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Augustinus von Hippo (* 354 in Thagaste, Numidien; † 430), auch Augustinus von Thagaste oder schlicht Augustin genannt, war einer der bedeutendsten Kirchenväter zur Zeit der Jüngeren Patristik in der Spätantike.

Leben und Schriften[]

Augustinus wurde 354 zu Thagaste in Numidien als Sohn eines heidnischen Vaters und einer christlichen Mutter, der frommen Monika, geboren. Später wirkte er als Lehrer der Rhetorik in Karthago, Rom und Mailand. Augustin machte, ehe er im Christentum endgültige Befriedigung fand, eine lebhafte, durch den Kampf mit seinem leidenschaftlichen, sinnlich-feurigen Temperament doppelt bewegte, innere Entwicklung durch, und nahm auch in philosophischer Beziehung die verschiedensten Standpunkte nacheinander ein.

Als Jüngling durch die Lektüre von Ciceros Hortensius zum Studium der Philosophie angeregt, huldigte er zuerst fast zehn Jahre lang der manichäischen Lehre, wandte sich darauf dem Skeptizismus der neueren Akademie zu und ließ sich sodann, auch von diesem unbefriedigt, vom Neuplatonismus beeinflussen, bis er endlich durch Bischof Ambrosius von Mailand zum Christentum übertrat. Er wurde 387 getauft, 391 Priester und 395 Bischof von Hippo in Nordafrika, wo er im Jahre 430 starb, während die Vandalen die Stadt belagerten.

Philosophisches[]

Augustins "Philosophie", wenn man von einer solchen sprechen will, findet sich bei ihm nirgends als zusammenhängendes System entwickelt, sondern ist aus einzelnen Stellen seiner Schriften herauszuschälen.

Grundlage und Ausgangspunkt[]

Grundprinzip und Ausgangspunkt war für Augustin die Selbstgewißheit der inneren Erfahrung. Wie Sokrates, wendet auch Augustin sich von der äußeren Natur ab und ganz dem inneren Leben zu. "Gott und die Seele begehre ich zu erkennen. Weiter nichts? Nein, gar nichts." "Gehe nicht nach draußen, kehre in dich selbst ein; im Inneren des Menschen wohnt die Wahrheit." Wie aber ist sie zu finden? Was bleibt bestehen, wenn alles andere zweifelhaft geworden ist? Die Selbstgewißheit meines inneren Lebens. Selbst, um zweifeln und irren zu können, muß ich zuerst existieren.

Wer zweifelt, weiß, daß er lebt, daß er vorstellt, ja, daß er will, indem er nach der Wahrheit strebt. Er zeigt durch sein Zweifeln, daß er einen Maßstab der Wahrheit mindestens sucht, daß er außer der sinnlichen Empfindung die höhere Fähigkeit des Denkens oder der Vernunft (intellectus, ratio), d. i. das Vermögen der Anschauung unkörperlicher Wahrheiten besitzt, die für alle Denkenden dieselben sein müssen. Dann jedoch folgt die theologische Wendung. Diese "an sich gewissen", "ewigen" Wahrheiten oder Ideen ruhen in Gott. Gott, den freilich menschliches Denken nie ganz erfassen kann, ist der Urquell aller Dinge, das höchste Sein und zugleich das höchste Gut, die höchste Liebe und die höchste Schönheit. Auf ihn werden denn auch die Grundtätigkeiten der menschlichen Seele: das Vorstellen, Urteilen und Wollen auch esse nosse velle genannt als Allmacht, Allweisheit, Allgüte übertragen.

Die Lehre vom Willen[]

Der Kern des menschlichen Wesens lag für Augustinus im Willen. Schon die äußere und noch mehr die innere Sinnestätigkeit sind als "Strebungen der Seele" (intentiones animi) wesentlich Willensakte, desgleichen das verstandesmäßige Denken in seiner Richtung und seinem Zweck. Es ist ein Wille, wie ihn Augustin selbst in den inneren Kämpfen seiner dürstenden Seele erzeugt hatte, der auf dem leidenschaftlichen Verlangen nach Glück und Seelenfrieden bei einer von Natur starken Sinnlichkeit beruht.

