In der Benennung der germanischen Bewohner Britanniens herrscht bei den zeitgenössischen Schriftstellern Uneinigkeit: sie werden bald Sachsen, bald Angeln, bald Angelsachsen genannt.
Unterschiede in der Benennung[]
Unter Angelsachsen versteht man die germanischen Stämme im Allgemeinen, die seit dem Anfang des 5. Jahrhunderts Britannien eroberten. Der Ausdruck "Angelsachsen" blieb allerdings in allen Perioden, in denen er auftauchte, eine Phrase des rhetorischen Kanzleistils. Von den vereinzelten Belegen aus angelsächsischen Texten abgesehen, kommt er nur in lateinischen oder gemischten Urkunden vor. Volkstümlich wurde er nie: nie wurde er von der Sprache gebraucht, nur ganz vereinzelt trat er außerhalb von Titeln auf, und nur wenige Male kam Angulsaxonia als Name des Landes vor. Nach kurzer Blüte im 10. Jahrhundert ging der Ausdruck bald wieder unter und war nach der normannischen Invasion Jahrhunderte lang vergessen, bis ihn Camden in seiner Britannia (1586) von neuem in die Sprache einführte.
Als Sachsen[]
Die Kelten Britanniens bezeichneten ihre germanischen Bezwinger unterschiedslos als 'Sachsen' (altkymrisch Saeson), ihre Sprache als Sächsisch (altkymrisch. Saesneg) und nennen sie so bis auf den heutigen Tag. Diese Tatsache erklärt sich dadurch, dass die Sachsen die ersten waren, die den Briten wie den Romanen Galliens als imponierende Seemacht entgegentraten, was durch die Angaben der "Notitia Dignitatum" (römisches Staatshandbuch von 425 bis 433) über die Litora Saxonica (Sachsenküste) in Gallien und Britannien schon für das 3. Jahrhundert bestätigt wird. Auch die Südgallische Chronik im 5. Jahrhundert bezeichnet die Eroberer Britanniens als Sachsen. Saxones bzw. Saxonia war augenscheinlich der älteste Gesamtname der Inselgermanen bei den Kelten wie bei den kontinentalen Völkern.
Unter dem Einfluß des keltischen und gallischen Sprachgebrauchs verwendeten die lateinischen Autoren Britanniens und des Kontinents in der älteren Zeit ganz allgemein die Ausdrücke Lingua Saxonica und Saxonice für die Sprache, Saxones und Saxonia für Volk und Land der Engländer im weiteren Sinne. Wie die Lateinisch schreibenden Chronisten es liebten, statt Britannia den selteneren Namen Albion zu gebrauchen, so schrieben sie auch Saxonia und Saxonice als herkömmliche Ausdrücke des Kanzleistils in England noch zu einer Zeit, als in der Volkssprache längst Angelcynn, Engle, englisc durchgedrungen waren.
Als Angeln[]
Neben Saxones, Saxonia und Saxonice treten in lateinischen Texten frühzeitig auch die Namen Angli, Anglia und Anglice auf. Schon in einem Brief von Papst Gregor an den jütischen König Aethelberht von Kent von 601 wird dieser als Rex Anglorum betitelt. Der Historiker Beda Venerabilis (†735) nannte seine Kirchengeschichte Historia ecclesiastica gentis Anglorum; und dass er darin nicht die Angeln allein, sondern die Engländer überhaupt im Sinne hatte, sprach er gleich im 1. Kapitel aus, als er sagte, es würden in Britannien fünf Sprachen gesprochen: "Anglorum videlicet, Britonum, Scotorum, Pictorum et Latinorum"; und bei Zeitbestimmungen bediente er sich immer des Ausdrucks ab adventu Anglorum in Britanniam. Daneben verwendete er gelegentlich Saxones ebenfalls im weiteren Sinne. Ähnlich schwanken Aethelweard, Henry von Huntingdon und andere zwischen Angli und Saxones, anscheinend je nachdem sie britischen oder englischen Quellen folgen. Doch werden die Bezeichnungen Angli, Anglia mit der Zeit in den lateinischen Texten immer häufiger und verdrängen schließlich nicht nur bei insularen, sondern auch bei kontinentalen Schriftstellern die andern vollständig, so dass sie bei den Chronisten des 10. und 11. Jahrhunderts schon entschieden vorherrschen.
Die angelsächsischen Schriftsteller aber nennen, sobald sie in ihrer nationalen Mundart schreiben, ihre Sprache von den ältesten literarischen Zeiten an nie anders als englisc, dh. anglisch und ihr Volk und Land auch schon sehr früh und mit zunehmender Häufigkeit Angelcynn, Angelþeod, dh. 'Angelnvolk', einerlei, ob sie selbst dem Stamm der Angeln oder der Sachsen angehören. Alfred der Große der König von Westsachsen war (871 — 901), bezeichnet in seinen Werken seine Sprache ausnahmslos als englisc = 'anglisch', die angelsächsische Schrift als englisc gewrit, wie er auch seine Untertanen meist Angelcynn nennt. [1] Auch in der angelsächsischen Übersetzung von Beda Venerabilis, in der Sachsenchronik und bei Aelfric (um 1000) finden sich eine Reihe ähnlicher Stellen mit Bezug auf die verschiedensten Teile des Landes.
