Das Angelsächsische Futhorc, auch Anglofriesische Runenreihe genannt, gehört zur 24-typigen Runenreihe der Westgermanen und findet sich längs der Nordseeküste und in England.
Beschreibung[]
Weil der Name der älteren A-Rune (Ansuz) sich im Angelsächsischen zu Ōs entwickelte (und sich daher auch der alte Wert der Rune veränderte), nennt man die angelsächsische Runenreihe auch „Futhorc“. Da man auch in Friesland einige der neuen Zeichen verwendete, nennt die angelsächsischen Runen auch „Anglo-Friesisches Futhark“. Insgesamt wurde diese Runenreihe bis in das 9. Jhd. auf bis zu 33 Zeichen erweitert [1], wobei die neuen Zeichen für später entwickelte Laute standen.
Das Angelsächsische Futhorc wurde eine Zeit lang mit dem lateinischen zusammen gebraucht, sogar auf denselben Denkmälern, wie z.B. das Kreuz von Ruthwell beweist. In den ältesten altenglischen Handschriften (9. und 10. Jhd.) herrscht indessen das lateinische Alphabet vor, jedoch finden wir in einzelnen Handschriften ab und zu Runen eingemischt, was im Verein mit den vielen handschriftlichen Runenalphabeten zeigt, dass man noch in späten Zeiten die Kenntnis von der Anordnung, den Namen und der Bedeutung der Runen bewahrte.
Die Runennamen erscheinen in normalisierter Form. Die Ziffern entsprechen den respondierenden Nummern im Cod. Cotton Otho B 10 (Angelsächsisches Runenlied [2]). Auffallend ist ihre Ähnlichkeit zu den Buchstabennamen im Gotischen Alphabet. [3]
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Runenzeugnisse[]

Der Skanomodu Solidus (um 575-610 n. Chr.)
Zeugnisse für anglofriesische (bzw. angelsächsische) Runen fand man teils in den Niederlanden, jedoch hauptsächlich in England. Insgesamt fand man jedoch in England nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl an Runendenkmälern.
Aus diesem Gebiet kennt man ca. 40 längere und kürzere Inschriften auf Münzen, Hausgerätschaften, Reliquienschreinen, Waffen, Steintafeln in Gräbern mit dem Namen des Toten, sowie — und dies kommt außerhalb des skandinavischen Nordens nur in England vor — auf errichteten Steindenkmälern, die oft die Form eines Kreuzes gehabt haben.
- Eines ältesten Zeugnisse ist der sog. Skanomodu Solidus, der in die Zeit um 575-610 n. Chr. datiert.
- Aus Friesland kennt man die Münze von Harlingen (der Hada-Solidus) aus der Zeit um 575-625 n. Chr.
- Zwei später gefundene runengeritzte Gegenstände aus Eibenholz, das kleine Schwert von Arum und das Runenstäbchen von Britsum, dürfen indessen schwerlich anders denn als einheimisch aufgefasst werden können.
Außerdem finden sich in Handschriften eine Menge Aufzeichnungen der angelsächsischen Runenreihe mit Angabe der Form, des Lautwertes, des Namens und ihrer Bedeutung. Diese Alphabete folgen teils der ursprünglichen Anordnung der Runen („Futhorc"), teils dem lateinischen Alphabet. Wobei letztere jüngere Umstellungen sind. Die angelsächsischen Inschriften bieten oft große Schwierigkeiten, wenn es gilt, sie zu datieren, und oft weichen die Ansichten der Fachleute hierüber sehr bedeutend voneinander ab.
