Dieser Artikel wurde am 24. Oktober 2013 als Spotlight vorgestellt. |
Beowulf (ae. "Bienen-Wolf“, Kenning "Bär“) ist ein episches Heldengedicht, dessen Entstehung auf die Zeit zu Beginn des 8. Jhds. geschätzt wird. Mit seinen 3.182 Versen stellt es das bedeutendste erhaltene Einzelwerk der angelsächsischen Sprache und Literatur dar. Das Epos spielt in der Zeit vor 600 n. Chr. in Skandinavien, der Name des Helden "Beowulf" ist erst seit dem 19. Jh. auch als Name des gesamten Gedichtes in Gebrauch. [1]
Beschreibung[]
Die Hauptfigur Beowulf ist ein Gaute von königlichen Geblüt und gilt als stärkster der Männer. Das Epos um ihn kann auf zwei Interpretationsebenen gesehen werden:
- die phantastische Ebene (z.B. die beiden Trollenkämpfe, der Schwimmwettkampf)
- die mehr historische Ebene (der Anteil an gautischen, schwedischen, fränkischen Händeln).
Der Kampf mit Grendel[]
Der Kampf mit Grendel ist Beowulfs erste Mannestat im Epos: er befreit das Nachbarland von zwei schädlichen Wasserriesen. Die Prunkhalle Heorot des Dänenkönigs Hrodgar wird durch die nächtlichen Angriffe Grendels, des menschenfressenden Wasserdämons, verödet. Beowulf besteht den Feind in nächtlichem waffenlosem Ringkampf und reißt ihm einen Arm aus; der Riese verendet in seiner Wasserbehausung. Nachdem die Nacht darauf Grendels Mutter einen vornehmen Dänen aus der Halle geraubt hat, taucht Beowulf in den See, ringt in der Höhle mit der Riesin und durchhaut sie mit einem Schwerte aus dem Besitz der Trolle. Den Kopf des tot daliegenden Grendel nimmt er als Trophäe mit. Reich beschenkt und geehrt verläßt er den Dänenhof.
Die beiden Abschnitte: die Nachtwache in der Herberge gegen den 'vampyrischen Alb' (Laistner), der einen Arm einbüßt, und der Ringkampf mit dem Meerweibe in der Wasserhöhle haben, jeder für sich, Gegenstücke in Volkssagen und Märchen. Zwei ältere Fälle, der Sieg des Langobarden Lamissio über die 'Amazone' im Fluß [2] und Dietleibs Kampf mit dem merwibe [3], zeigen keine speziellere Berührung.
Der Ependichter wird die beiden Kämpfe schon verknüpft vorgefunden haben, da Fabeln mit ähnlichem Doppelkampf nicht ganz selten sind. Dass der Held die beiden Gegner in ihrer Höhle aufsucht und tötet, liegt weiter ab [4]. Näher steht vor allem ein längerer Ausschnitt des weitverbreiteten Bärensohn-Märchens, der mit zahlreichen Einzelzügen in der Grendeldichtung wiederkehrt.
Dass der zweite Feind erst einen Rachezug unternimmt, ist die jüngste Ausgestaltung der Fabel: ursprünglich verfolgt der Held den verwundeten ersten Feind in die Höhle und gibt ihm hier den Rest (dieses Motiv wurde im Epos umgebogen). In anderer Richtung neuerte das Abenteuer der isländischen Grettis saga, das sonst in so feinen Einzelheiten zum Beowulf stimmt, dass es junge Einwirkung aus England erfahren haben muß (etwa 11. Jhd.).
Im Übrigen scheint nur der Bären- oder Trollenkampf Biarkis, des Kämpen Hrolf krakis (s. Skialdungar A 5 a), einen geschichtlichen Zusammenhang mit dem Grendelkampf zu fordern: das Detail weicht ab, aber die Formel 'der Held kommt aus Schweden an den Dänenhof und befreit ihn von dem Ungetüm, dessen nächtliches Erscheinen die Hofmannen schreckt' wird sich kaum selbständig wiederholt haben. Ein späterer Einfluß der englischen Dichtung auf die Biarkisage ist bei der großen Verschiedenheit im einzelnen nicht anzunehmen.
Wettschwimmen mit Breca[]
Als Vorspiel gleichsam zu dem Wasserriesenkampf erzählt das Epos von der Heldentat in der Jugend, das Wettschwimmen mit Breca: Beowulf überbietet Breca, den 'Brecher' (= Wellenbrecher, Schwimmer?), schwimmt im Gemetzel mit Wassertrollen bis nach Finnmarken und weist sich so für seine künftige Ruhmestat aus. Die sinnvoll dichterischen Namen Breca, sein Volk Brondingas (s.a. Widsith. V. 25) lassen nicht an einen wirklichen Stammeshelden denken, den man mit Beowulf übertrumpfen wollte. Als Inhalt eines eigenen Liedes kann man sich den Gegenstand nicht vorstellen.