In Bezug auf die höchsten Wahrheiten muß sich der menschliche Geist freilich der göttlichen Erleuchtung und Offenbarung unterordnen, die ihm durch Gottes Gnade zufließt. Doch auch sie können nur von dem ebenfalls auf einem Willensakt beruhenden Glauben ergriffen und der Seele zu eigen gemacht werden. In der schwierigen Frage der Vereinigung der menschlichen Willen freiheit mit dem göttlichen Vorauswissen stand Augustin anfangs, wie fast alle seine theologischen Vorgänger, mehr auf selten der ersteren. Religiös-kirchliche Gesichtspunkte haben ihn dann zu einer immer stärkeren Hervorhebung der göttlichen Vorausbestimmung (Prädestinationslehre), wie sie schon in den paulinischen Briefen angebahnt ist, geführt.

Die Willensfreiheit wird nun auf Adam, den ersten Menschen, beschränkt; seitdem hat der Mensch nur noch die Freiheit zum Bösen, nicht zum Guten (Erbsünde), womit übrigens, die Freiheit des sittlichen Handelns im gewöhnlichen (nicht-religiösen) Leben vereinbar ist. Je tiefer der Mensch, desto höher Gott. Nur die göttliche Gnade vermag den Menschen vom zeitlichen und ewigen Verderben zu erretten. Sie wird vermittelt durch die Kirche und ihre Sakramente: Extra ecclesiam nulla salus. Anspruch auf diese Gnade hat er nicht; es ist Sache Gottes, auszuwählen, welchen er will. Die weitere Erörterung dieser Frage in den Streitigkeiten mit Pelagius u. a. gehört der Kirchengeschichte an.

Geschichtsphilosophie[]

Aus denselben Prinzipien ergibt sich Augustins in seinem großen Werk De civitate Dei (Über den Gottesstaat) niedergelegte Geschichtsphilosophie. Auch die weltgeschichtliche Entwicklung steht von vornherein durch Gottes Ratschluß unverbrüchlich fest, ohne daß der Mensch selbsttätig eingreifen könnte. Seit Anfang der Welt (hier klingen manichäische Erinnerungen nach) streiten miteinander zwei Reiche, dasjenige Gottes und das des Teufels, der irdische (civitas terrena) und der Gottesstaat. Der erstere, ein Erzeugnis der Sünde, jagt naturgemäß irdischen, egoistischen Zwecken nach; im besten Falle ist er eine von Gott verordnete Zwangsanstalt zur Bestrafung und Linderung des Bösen, niemals aber Selbstzweck. Der Gottesstaat existiert schon jetzt im Himmel und zieht seine auf Erden dort nur als Fremdlinge weilenden Glieder allmählich an sich.

Die Entwicklung der Menschheit erfolgt dem göttlichen Erziehungsplane gemäß in sechs, den verschiedenen Lebensaltern des Menschen vergleichbaren, Stufen (Perioden), die sich an die biblische Überlieferung (6 Schöpfungstage) und die Geschichte Israels anlehnen. Für das Griechentum zeigt unser Kirchenvater nur geringes Verständnis, noch weniger für das zu seiner Zeit allerdings in Auflösung begriffene Römertum. In der letzten, mit Christus anhebenden, Periode stehen wir jetzt.

Das nahe bevorstehende Ende wird für die Gläubigen der Eingang in das himmlische Jerusalem, damit in die ewige Ruhe und Seligkeit, für die Angehörigen des weltlichen Staates die ewige, unwiderrufliche Verdammnis sein: also im Gegensatz zu Origenes' Glauben an eine schließliche Versöhnung und Wiedervereinigung mit Gott, ewige Scheidung in das Reich Gottes und des Satans. Das ist aus Platos Staat in der christlichen Philosophie geworden! Von Sozialphilosophie zeigt sich keine Spur. Kommunistische Regungen seiner donatistischen Gegner wies der Bischof von Hippo, wie die "triumphierende" Kirche allezeit, aufs schärfste ab.

Ethisches[]

So sehr das letzte Ziel bei Augustin auch ein theoretisches, der selige Friede im Anschauen Gottes im Jenseits ist, so hat er doch für diese Zeitlichkeit energisches sittliches Handeln verlangt und selbst geübt, in einem gewissen Widerspruch zu seiner religiösen Lehre von der Erbsünde und Gnade Gottes. Und zwar aus der inneren Gesinnung heraus, die aber ihrem Inhalte nach christlich sein muß; denn alle heidnischen Tugenden sind wertlos, "glänzende Laster", wenn man nicht den richtigen Glauben hat. Trotzdem knüpft er an die antike Philosophie an, wenn er die Tugend als ein mit der Vernunft übereinstimmendes Verhalten oder als die Lebenskunst definiert, die zur ewigen Glückseligkeit führe. Seine angewandte Ethik nimmt die vier platonischen Kardinaltugenden auf, will sie aber durch die drei christlichen: Glaube, Liebe, Hoffnung ergänzt wissen.

