Dieser Artikel wurde am 22. Januar 2013 als Spotlight vorgestellt. |
Attila (in der deutschen Heldensage Etzel), genannt Godegisel, "Gottes Geißel", († 453) war König der Hunnen zur Völkerwanderungszeit. Als Sohn Mundzuks folgte er 434 n. Chr. mit seinem (wohl älteren) Bruder Bleda seinem Oheim Rua (Rugila) als König der Hunnen und wurde durch Ermordung Bledas (444/445) Alleinherrscher bis zu seinem Tod.
Beschreibung[]
Attilas Wildheit war ihm ebenso eigen wie Würde, Ernst und Gerechtigkeit; auch fremden Völkern erschien er als ein gewaltiger Herrscher. Durch das Vorgeben, das Schwert des Kriegsgottes gefunden zu haben, reizte Attila seine Horden zum Krieg. So bildete Attila einen gewaltigen Völkerbund, dem die Aeatziren, Amilzuren, Itimaren, Tonosuren, Boisker, Sorosger, Ultzinzuren, Angisciren, Bittugoren, Bardoren, Sueben, Alanen, Markomannen, Quaden, Gelonen, Skyren, Neuren, Bastarner, Brukterer, Franken, Alemannen und Burgunder, Ostgoten, Gepiden, Thüringer, Heruler, Turkilinger und Rugier angehörten. Von Dänemark bis Pannonien, vom Rhein bis an den Kaspischen See reichte sein Machtgebiet. Seine Residenz lag in Oberungarn unweit Tokaj.
Geißel Gottes[]
Seinen Beinamen "Gottes Geißel" erhielt Attila der Sage nach, als er an der Donau einem Einsiedler begegnete, der ihn so nannte. Seit dieser Zeit nahm er diesen Namen selbst an. [1]
Feldzüge[]
Attila verwüstete 441 Mösien, Illyricum, Thrakien und dehnte 447 seine Streifzüge bis in die Nähe von Konstantinopel aus. Der oströmische Kaiser Theodosius II. erkaufte 448 den Frieden um einen von 700 auf 2100 Pfund Gold erhöhten jährlichen Tribut, eine einmalige Zahlung von 6000 Pfund und die Einräumung des Süddonaulandes. Zwar wurde nach dem Tode Theodosius (450) durch die Kaiserin Pulcheria und ihren Gemahl Marcian der Tribut verweigert; aber Attila sah sich durch die Zurückweisung seiner Werbung um Grata Justa Honoria, die Schwester des weströmischen Kaisers Valentinian III., und durch dessen Bündnis mit dem Westgotenkönig Theoderich I. veranlaßt, sich nach Westen zu wenden.
Mit 500,000 Kriegern durchzog Attila 451 das mittel-germanische Gebiet, fiel in Nordgallien ein, zerstörte eine Reihe von Städten (Metz u. a.) und bedrohte Orléans, als Aëtius, der Feldherr Valentinians, und die Westgoten der Stadt zu Hilfe kamen, worauf Attila in der weiten Katalaunischen Ebene zwischen Troyes und Metz Stellung nahm. Hier kam es im Herbst 451 zu einer gewaltigen Völkerschlacht:
165,000 (nach anderen 300,000) Krieger fielen, darunter König Theoderich, und die Sage ließ die Erschlagenen noch in den Lüften fortkämpfen. Attila kehrte nach Pannonien zurück. 452 drang er in Italien ein, zerstörte Aquileja und bedrohte Rom; doch Papst Leo I. erkaufte um hohe Geldsummen den Frieden, der Attila wegen Seuchen und Mangels in seinem Heer erwünscht war.
Attila starb 453 bald nach seiner Rückkehr, während er seine Hochzeit mit der Burgunderin Ildico feierte, an einem Blutsturz. Begraben wurde er im Bett eines abgeleiteten Stroms und in 3 Särgen (einem goldnen, silbernen u. eisernen) verschlossen. Die Sklaven, die das Begräbniß besorgt hatten, wurden getötet. Mit Attila erlosch die Macht des hunnischen Weltreiches; gegen seine Söhne Ellak, Dengisich und Hernac (Irnas oder Irnach) erkämpften die germanischen und skythischen Völker ihre Selbständigkeit durch eine Schlacht am Fluß Netad in Pannonien.
Attila als Sagengestalt[]
Der gewaltige Hunnenkönig, der einen gotischen Namen führt und an dessen Hofe gotische Sitten herrschten, ist der einzige Nichtgermane, der eine bedeutende Stellung in germanischen Heldensage einnimmt. Durch fünf Lieder kam Attila in die Dichtung herein:
- den Burgundenuntergang
- die Hunnenschlacht (nach Widsith. V. 122)
- Dietrichs Exil
- den Fall der Etzelsöhne
- die Walthersage.