Das Schwanken in der Benennung der germanischen Eroberer Britanniens und seine frühzeitige Entscheidung zugunsten der Angeln stellt ein Problem dar, dessen Beurteilung für die Auffassung der Entstehung der englischen Nation von Belang ist. Es wurde zwar mehrfach erörtet, in seiner historischen Bedeutung aber nur von wenigen gewürdigt; eine befriedigende Erklärung fand sich bislang nicht.
Als Angelsachsen[]
Die Vereinigung der beiden Namen zu dem Ausdruck "Angelsachsen" ist kontinentalen Ursprungs. Sie tritt zuerst um 775 bei Paulus Diaconus in seiner Historia Langobardorum auf; hier sind die Wörter noch nicht zu einem wirklichen Kompositum verschmolzen, sondern stehen selbständig nebeneinander als Angli Saxones oder Saxones Angli. Später wurden sie dann zu einem Kompositum Angli-Saxones, Anglo-Saxones u.a. zusammengezogen. Der Ausdruck bedeutete ursprünglich offenbar die englischen Sachsen, die Inselsachsen im Gegensatz zu den Sachsen des Festlandes, den alten Sachsen, die von Paulus Diaconus vetuli Saxones, in der Orosius- Übersetzung Alfreds des Großen und in der Sachsenchronik Ealdseaxan genannt werden. Aber wie Saxones wird auch Anglo-Saxones sehr bald von den Inselgermanen im allgemeinen gebraucht, so schon in dem zwischen 823 und 829 abgefaßten Leben Alkuins, wo ein Presbyter und auch Alkuin selbst, der Angle war, als Engelsaxo bezeichnet werden.
Verbreitung des Namens[]
Vom Kontinent verbreitete sich der Ausdruck 'Angelsachsen' nach England und war hier in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts und vereinzelt noch im 11. Jahrhundert zur Bezeichnung des königlichen Titels in der Form Rex Angul-Saxonum oder auch mit halb oder ganz anglisierter Fassung als Rex Anglo-Saxona allgemein üblich. Vielleicht hat ihn Alfred der Große angenommen, als 886 alle bis dahin zerstreuten oder von den Dänen gefangen genommenen Angeln und Sachsen sich ihm als dem einzigen einheimischen König anschlossen und unterwarfen.
Rex Anglorum[]
Alfreds Vorfahren führten den Titel Saxonum rex oder Occidentalium Saxonum rex; er selbst nannte sich in seinen literarischen Werken einfach Alfred cyning und in seinem Testament, das zwischen 873 und 888 abgefaßt ist, 'König der Westsachsen'. Aber dass er seinen Titel änderte, zeigt eine Münze, auf der er als Rex Anglo erscheint. Gleichzeitige Urkunden von Alfred dem Großen sind nicht erhalten; in einer Urkunde von 880 aus dem zuverlässigen Textus Roffensis wird er Rex Saxonum, dagegen in einer gleichfalls glaubwürdigen Urkunde von 889 Rex Anglorum et Saxonum genannt, und Asser in seiner Lebensbeschreibung des Königs nennt ihn Rex Angul-Saxonum oder Anglorum Saxonum Rex. Der Titel stellt eine Zwischenstufe zwischen Rex Occidentalium Saxonum und Rex Anglorum dar und wurde benutzt, um auch im Titel die politische Vereinigung der Angeln und Sachsen anzudeuten. Seit Eadgars Thronbesteigung 959 kommt er außer Gebrauch und wird durch den Titel Rex Anglorum ersetzt, den schon Aethelstan (924 — 40) angenommen hatte, als er König von ganz England wurde, während er sich vorher Rex Saxorum nannte. Rex Anglorum ist dann der offizielle Titel der englischen Könige bis lange nach der normannischen Eroberung geblieben.
Northumbrien[]
Dass unter Angelsachsen in den obigen Titeln die gesamten germanischen Bewohner Englands gemeint sind, ergibt sich besonders deutlich aus einigen Urkunden in angelsächsischer Sprache. Eine Sonderstellung nimmt eine Reihe von Urkunden aus dem ganzen 10. Jahrhundert von Aethelstan bis Aethelred ein, in denen die Northumbrier getrennt von den übrigen Angelsachsen aufgeführt werden; so in einer Urkunde Eadmunds von 946, wo es von dem König heißt, dass er Regimina Regnorum Angulsaxna and Northhymbra, Paganorum (d. i. der Dänen) sei. Vielleicht war der Gegensatz zwischen dem Norden auf der einen, dem Mittelland und Süden auf der anderen Seite, der später zu der nationalen Trennung von Schottland und England führte, schon im 10. Jahrhundert ausgeprägt.
Quellen[]
- Anglia - Zeitschrift für englische Philologie. Band 1923, Heft 47,
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 1. Von Johannes Hoops, 1918—1919. S. 87ff.