Mittelalter Wiki
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Als Avunculat bezeichnet man ein besonders enges Verhältnis zwischen Mutterbruder (Onkel, Oheim) und Schwestersöhnen.

Beschreibung[]

Bezeugt wird das Avunculat für germanische Stämme bereits zur Römischen Kaiserzeit (1-375 n. Chr.) von Tacitus , der in Germania (20) schreibt: "Sororum filiis idem apud avunculum qui ad patrem honor. Quidam sanctiorem artioremque hunc nexum sanguinis arbitrantur et in accipiendis obsidibus magis exigunt, ..." [1] - "Die Söhne der Schwester haben beim mütterlichen Oheim die nämliche Achtung wie an der Seite ihres Vaters. Manche halten jenes Band des Blutes für unverletzlicher und enger, und dringen beim Empfang von Geiseln mehr auf solche, ..." [2]

Diese berühmte Stelle wurde häufig als Beleg für ein urgermanisches Mutterrecht verwertet. Doch ein Vergleich mit den indischen Verhältnissen spricht dafür, dass die näheren Beziehungen zum Mutterbruder nicht rechtlicher, sondern lediglich tatsächlicher Natur waren und dem natürlichen Schutzbedürfnis entsprangen.

Erklärung[]

Die Erklärung dieser näheren Beziehungen dürfte in den sozialen Verhältnissen zu suchen sein. Die Bemerkung des Tacitus, dass die mütterliche Verwandtschaft besonders bei der Stellung von Geiseln berücksichtigt wurde, zeigt, dass hier vor allem von den herrschenden Familien die Rede ist. In diesen brachte es aber die allgemein verbreitete Polygamie mit sich, dass die Kinder der verschiedenen Frauen eines Mannes nicht in der ihnen allen gemeinsamen väterlichen Sippe, sondern in der mütterlichen Sippe und vor allem im Mutterbruder den natürlichen Beschützer erblickten, wie es noch heute z. B. in den islamischen Herrscherhäusern der Fall ist. Daher auch die in diesen Familien verbreitete Sitte, die Söhne am Hofe des mütterlichen Oheims erziehen zu lassen [3].

Dagegen dürfte die weitere Stelle desselben Kapitels bei Tacitus, den neben den fratres (Brüder) und patrui (Vaterbrüder) die avunculi (Mutterbrüder) als Erben nennt, wohl auf einem Mißverständnis des Tacitus beruhen und hat mit dem Avunculat nichts zu tun. [4]

Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Wikisource: De origine et situ Germanorum (Germania, XX.) (lateinisch)
  2. Wikisource: Die Germania des Tacitus (deutsch)
  3. Altnordisches Leben. Karl Weinhold. 1856. Reprint: Adamant Media Corporation (7. Dezember 2001). ISBN-10: 0543928977. ISBN-13: 978-0543928979. S. 283
  4. Preussische Jahrbücher, Band 79. Rudolf Haym, Heinrich von Treitschke, Hans Delbrück. Verlag G. Reimer, 1895.