Die Angelsächsische Baukunst läßt sich in drei Kategorien unterteilen: in A) Militärische Bauten, in B) Bürgerliche Bauten und in C) kirchliche Bauten. Die noch vorhandenen Zeugen des angelsächsischen Stils gehören größtenteils zur religiösen Art, meist sind es Kirchen oder Teile von Kirchen.
Beschreibung[]
Eine auffallende Eigentümlichkeit des angelsächsischen Baustils ist das gänzliche Fehlen oder nur seltene Vorkommen von Strebepfeilern (im Unterschied zu engen und dekorativ behandelten Lisenen). Eine zweite ist die verhältnismäßig geringe Stärke der Mauern; diese sind häufig nur 0,60 m (oder weniger) bis 0,75 m stark. Damit stimmt die einheitliche Struktur der Mauern zusammen, die nicht auf Kern und Bekleidungstechnik ausgeht, sondern durch und durch entweder mit Backstein oder Bruchstein oder Quaderstein ausgeführt ist.
Fassaden mit Heringsgrätenbau oder ornamentale Maurerarbeiten, wie sie zu Cravant an der Vienne oder am Klaraturm in Köln z.B. hervortritt, sind dem sächsischen Stil fremd, und das ist auch ein Unterscheidunsgpunkt zwischen angelsächsischer und normannischer Maurertechnik. Normannische Mauern sind weit dicker als sächsische und setzen sich aus einer Außenschicht und einer Füllung zusammen. Entsprechend gehen in sächsischen Gewölben die Wölbsteine durch die gesamte Dicke der Mauer, während in normannischen die Wölbsteine an jeder Außenseite liegen mit Bruchsteinfüllung zwischen ihnen.
Die dünnen, durch und durch aus demselben Material bestehenden sächsischen Mauern mögen auf die Scheidewände der römischen Gebäude in Stationen, Villen usw. zurückzuführen sein, die noch üblich waren, als die germanischen Eindringlinge den Steinbau begannen. Die Proportionen der sächsischen Gebäude neigen zur Höhe und Enge; doch läßt sich dies Charakteristikum nicht auf alle ausdehnen.
Dächer, Tür- und Fensteröffnungen[]

Seitentür mit Kämpfer (All Saints' Church, Somerford Keynes)
Die Neigung der angelsächsischen Dächer war in der Regel sehr schroff. In den Gesimsen herrscht Einfachheit vor, und die Kämpfer sind an allen Seiten einfach abgeschrägt. Die einzigen Kapitäle, die zuverlässig als sächsische angesehen werden können, gehören der späten Periode an. Was die Maueröffnungen betrifft, so weichen die Formen der Fenster in den verschiedenen Perioden auffallend voneinander ab; die Türeingänge hingegen sind gleichförmiger; sie sind ganz allgemein hoch und schmal, und sie können in allen Perioden die Eigentümlichkeit der schrägen Pfosten zeigen, die in den keltischen Gebäuden Irlands so gewöhnlich sind.
Als Probe eines angelsächsischen Türeinganges mag der in der Kirche von Somerford dargestellte dienen. Es sei bemerkt, dass die sächsischen Türeingänge selten einen Falz zur Einfügung der Tür haben, die sich in der Regel platt quer über die inwendige Öffnung geschlossen haben muß.
Die Stürze (Oberschwellen) der Türen, wie auch die der Fenster sind oft aus einem einzigen Stein gehauen (Kirche von Brixworth) und zuweilen mit geradseitigen Bogen überdeckt (Grundriß der Kirche von Brixworth); wenn die Stürze aus Wölbsteinen zusammengesetzt sind, so sind diese oft schief behauen, und der Bogen hat keinen Schlußstein. Andere charakteristische Züge sind nicht allgemein, sondern treten nur in bestimmten Perioden auf.
Unterscheidungen[]
Militärische Bauten[]
Einige Reste von Steinmauern, die von den Sachsen zur Ausbesserung und Verstärkung der römischen Umwallungen an Orten wie Exeter, Chester, Porchester aufgeführt wurden, sind noch vorhanden; allerdings sind diese Überreste in der Hauptsache Erdwälle. Beispiele dafür sind die Wälle der Stadt Wareham in Dorset oder des befestigten Lagers, das im Jahre 914 von Aethelflaed, der Schwester König Edwards des Älteren (um 871-924), in Edisbury in Cheshire errichtet wurde. Diese Erdwälle und Gräben unterscheiden sich in technischer Beziehung nicht von ähnlichen Werken, die in früherer oder späterer Zeit in Großbritannien oder in anderen Ländern aufgeführt wurden.