7. Jahrhundert[]
Fast aufs Jahr datierbar sind Münzen aus der Regierung des Königs Peada von Mercien (655-56 oder 57) mit Peadas Namen in der Form pada. Wahrscheinlich gehört in die Zeit von ungefähr 650 das Runenkästchen von Auzon (Franks Casket) aus Walknochen mit Skulpturen auf allen vier Seiten und dem Deckel, Episoden aus der biblischen Geschichte, der germanischen und römischen Heldensage wiedergebend, alle umgeben von Inschriften in angelsächsischer und lateinischer Sprache. Sprachliche Erwägungen scheinen zu verbieten, ihn nach 700 anzusetzen. Für das 7. Jh. scheinen auch runologische, paläographische und kunstarchäologische Erwägungen zu sprechen. Aus der Zeit von 675-704 stammen Münzen von König Aethelred von Mercien mit der Inschrift Aethiliraed.
8. Jahrhundert[]

Inschrift auf dem Kreuz von Bewcastle
Der Zeit von 700-750 gehören die in Gräbern gefundenen Inschriften auf zwei kleinen Steintafeln aus der Gegend von Hartlepoolan, nach der Orthographie auf gleichzeitigen Tafeln mit lateinischen Buchstaben zu schließen: uermund, torhtsuid, ediluini, berhtgyd.
Aus dem 8. / 9. Jhd. stammen die angelsächsischen Handschriften Cotton Otho B 10, Cotton Domitian A 9 und Cotton Galba A 2, welche einige neuaufgegenommene Runen zeigen. Insgesamt kommen in diesen Handschriften weitere 5 neue Zeichen vor, so dass die ganze Anzahl der Runenzeichen hier 33 ist.
Eine der Hauptquellen der Runenreihenaufzeichnung ist der Codex Vindobonensis 795 (Salzburg-Wiener Handschrift) aus dem 8. (vielleicht aber auch erst 9. Jhd.). Er zeigt die angelsächsische Runenreihe noch mit 28 Zeichen. Aber wenn am Ende des 8. Jhds. - zu Alkuins Zeit - diese 5 Zeichen noch nicht in einen allgemeineren Gebrauch gekommen sind, so müssen die Inschriften auf den beiden berühmten Kreuzen von Bewcastle und Ruthwell, die die 3. und 5. der neuen Runen anwenden, frühestens ca. 900 angesetzt werden.
9. Jahrhundert[]
Auf einer Münze des Königs Eanred von Northumbrien (807-41) gab Wihtred sich als Meister an, in einer Inschrift, die teilweise aus Runen besteht.
Aus dem 9. oder 10. Jhd. ist die Inschrift auf einem in der Themse gefundenen Messer, dem Sax von Beagnoth (Thames scramasax), welches die angelsächsische Runenreihe von 28 Zeichen enthält und damit eines der wichtigsten Zeugnisse der angelsächsischen Runenreihe in ihrer Gesamtheit ist. Außer der Runenreihe gab der Ritzer oder Eigentümer auch seinen Namen (Beagnoþ) an.
Runenzeichen und Lautwerte[]
Die angelsächsischen Runen finden sich vollzählig und in mehr oder minder ursprünglicher Folge auf einem epigraphischen und in einer Anzahl handschriftlicher Dokumente. Die Aufzeichnungen zeigen die Runenreihe in zwei Hauptphasen ihrer Entwicklung, nämlich in einer älteren von 28 und in einer jüngeren von 33 Zeichen. Die zwischen beiden liegende Zeitgrenze ist etwa 800 bis 850. Das in der Themse gefundene Sax von Beagnoth enthält vom Typus her dieselben 28 Zeichen wie die auf Alhwine (Alkuin) zurückgehende Runenreihe im Codex Vindobonensis 795, die ebenso wie die folgende Aufzeichnung Lautwert und Namen angibt.
Die Runenreihen des Themse-Saxes und des Codex Vindobonensis haben gemeinsam, dass sie zu den 24 Runen des Grundalphabets vier neue hinzufügen. Sie weichen, was die Form der Runen betrifft, darin voneinander ab, dass die 9 letzten Runen in einer untereinander etwas abweichenden Ordnung folgen. Durch Vergleich mit anderen angelsächsischen und außer-angelsächsischen Alphabeten stellte man fest, dass die Ordnung der Runen 20-23 auf dem Themsesax ziemlich stark gestört ist, während sich die ursprüngliche Folge im Codex Vindobonensis 795 (m, l, ng, d) wiederfindet, der jedoch wiederum die Zeichen für ea und y (ü) vertauscht.