Augustin ist eine überaus vielseitige Natur. Er zeigt eine merkwürdige Verbindung von tiefinnerlicher Religiosität und strengster äußerlicher Kirchlichkeit, Gesetzesstrenge und Liebe, verstandesgemäßem Denken und mystischer Schwärmerei. So haben denn bis ins 16. Jh. hinein die verschiedensten religiösen und theologischen Bewegungen an Ihn angeknüpft. "Er ist der Vater der römischen Kirche und der Reformation, der Biblizisten und der Mystiker, ja selbst die Renaissance und die moderne empirische Philosophie (Psychologie) sind ihm verpflichtet." [1] Augustin wurde zum Kirchenvater des Abendlandes, und vor allem seine machtvolle Persönlichkeit hat die antike Weltanschauung auf fast ein Jahrtausend aus dem christlich gewordenen Europa verdrängt.

Werke[]

Augustins kirchliche und religiöse Wirksamkeit hatte einen enormen Einfluss und ist bis in die Moderne zu spüren. Von seinen zahlreichen Schriften, die in Mignes Sammlung der Kirchenväter (Patrologiae cursus completus) [2] nicht weniger als 16 Bände füllen, gehören, abgesehen von den seine persönliche Entwicklung aufs offenste schildernden, psychologisch feinen, freilich auch stark rhetorischen Selbstbekenntnissen, den heute nahezu in alle europäischen Sprachen übersetzten Confessiones, hauptsächlich hierher:

  • 1. die philosophischen Schriften der Jahre 386 bis 388: Contra Academicos, De beata vita, De ordine, Soliloquia, De quantitate animae und De libero arbitrio.
  • 2. Aus der Zeit nach 400: Neben der theologischen Abhandlung De trinitate vor allem das Hauptwerk, die 22 Bücher De civitate Dei (413-426 verfaßt), auch die gegen Ende seines Lebens von ihm niedergeschriebenen Retractationes.

Autobiographische Schriften[]

  • Confessiones (dt. Selbstbekenntnisse) – Autobiographische Schrift mit theologischen und philosophischen Betrachtungen
  • Retractationes (dt. Überarbeitungen) – Übersicht seiner Schriften und zugleich Revision derselben im kirchlichen Sinne. Enthält nachträgliche Korrekturen und Anmerkungen zu seinen früheren Schriften.

Philosophische Schriften[]

  • De beata vita (dt. Über das Glück) – Über den Zusammenhang zwischen Glück und Gottesbegegnung
  • De civitate Dei (dt. Vom Gottesstaat) - 413-426 verfaßt.
  • De doctrina christiana (dt. Über die christliche Bildung)
  • De immortalitate animae (dt. Von der Unsterblichkeit der Seele)
  • De libero arbitrio (dt. Der Freie Wille) – erläutert die Willensfreiheit
  • De magistro (dt. Über den Lehrer) – Zur Bedeutung der Sprache
  • De musica
  • De Ordine (dt. Über die Ordnung) - Zur Stellung des Guten und Bösen in der göttlichen Weltordnung
  • De quantitate animae
  • De trinitate (dt. Über die Dreifaltigkeit) – Theologische Abhandlung, fünfzehnbändiges Hauptwerk
  • De vera religione (dt. Über die wahre Religion) – Zur Bedeutung der christlichen Religion
  • Soliloquia (dt. Selbstgespräche) – Zur rationalen Selbsterkenntnis

Theologisch bedeutende Texte[]

Der Legende nach sollen Augustinus und Ambrosius von Mailand gemeinsam das Te Deum getextet und komponiert haben. Als Augustinus als Erwachsener das Sakrament der Taufe empfing, soll Ambrosius diesen Hymnus angestimmt haben. Augustinus soll versweise darauf geantwortet haben. [3]

Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Grundriss der Dogmengeschichte (Internet Archive). Adolf von Harnack. Freiburg : J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 1891. Bd. II, S. 12.
  2. Patrologia Latina (WP). J. P. Mignes. Paris, 1844–1864. Bde. 32-47
  3. Wikipedia: Augustinus von Hippo