Der Drachenkampf[]
Der Drachenkampf ist die Heldentat im Alter der Hauptfigur. Nachdem Beowulf 50 Jahre über die Gauten geherrscht hat, zieht er gegen einen feuerspeienden Flugdrachen aus, der sein Land verheert; er erlegt ihn mit Hilfe des treuen Wiglaf und gewinnt den Zugang zum Hort, fällt aber selbst den Wunden zum Opfer und wird als väterlicher Schützer des Reiches beklagt und gepriesen. Der Schauplatz ist die gautische Küste.
Von anderen Drachenkämpfen unterscheidet sich dieser vor allem durch die stark betonte Hingabe des Helden an das Landeswohl, durch die Treue und den Verrat der Begleiter, durch den Tod des greisen Siegers. Der Abenteuercharakter wird, mehr als in anderen Fällen, durch ethische und tragische Klänge überwunden. Innerhalb der älteren Dichtung sind keine Vorbilder nachzuweisen, auch keine Nachklänge: der Drachenkampf Frothos I. bei Saxo Grammaticus wurde als Episode eines Wikinger-Romans aus anderem literarischen Stoff geformt.
Dagegen erscheinen Drachenkämpfe von ähnlicher Grundanlage häufig als Ortssage. Auf eine solche dürfte auch Beowulfs Kampf zurückgehen. Auch für die Grendelgeschichte darf man eine Ortssage als Zwischenstufe zwischen dem Märchen und dem Heldenlied vermuten. Dass die heroische Dichtung die beiden Fabeln von Anfang an von einem Helden erzählt, hat keine Inneren Gründe gegen sich. Beowulf, der Trollenkämpfer, hat als einzige Gestalt der alten Dichtung den Herakles-Zug: er reinigt Heimat und Fremde von Landplagen. Allerdings nicht im Auftrag eines Gottes und ohne den Lohn kultischer Ehren. Wie die Abenteuer des Odysseus, so ist die Haupthandlung des englischen Epos zauberisch-mystisch, aber vor einen realen Hintergrund mit geschichtlichen Namen gestellt.
Hintergrund der Beowulf-Gestalt[]
Zwischen die beiden Trollkämpfe legt das Epos Beowulfs Taten im Dienste des historischen Gautenkönigs Hygelac und seiner Dynastie (s. Gautensagen). Hier stellt sich die vielumstrittene Frage nach der Heimat der Beowulfgestalt. Beowulf ist ein Gaute, den Grendelkampf besteht er in Dänemark (Seeland), den Drachenkampf in der gautischen Heimat.
Hygelacs Rheinzug, bei dem er sich auszeichnet, bietet das Datum c. 516. Dass das erste Epos der Engländer einen stammfremden Helden erkor, gibt keinen Anstoß. In der nordischen Literatur erscheint der Name Beowulf nur einmal (Biólfr) als norwegischer Privatname (Landnámabók), aber auch in England nur in ein bis zwei Fällen.
Viel verbreiteter sind die Namen ae. Béaw, Béowa: in Ortsnamen, einmal (a. 931 Wiltshire) in vielsagender Nähe von Grendel, sowie in den Stammtafeln als Sohn des Sceldwa; anord. Biár in einer Merkstrophe Snorra Edda (S. 131) unter den Eigentümern sagenberühmter Rosse (und danach im gelehrten Prolog zur Snorra Edda als reinlautlicher Gegenwert zum ae. Beaw). Der Held des Hrolf, Biarki, der seine eigene Wurzel hat, könnte aufgrund des anklingenden Namens die Tat des Biar am Dänenhofe an sich gezogen haben; sein Großvater heißt in den Biarkarimur (S. 113. 118) Biór.
Beaw, Sohn des Sceldwa[]
Nach der verbreitetsten Ansicht war Sceldwas Sohn Beaw, der Grendel- und Drachensieger, ursprünglich ein ags. Heros und lebte als solcher in der Volksüberlieferung (Ortsnamen) und in den Stammtafeln fort. Die Dänen übernahmen ihn aus Jütland, daher jener auf Biarki übertragene Trollkampf und auch der Name Biár, Biór bei den Isländern.
Die Angeln aber hörten noch in der alten Heimat von einem Gautenkrieger Beowulf, Ecgtheows Sohn, der u. a. bei jenem Rheinzug eine Schwimmheldentat vollbracht hatte. Sie übertrugen auf den Gauten Beowulf die zwei Taten ihres heimischen Beaw; der Drachenkampf erhielt dadurch den gautischen Schauplatz, der Grendelkampf spielte wohl schon früher bei dem dänischen Nachbar (vgl. Biarki).