Dagegen wußte die alte Ermenrichdichtung nichts von den Hunnen, trotz dem Ereignis von 375, und gewann die Beziehungen zu Etzel erst dadurch, dass Ermanarich im 9./10. Jhd als Erbe Otachers (Odoaker) in Dietrichs Exilsage trat. In all den fünf Sagen war Attila entweder Gegenspieler oder Nebenfigur: eine eigene Stammsage besaß Attila nicht, die gewann er erst durch die niederdeutschen Spielmannsepen im 12./13. Jhd. Die fünf Sagen geben Attilas Bild in zwiefacher Auffassung: nach der westlichen (fränkischen und westgotischen) ist er der gefürchtete Feind; nach der östlichen (ostgotischen, später oberdeutschen) ist er die Zuflucht fürstlicher Recken und der milde Herr vergeiselter Königskinder. Dort bestimmten die Hunnenstürme von 437 und 451 die Zeichnung, hier Attilas langjähriger Patronat über die Ostgoten.
Daten[]
Folgende Daten aus Attilas Kreis haben die Sagen festgehalten: Den Namen *Hunoz; Attila, mittelhochdeutsch Etzel, altenglisch Etla (Liber Vitae), aber die Form Aetla im Widsith und Waldere fordert die niederdeutsche Zwischenstufe *Atlo, die sich auch im nordischen Atli fortsetzt (nach Thidrekssage buchmäßig Attild).
- Bleda - Nur durch die gotisch-oberdeutsche Sage bewahrte Attilas Bruder Bleda, umgebildet zu altenglisch. Blaedla (Liber Vitae), mittelhochdeutsch Bloedel(in).
- Herkia - Attilas Gemahlin als Herkia aus der Edda, in der Thidrekssage Erka, mittelhochdeutsch Herche = Reiche. Oserichs Tochter. Der Sage nach wirbt Attila um Herche. Sie wird ihm versagt, aber Markgraf Rüdiger kommt in einer Verkleidung an ihres Vaters Hof und entführt sie zu Etzel, der nun in fortwährender Feindschaft mit Oserich lebt.
- Ildiko / Hildiko - Nur die fränkische Sage nahm die letzte Gemahlin, Hildiko = Grimhild / Kriemhild, auf.
Unabhängig voneinander kennen die älteste Burgundensage (in der Edda) und die Dietrichsage zwei Söhne Attilas, die, unter ganz verschiedenen Umständen, getötet werden:
- Erpr - Der Erpr taucht in den Dichtungen übereinstimmend auf, hochdeutsch Erphe (Biterolf). Dieser Name, 'der Braune', ist vielleicht eine Umbildung von Ernac (so heißt Attilas Liebhngssohn, sein Jüngster, oder Ellac).
- Ellac - Ältester Sohn Attilas, der anno 454 in der Schlacht am Netad fiel. Ellacs Fall kann sich in dem Tod der Etzelsöhne durch Witege spiegeln (s. Dietrich von Bern).
Dagegen die Ermordung der zwei Knaben durch ihre Mutter Grimhild ist freie Dichterschöpfung, die nur den Namen Erp aufgriff und die allgemeine Tatsache, dass man bald nach Attilas Ende von dem Tod seines Ältesten hörte. Die Zweizahl der Kinder kann beidemal spontan, nach einem 'epischen Gesetz', eingeführt worden sein. Es ist nicht ratsam, für diesen einzelnen Punkt Abhängigkeit der fränk. Burgundensage in ihrer älteren, nordischen Fassung von der gotisch-oberdeutschen Dietrichsage anzustrengen. Falls der Erp der Svanhildsage, s. Ermanarich, ebenfalls auf Ellac zurückginge, hätte man dort eine dritte Variante. Die Namen, die außer Erp für die Knaben erscheinen, haben kein geschichtliches Gegenbild.
Dasselbe gilt von: edd. Budhli, mhd. Botelunc (vgl. aengl. Waels, nord. Vǫlsungr), dem Vaternamen, der gleichfalls in die fränkische und die gotisch-oberdeutsche Tradition einzog; und dann von den drei Os-Namen, die in niederdeutsche Dichtung an Attila antraten:
- Oserich (in der Thidrekssage: Osanctrix), der Wilzenkönig, Attilas Schwager. Oserich begegnet auch im Biterolf (Vers 1962) und in bayrischen Urkunden des 12. Jhd.
- Ospirin, Attilas Frau. Ospirin taucht sonst nur im Waltharius auf: wie dieser Name in Eckehards oberdeutsche Überlieferung geriet, ist ein Rätsel.
- Osia, nach der Thidrekssage Attilas Vater und Neffe.
