das Ergebnis der Wüstungsphase ein intensivierter Anbau auf deutlich reduzierter Fläche. In dieser Folge entwickelte sich das "Meierrecht".

15. Jahrhundert[]

Ab der Mitte des 15. Jhds. zeichnet sich eine neue Agrarkonjunktur ab, die zu einer Konsolidierung der Landwirtschaft mit steigender Bevölkerungszahl, Neuansiedlung von Kötnerhöfen und Anlage von Kleinstellen (Brinksitzer) führte.

Verwandte Themen[]

Quellen[]

Einzelnachweise[]