Dass der Beowulfname der späteren nordischen Sage fehlt, während von Hygelac und den zeitgenössischen Schwedenfürsten Kunde bewahrt ist, wäre damit zu erklären, dass der Rheinzug in der nordischen Tradition spurlos erlosch. Die Schwäche der Theorie liegt darin, dass der geschichtliche Gaute Beowulf bloßes Postulat ist.
Diese Schwierigkeit vermeidet Boers Erklärung: der Trollenkämpfer Beaw (urn. *BewaR), Ecgtheows Sohn, war von Hause aus Gaute; die Angelsachsen entlehnten ihn von den Nordländern und zogen ihn in die geschichtlichen Händel seiner Landsleute hinein; in den Stammtafeln machten sie ihn zum Sohne Sceldwas; der Ependichter ersetzte seinen Namen durch 'Beowulf'. Für diesen letzten Vorgang fehlt eine Erklärung, und die Einführung des Gauten in die englischen Stammtafeln hat keine sichere Parallele: jedenfalls blieben die berühmten Nordländer jener Zeit, Hygelac, Hrodgar usw. den Stammtafeln fern. Der Däne Scyld wird zuerst bei Aethelwerd (um 1000) genannt, die Angelsächsischen Annalen und Asser kennen Sceldwa, der seine von Scyld zu trennende, angelsächsische Wurzel haben mag (s.a. Heremod).
Diese zwei Hypothesen erschöpfen die Möglichkeiten jedoch nicht. Denkbar ist z. B. auch, dass ein angelsächsischer Beaw, der Grendelsieger, und ein Gautenheld, der Drachenkämpfer verschmolzen wurden. Eine völlige Trennung von Beaw und Beowulf ist im Hinblick auf Biarki und Bior nicht ratsam.
Beowulf, Sohn des Scyld Scefing[]
Einen anderen 'Beowulf' nennt das Epos (Z. 18. 53) ohne bestimmte Taten, eine Figur im dänischen Stammbaum, Sohn des Scyld Scefing (= Scyld, Sohn von Scef), Vater Healfdenes. Die nordischen Skialdungenreihen weisen vielmehr auf die Folge Skialdr-Frodi-Halfdan zurück. Die Verwirrung im Epos könnte so entstanden sein, dass der Dichter den ältesten dänischen Stammvater Scyld (Skialdr) zusammenwarf mit dem englischen Vorfahr Sceldwa, Sohn des Sceaf, Vater des Beaw. Daher nannte er den dänischen Scyld, den vaterlosen Ankömmling, 'Sceafsohn' und gab ihm statt des Froda den Beaw zum Sohn: D. h. der Text schreibt beide Male Beowulf als Angleichung an den Namen des Gautenhelden; während der Versbau die Einsetzung von Beaw begünstigen würde.
Etymologie[]
Die Etymologie der Namen Beowulf (Biuulf - 'Bienenwolf') und *Bewaz - wsächs. Beów, kent. Béaw, nord. Biár und Biár (daneben ae. Béowa) ist unsicherer Bedeutung und für die Herkunftsfrage nicht entscheidend. Für Sagenentlehnung von den Angeln zu den Dänen (Offa) wie umgekehrt (Skialdungar / Skjöldungar) gibt es sichere Belege.
Siehe auch[]
Quellen[]
- Beowulf: Untersuchungen über das angelsächsische Epos und die älteste Geschichte der germanischen Seevölker. Karl Müllenhoff. 1889.
- Das altenglische Volksepos in der ursprünglichen strophischen Form (Europeana). Hermann Möller. Kiel : Lipsius & Tischer, 1883.
- Sophus Bugge in Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (PBB). hrsg. v. W. Braune. Halle 1874 ff. Ausgabe 12 (1887), S. 1 ff. (DigiZeitschriften)
- Beowulf; Untersuchungen über das angelsächsische Epos und die älteste Geschichte der germanischen Seevölker (Internet Archive). Karl Müllenhoff. Berlin, Weidmann, 1889.
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 1. Johannes Hoops, 1918-1919. S. 245 f.
Weblinks[]
- Wikisource: Beowulf – Quellen und Volltexte (englisch)
- Gutenberg-Projekt: Beowulf - Übersetzung von Simrock
- Heorot.dk: Beowulf - Originaltext mit deutscher Übersetzung und Anmerkungen
- Beowulf auf Altenglisch
Einzelnachweise[]
- ↑ Wikipedia: Beowulf
- ↑ Paulus Diaconus. I 15
- ↑ Jiriczek, D. Hsagen I, 322
- ↑ Fas. 3, 569 f, Ormr Störolfsson Fiat, I, 527 ff.