Die Zusammengehörigkeit und der niederdeutsche Ursprung der drei Namen sind sicher; os- wäre hochdeutsch uos. Sie ersetzten die älteren Namen Helche und Botel(unc). Mit dieser niederdeutschen Neuerung ging vielleicht die Lokalisierung des Hunnenreiches in Niedersachsen zusammen, der Residenz Attilas in Soest. Die besonderen Gründe des Vorgangs sind nicht vollständig aufgeklärt. Die deutliche Fixierung Attilas (bei Eckehard) und des mittelhochdeutschen Etzel in Ungarn (Etzelenburc = Ofen) ist gelehrte Auffrischung im Hinblick auf die Avaren und Ungern, die man für Nachkommen der Hunnen hielt. Die ursprüngliche Burgundensage legte den feindlichen Hof nicht in das ferne Land; ob etwa die älteste Dietrichsage pannonische Ortsnamen festhielt, ist nicht ebnso zu entscheiden.
Burgundensage[]
Als im 8. Jhd. die Burgundensage in die Donauländer kam, stießen die zwei entgegengesetzten Attilatraditionen, die westliche und die östliche, aufeinander. Den Sieg behielt die einheimische, östliche: dies führte zur Umdichtung der Bruderrache in die Gattenrache.
Außerdem erhielt die Sage neue Elemente aus der gotisch-oberdeutschen Dietrichdichtung, v. a. Dietrich von Bern selbst. Dessen 30 Verbannungsjahre bekamen durch seine Einflechtung in den Burgundenuntergang einen neuen Inhalt, der am Verlauf der Exilsage allerdings nichts änderte.
So wurde Attila das Bindeglied zwischen den rheinischen Helden und den Amelungen. Die beiden Gemahlinnen, die östliche Herkia (Reiche) und die westliche Grimhild, brachte man in zeitlichem Nacheinander an. Dass jene im dritten Gudrunlied (Gudhrunarkvidha in Thridhja) der Lieder-Edda als Attilas Kebse neben (Grimhild-) Gudrun agiert, kommt auf die Rechnung des Nordländers.
Die spätere Ausweitung der Dietrich- und der Burgundensage vermehrte auch das Personal um Attila. Sein Markgraf Rüdeger wurde für die Dietrichsage gedichtet, seine Stellung zu Dietrich und zu Attila ist gleichalt (vgl. Amelungen).
Nach der nordischen Darstellung in der Edda und der Völsunga saga lockt Attila, hier Am genannt, seine Schwäger zu sich, um ihren Schatz, den Nibelungenhort, zu erlangen, und läßt sie niedermachen, wird aber zur Rache von seiner Gattin, der Schwester der Erschlagenen (hier Gudrun genannt), im Bett ermordet.
Die norwegische Thidrekssage, die niederdeutsche Überlieferungen benutzte, meldet über Attilas Ende, dass er in einem unterirdischen Gewölbe beim Nibelungenschatz dem Hungertod preisgegeben worden sei. [2]
Attilasage[]
Eine Attilasage im eig. Sinne, d. h. eine Dichtung, die um Attila als Mittelpunkt geschaffen wurde, kennen wir einzig in den Erzählungen der Thidrekssage: sie sind nicht über das 12. Jhd hinaus zurückzudatieren. Bei der großen Brautwerbungsnovelle (c. 42-56), die einerseits den Wilzen Oserich als Gegenspieler, anderseits den Österreicher Rüedeger (bzw. Roðolf von Bakalar) verwendet, kann man zwischen hochdeutschen und niederdeutschen Ursprung schwanken. Sicher niederdeutsch sind Attilas Kriege mit Wilzen und Russen (c. 132 ff. 291-315), in hochdeutscher Dichtung einzelne Ableger:
Eine eigentümlich realistische, chronikenhafte, schein-historische Dichtung, die an die Slavenkriege der Kaiser im 10. und 11. Jh. knüpft und Attila, den in Westfalen lokalisierten, zum Vertreter der Sachsen macht. Die günstige Zeichnung Attilas fußt auf der oberdeutschen Dichtung; und so steht auch Dietrich von Bern, sein Schützling, neben ihm. Er und seine Helden vollbringen die großen Taten. Zur persönlichen Streitbarkeit hat es die Gottesgeißel auch in dieser ihrer späten Stammsage nicht recht gebracht.
Quellen[]
- Deutsche Altertumskunde. Karl Müllenhoff. Berlin 1870-1908. Band 5, S. 397.
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 1. Von Johannes Hoops, 1918—1919. S. 137 ff.
- Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 68-69.
- Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 353.
- Burg: Zeitschrift für deutsches Altertum. Berlin, 1841.
- Bleyer in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Ausgabe 31, S. 429 ff.
Einzelnachweise[]
- ↑ Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 626-627.
- ↑ Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 147.