Bürgerliche Bauten[]
West Stow Intro Movie.mp4
West Stow Anglo-Saxon Village
Von den bürgerlichen Bauten der Angelsachsen sind nur wenige wesentliche Spuren geblieben, und Forscher sind größtenteils auf literarische Quellen oder zeitgenössische Beschreibungen angewiesen. Die Hauptwerke dieser bürgerlichen Baukunst waren die Paläste oder Herrensitze der Könige und Stammesfürsten. Sie gehörten zu dem im nordwestlichen Europa gebräuchlichen Typus.
Der Hauptteil des Hauses oder bisweilen das Haus als Ganzes war eine weite Halle, in der sich das ganze häusliche Leben der Hausgenossen und Gäste abspielte. Die im Beowulf beschriebene Halle Heorot ist ein Beispiel dafür, obwohl sie nicht als in Britannien gelegen gedacht war; ein anderes ist die von Beda Venerabilis (Historia Ecclesiastica. II, 13) genannte Königshalle von Northumbrien.
Beda gibt auch (HEccl. III 10) ein Bild von der Wohnung eines Landmannes, die nur ein einziges geräumiges Gemach mit dem Feuer in der Mitte enthielt. Solch eine Wohnstätte konnte mit einer Umzäunung oder einer Palisade umgeben sein, aber es war sicherlich keine Festung undunterschied sich wesentlich in dieser Hinsicht in ihrem Charakter von dem aus Erdwerk und Holz erbauten frühnormannischen Schloß (s. Moated Mound), das vor allen Dingen zur Verteidigung gegen einen möglichen Angriff von selten einer unterworfenen und noch feindlichen Bevölkerung eingerichtet war. Die angelsächsische Wohnung bestand wahrscheinlich durchgängig aus Holz, obwohl die eigentliche Halle auch auf einem steinernen Unterbau ruhen konnte und dann durch eine Treppe erreichbar war. Eine Halle dieser Art, zum Herrensitz von Graf Harold in Bosham, Sussex, gehörig, veranschaulicht der Teppich von Bayeux (Abb. 1). Die Rekonstruktion eines angelsächsischen Dorfes befindet sich in West Stow (Suffolk). [1]
Kirchliche Bauten[]
- s. Hauptartikel: Angelsächsische Kirchenbaukunst

Greensteader Kirche in stehender Blockbauweise
Es gibt in England fast 200 Kirchen, deren Architektur im ganzen oder in einzelnen Teilen die hervorstechenden Stilmerkmale der Angelsächsischen Kirchenbaukunst aufzeigen. Eine von ihnen, die Kirche zu Greenstead in Essex, ist aus Holz (Näheres darüber unter 'Holzbau'), die übrigen sind aus Stein oder Ziegel. Sie datieren vom Anfang des 7. bis zum dritten Viertel des 11. Jhds. Einige von ihnen können mit Sicherheit bestimmt werden; bei den meisten der anderen ist der Zeitpunkt ihrer Errichtung kaum zweifelhaft. Eine weitere Frage ist dabei, ob einige erhaltene angelsächsische Kirchen, wie z. B. die St. Martinskirche in Canterbury, Teile enthalten, die Überbleibsel aus der früheren Epoche des römisch-britischen Christentums sind.
Die Kirchlichen Bauten der Angelsachsen zerfallen in drei Gruppen:
- Die Erste Periode (7.-8. Jh.), die frühere, die dem 7. und dem Anfang des 8. Jhds. angehört
- Die Zweite Periode (8.-10. Jh.), eine Zwischenzeit, die sich über Teile des 8., das gesamte 9. Jhd. und Teile des 10. Jh. erstreckt
- Die Dritte Periode (10.-11. Jh.) umfaßt das Jahrhundert, das der normannischen Eroberung vom Jahre 1066 voranging. (s. auch Hauptartikel: Angelsächsische Kirchenbaukunst (10.-11. Jh.))
In der zweiten Periode, der Zwischenzeit, litt das Land schwer unter den Einfällen der Wikinger, und wahrscheinlich wurde der Kirchenbau durch diese Ereignisse stark beeinflußt. Es ist jedenfalls sehr schwer, von den noch vorhandenen Bauten irgendwelche als in diese Zwischenperiode fallend anzusetzen. Die Gebäude der frühesten und der späten Periode andererseits sind leicht zu erkennen, schließen sich zu markanten Typen zusammen und zeigen an jedem Beispiel Merkmale, die sie mit zeitgenössischen Bauten in anderen Teilen Europas verbinden. Die Verwandtschaften in der Architektur dieser sächsischen Gebäude seien daher in großen Zügen gekennzeichnet... Weiterlesen.
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Quellen[]
- The growth of the manor (Internet Archive). Sir Paul Vinogradoff. London, Sonnenschein, 1905.
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 4 Bände (1. Aufl.). Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. I, S. 558 ff.