Berengar von Tours (* Anfang 11. Jh.; † 1088) war ein namhafter Philosoph in der Zeit der beginnenden Scholastik und ein Aufklärer des 11. Jhs.
Beschreibung[]
Berengar von Tours war der berühmteste Schüler des gefeierten Leiters der Schule von Chartres, Fulbert von Chartres (ca. 950-1028/1029). Dieser als "Sokrates der Franken" bezeichnete Lehrer hatte seine Schüler vor Neuerungen gewarnt und ihnen geraten, sich an die Schriften der Väter zu halten. Berengar jedoch beherzigte diese Warnung nicht. Für seinen Einfluss auf die Entwicklung der Scholastik ist weniger seine Bestreitung der orthodoxen Abendmahlslehre Lanfranks, die die Gebildeten der Zeit in zwei Parteien spaltete, als seine bei dieser Gelegenheit entwickelte Stellung zum Dogma überhaupt von Bedeutung.
Ansichten[]
Berengar war ein Aufklärer des 11. Jhs. Wohl verwendete er zu seiner Verteidigung, wo es ihm gelegen kam, die Autorität der Kirchenväter (des Ambrosius von Mailand, Augustinus von Hippo u. a.) und der Bibel, aber sein kritischer Geist erkannte bereits die Wandelbarkeit der ersteren: Die Bibel wurde ohne geistige Auslegung zum Fabelbuch; "der Buchstabe tötet". Auch Synoden und Konzilien waren nicht unfehlbar. Der Wahrheit allein kam der Sieg zu.
Diese wurzelte natürlich in Gott, konnte aber auf Erden nur in der Vernunft ihre Stätte haben, die für Berengar, wie für die ganze Scholastik, vorzugsweise im logisch-dialektischen Beweisverfahren bestand. Gegen die Wahrheit, die Vernunft, die Evidenz der Dinge, das Gewissen kam niemand an. Kein Wunder, keine Macht des Himmels und der Erde konnte Unwahres wahr oder Unmögliches möglich machen.
Berengar war ein Theoretiker der Aufklärung, aber nicht ihr Held. Auch er unterwarf sich schließlich "löblich", wie so viele nach ihm, der römischen Kurie (Gregor VII. war ihm übrigens persönlich zugeneigt). Dennoch dauerte der Eindruck seines Auftretens noch lange an. Noch Lessing hat sich mit ihm beschäftigt. Seine Bestreitung der "Wesensverwandlung" im Abendmahl aber stand in Zusammenhang mit dem philosophischen Hauptproblem der Scholastik, das schon bei Johannes Scottus Eriugena anklang: Universalienstreit und dem Verhältnis der Gattungsbegriffe (universalia) zu den Dingen (res).
Quellen[]
- Geschichte der Philosophie, Band 1 (Zeno.Org). Karl Vorländer. Leipzig 1903. 5. Auflage, Leipzig 1919. S. 445 ff.: Die Philosophie des Mittelalters. Kapitel III. Die Anfänge der Scholastik, S. 454 f.