Die 33-typige Form, die in dieser Anzahl mindestens ein Jahrhundert jünger sein dürfte als die 28-typige Runenreihe des Themsemessers, wird u.a. durch die mit dem Angelsächsischen Runenlied verbundene Runenreihe im Cod. Cotton Otho B 10 [6] repräsentiert.
Über die Ordnung der Zeichen dieser Runenreihe kann angemerkt werden, dass 23. Ēðel ae (e) und 24. Dæg (d) ihren Platz vertauschten. Die übrigen angelsächsischen Alphabete haben die Folge d, æ (e). Das Alphabet auf dem Runenstein von Kylfver scheint zu bekräftigen, dass die zuletzt genannte die ursprüngliche war. Ebenso müssen die Zeichen 28. Īor (io) und 29. Ēar (ea) umgestellt worden sein, da io der späteren Reihe neugebildeter Zeichen angehört. Es ist zu beachten, dass das Runenlied nur Verse bis zur Rune 29. Ēar hat, weshalb die (5) letzten Runen später beigefügt worden sein müssen.
Geschichte der verschiedenen Runen[]
Die angelsächsischen Runen unterscheiden sich von den übrigen germanischen besonders dadurch, dass neue Zeichen den ursprünglichen zugefügt werden. In allen vorhandenen Aufzeichnungen der Runen in ihrer ursprünglichen Reihenfolge stehen die Zeichen, die aus einer Differenzierung der Ansuz-Rune (ᚨ) herrühren, an der Spitze der neuen Runen. Bereits dieser Umstand zeigt, dass diese Differenzierung die älteste Phase der Erweiterung des angelsächsischen Runensystems ist.
Auch zeigen die friesischen Inschriften, dass die Bildung der ersten neuen Runenzeichen aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Kontinent vor sich gegangen ist. Auf neue die Rune 26. ᚫ Æsc (æ) folgt in den meisten Runenreihen die Rune 27. ᚣ Ȳr mit dem Lautwert y (ü) . Das letzte Zeichen der ersten Reihe der Neubildungen ist die Rune 29. ᛠ Ēar (ea).
Die letzte Reihe der neuen Zeichen (30. ᛢ Cweorð (q), 31. ᛣ / ᛤ Calc / Caelc (k²), 32. ᛥ Stān (st), 33. ᚸ Gar (g²)) wurde erst nach 800 gebildet und wohl kaum vor 900 fertig ausgestattet, da ja noch Alhwine (735-804) nur 28 Zeichen kannte.
- 30. ᛢ Cweorð (q) - Die Form dieser Rune ist unsicher. In den Handschriften hat sie ein wechselndes Aussehen und ist offenbar ein Abklatsch aus dem lateinischen Alphabet. Auf dem Kreuz von Ruthwell fungiert die k²-Rune (Calc) als q.
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Quellen[]
- Hoops, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. IV, S. 21 ff.
- Wimmer, Ludvig Frands Adalbert. Die Runenschrift (Internet Archive). Berlin: Weidmann, 1839-1920.
Einzelnachweise[]
- ↑ Wikipedia: Futhark - Das angelsächsische Futhorc (Version vom 07.09.2020)
- ↑ Angelsächsisches Runengedicht (Cott. Otho B 10). Old English Rune poem (destroyed in 1731)
- ↑ Wimmer. Runenschrift. aaO. S. 71 f.
- ↑ Hoops. RdgA. aaO. Bd. IV, S. 5 ff.
- ↑ Wikipedia: Anglo-Saxon runes (EN). Version vom 07.09.2020.
- ↑ Wimmer. Runenschrift. aaO. S. 82 ff.