Mittelalter Wiki
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Das Beamtenwesen in Nordeuropa entwickelte sich in einer Zeit von Kleinstaaten, als die Gebiete der skandinavischen Völker in viele Kleinkönigreiche (s. Königtum in Nordeuropa) zerfielen, an deren Spitze Kleinkönige standen.

Soweit diese Reiche größeren Umfangs waren, zerfielen sie territorial und der Einwohnerzahl nach in verschiedene Hundertschaften mit Hundertschaftsvorstehern (aschw. hæraþshofþingi, anorw. hersir) an der Spitze.

Beschreibung[]

Die Hundertschaftsvorsteher (Hersir) waren, wie die Könige, Beamte des Volkes. Sie wurden vom Volk gewählt, waren ihm verantwortlich und von ihm absetzbar. Im Gegensatz zum König als Zentralbeamten, war der Hersir ein Bezirksbeamter. Nur vereinzelt konnte das Festhalten an einer Erbfolge, insbesondere bei den Königen, bei der Weitergabe dieser Würden beobachtet werden. In vorchristlicher Zeit kam zu diesen Würden, auch das Amt des Priesters hin zu. Die Beamten waren Organe des selbstregierenden Volks.

Das Beamtenwesen der drei skandinavischen Reiche kam schon früh mit der Grundleihe (Lehnswesen) in Verbindung, wie am deutlichsten die Namen der Beamten zeigen (s.u.). Allerdings war dieses Beamtenwesen anders als das kontinentale, nicht feudalisiert. Weder waren diese Lehen in der Regel vererbbar, noch war ihre Nutzung so uneingeschränkt wie beim deutschen Lehen, noch war damit eine generelle Gefolgschaft verknüpft, aus der sich gerade das kontinentale Lehen entwickelt hatte (s. Lehnswesen, Veizla).

Entstehung des Großkönigtums[]

Die Entstehung des Großkönigtums hatte in den drei skandinavischen Ländern eine wesentliche Umgestaltung des Beamtenwesens zur Folge. Die gewählten Volksbeamten wurden zurückgedrängt, und schließlich von den neu benannten königlichen Beamten des Herrscherkönigs gänzlich verdrängt (s. Hofbeamte (Skandinavien)). Dadurch wurden auch die Kleinkönige entweder komplett beseitigt oder erhielten die Stellung von königlichen Beamten, wobei die dem Volk gegenüber schwächeren Königtume der Schweden und Dänen stärkere Wirkung erzielten als der Norwegerkönig.

Überall war ferner, soweit nicht das Kleinkönigtum den Anknüpfungspunkt für einen Beamten abgab, der Ausgangspunkt die Vertretung der königlichen Finanzinteressen, weshalb sich die königlichen Bezirksbeamten in der Regel aus dem königlichen Krongutsverwalter heraus entwickelten. Die Eintreibung von Abgaben führte zur Eintreibung von Bußen und Gerichtsgefällen; von hier führte der Weg zur Beteiligung am Strafwesen, Prozeßverfahren und Vollstreckung. Allerdings war noch im 13. Jhd. dieser Weg in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich weit beschritten.

Schweden[]

In Schweden war das Beamtenwesen selbst innerhalb des Landes regional verschieden, da z.B. die Reiche der Svear und Götar (Gotländer) als große Gruppen auseinanderfiellen. Besonders geartet waren vor allem die Verhältnisse in Uppland, da diese sich aus drei "Ländern" zusammensetzten. Dort stand ein Folklandshaerra an der Spitze jedes Landes und ein Laenshaerra an der Spitze einer oder mehrerer Hundertschaften; in jedem Haerath (unterer Verwaltungsbezirk) befand sich wiederum ein Laensman als Unterbeamter des Laenshaerra.

Diese drei Beamte waren königliche Beamte, hatten ihr Amt vom König zur Leihe und vertraten in erster Linie königliche Interessen, vorwiegend finanzieller Natur. Als Volksbeamte kamen die zwei "Domari" in jedem Haerath in Betracht, die von zwölf durch den Laensman bestimmten Männern gewählt, am Thing zu urteilen haben, nachdem ihnen der König "die Urteilsgewalt in die Hände zu legen" hatte; sie vertraten also das Volk.

Dagegen erhielt sich in West- und Ostgotland der haerathshofthingi als Vorsteher der Hundertschaft und als Volksbeamter. Über ihm stand in Westgotland wie in Uppland der Landshaerra (dominus terrae) oder landsdomari, unter ihm in Ostgotland als Vorsteher eines Viertels des haerath der fjaerthungshofthingi. Die königlichen Interessen wahrte neben den bryti ('Speisenverteiler', auch Laensmather) vom königlichen Gutshof aus (s. Krongut), in Ostgotland der kunungs soknari.

An Uppland schließen sich Westmannaland, Södermannaland und Helsingeland an. Dazu fand sich in jeder Landschaft als Volksbeamter ein Laghmather (s. Gesetzessprecher). Der höchste königlicher Beamte zwar der vornehmlich mit der Seewehr betraute Jarl in Ostgotland, Rothin (Sveriges jarl) und der Jarl auf Gotland. In diesem wie im "Landherrn" kann man die Nachfolger der alten Kleinkönige sehen. Erst mit der Gesetzgebung des 14. Jhds. wurden die Verhältnisse in Schweden vereinheitlicht.

Dänemark[]

In Dänemark verdrängte das aufblühende Königtum die Volksbeamten vehementer als in Schweden. Hier verschwand der Hundertschaftsvorsteher völlig, ebenso ist aus den bekannten schriftlichen Quellen kein anderer Volksbeamter als Gesetzessprecher zu ersehen. Den König vertrat hier, aber bis ins 13. Jhd. allerdings nur in finanziellen Interessen, der königliche Vogt (umbuzman) oder Verwalter (kunungs bryti), dem in Jütland ein Unterbeamter (undaersoknaer) zur Seite stand. Erst später bekam dieser Einfluss auf die Rechtspflege.

Außerdem findet sich in Südjütland ein mit den früheren Kleinkönigen zusammenhängender Jarl, später Herzog (dux Jutiae), und in Schonen, mit dem Sitz in Lund, als praefectus Scaniae der gaelkaeroe. Neben diesen Bezirksbeamten sind hier noch Zentralbeamte zu nennen, da die Inhaber der Königlichen Hofämter (Truchsess, Kanzler, Marschall, Schenk) noch vor dem 13. Jhd. an der Reichsverwaltung in obersten Stellen beteiligt wurden (s.a. Hofbeamte (Skandinavien)).

Norwegen[]

In Norwegen verschwand vor allem der Hundertschaftsvorsteher (Hersir) mit der alten Heradseinteilung sehr bald. Das Kleinkönigtum erhielt sich allerdings noch geraume Zeit, in seinem letzten Ausläufer bis ins 14. Jh., im Jarl. In ähnlicher Stellung, aber außerhalb der königlichen Familie, war der Herzog (hertogi). Königlicher Beamter war der Armaðr, der, auch Bryti genannt, zunächst Verwalter königlicher Güter war, von hier aus zum Vertreter der allgemeinen königlichen Finanzinteressen wurde und zur Obrigkeit über einen bestimmten Bezirk (yfirsoknarmadr) aufstieg.

Etwa im 13. Jhd. verdrängte der Syslumaðr den Armaðr (so z.B. mit der Gesetzgebung von Magnus lagaboetr), als dessen Unterbeamter wiederum tritt der lensmaðr (exactor) auf. Dessen Amtsbezirk war die Syssel. Von den Lensmenn befanden sich mindestens zwei in einem fylki; diese wurden vom Syslumaðr gewählt und agierten als dessen Gehilfen. Syslumaðr und Armaðr waren teilweise ebenso lendr maðr, wenn sie vom König Grund und Boden als Lehen erhielten.

Die schriftlichen Quellen schreiben den Lendirmenn auch öffentliche Funktionen in Konkurrenz mit Syslumaðr und Armaðr zu, ohne dass jedoch die Lendir menn zwangsläufig zum Beamtenwesen zählen mussten. Zuerst Volksbeamter, seit dem Ende des 12. Jhds. königlicher Beamter war der Gesetzessprecher, der Lögmadr. In den norwegischen Schatzlanden findet man ein königliches Beamtenwesen mit Rücksicht auf die sehr wechselnde Abhängigkeit der einzelnen Länder immer nur periodenweise; es treten Jarlar und Syslumenn auf. Auf Island endlich kennt die freistaatliche Zeit als gewählten Volks beamten den Gesetzessprecher.

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Quellen[]

Einzelnachweise[]