Mittelalter Wiki
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Als Dorf bezeichnet man eine zumeist kleine Gruppensiedlung mit geringer Arbeitsteilung, die ursprünglich durch eine landwirtschaftlich geprägte Siedlungs-, Wirtschafts- und Sozialstruktur gekennzeichnet ist. Charakterisierend ist die Landwirtschaft; doch sind auch Fischerdörfer, Flößer- und sogar Wanderhändlerdörfer bezeugt. [1]

Beschreibung[]

Im Gegensatz zum Einzelhof und Weiler ist das Dorf eine Siedlungsform geschlossenen Zusammenwohnens einer größeren Anzahl von ländlichen Familien, wie dies auch das Wort selbst (vgl. lat. turba) anzudeuten scheint [2].

Das Dorf ist umgeben von Kulturland, der Ackerflur; außerhalb lag die Allmende. Der Anteil des einzelnen an der Flur bestimmte sich im wesentlichen nach dem Bedürfnis und fand in der Hufe seinen Ausdruck. Die Dörfler bildeten den wirtschaftlichen Verband der Dorfgemeinschaft (s.a. Dorfverfassung), die sich mit anderen zu einer größeren Markgenossenschaft vereinigte oder selbst eine solche bildete.

Arten[]

Die bevorzugte Dorfform im Gebiet des heutigen Deutschlands ist das Haufendorf mit der Einteilung der Flur in Gewanne und Geltung der Hufenverfassung. Es ist im Gegensatz zu allen anderen Formen, soweit sie nicht auch mit Gewannfluren ausgestattet sind, eine genossenschaftliche Siedlung, bei der die Feldbestellung infolge der Gemengelage der Grundstücke von der Gemeinschaft geregelt werden muss (s. Flurzwang).

Im Nordwesten herrscht statt dessen der Einzelhof vor. Auf ehemals slawischem Boden dominiert in den Ebenen das Runddorf und Straßendorf, die beide z. T. als slawische Formen bzw. Weiterentwicklungen gelten (?). Späterer Kolonisation gehörten, außer den süddeutschen Weilern, an: das Reihendorf in seiner zwiefachen Ausbildung als Waldhufendorf und Marschhufendorf, und vielfach das Straßendorf mit seinen Abarten.

Formen[]

Die Formen der Dörfer und der ländlichen Siedlungen haben keine feste Beziehung zur Bauart der Gehöfte selbst; in den Reihen- und Straßendörfern überwiegt das fränkische Haus.

Geschichte[]

Dass die Germanen zur Römischen Eisenzeit (ca. 0 bis 200 n.Chr.) außer Einzelhöfen auch Dörfer, mit lockerem Verband der Gehöfte, bewohnten, wird von Tacitus (Germ. 16) berichtet und von der archäologischen Forschung bestätigt.

„Die Dörfer legen sie nicht nach unserer Weise an, durch verbundene und fest zusammenhängende Gebäude: mit einem freien Raum umgibt jeder sein Haus, entweder als Mittel gegen Feuerunglück oder aus Ungeschicktheit im Bauen.“

Tacitus: Germania, Kap. 16 [3]

Wie sich diese Dörfer nach Größe und Art zu den späteren verhielten, lässt sich aus den Berichten der römischen Historiker jedoch nicht erkennen. Die Dorfformen des Mittelalters, die bis heute erhalten geblieben sind, stehen in einem bestimmten Zusammenhang mit gewissen Arten der Flureinteilung. Die Haupttypen sind klassifiziert und eingehend beschrieben; ihre historische Entwicklung ist jedoch noch vielfach sehr dunkel.

Frühmittelalter[]

Dorf Siedlungsformen RdGA Bd1, Taf.031

Taf. 31: Verbreitung der ländlichen Siedlungsformen Europas

Die Ansiedlung der später unter dem Fränkischen Reich vereinigten Völkerschaften erfolgte während und nach der Völkerwanderungszeit üblicherweise in Dörfern. Nur in einzelnen Gebieten Deutschlands, z.B. in der rheinisch-westfälischen Tiefebene, in den mittel- und oberdeutschen Gebirgen und in den Alpen war die Ansiedlung nach dem System der Einzelhöfe vorherrschend.

Die Ansiedlung erfolgte nach Geschlechtern und Sippen, die, wie sie gemeinsam gewandert waren, so sich auch gemeinsam niederließen. Bei der Aufteilung der Ackerflur (s.a. Flureinteilung) bildete sich Laufe des Frühmittelalters allmählich ein Sondereigentum der einzelnen an Stelle des ursprünglichen Gesamteigentums aus, das aber gewissen allgemeinen Regeln der Bewirtschaftung unterworfen war (siehe Flurzwang).

Hochmittelalter[]

Während des Hochmittelalters prägt sich die planmäßige, von Grundherren verschiedensten Ranges geleitete Ansiedelung in den Siedlungsformen weit deutlicher aus als vorher. Die Ansetzung der Siedler geschah meist sofort in Dörfern, und diese Dörfer tragen den Stempel einer bewußten Gründung an der Stirn.

Echte Kolonisationsanlagen sind vor allem die Reihendörfer, und unter ihnen zeigen wieder die Marschhufendörfer ihren Ursprung am klarsten an. In den Niederlanden gebildet, stellt diese Form das voll ausgebildete System der Marsch- und Sumpfbesiedelung dar. Die Geradlinigkeit der Deiche und Kanäle, die Streifenform der Grundstücke, ergibt sich aus den Bedingungen des Wasserbaus.

Die Waldhufendörfer erscheinen wie eine Übertragung jener Form auf die Waldbesiedelung. Denn sie sind ihrer Art nach auf die Täler beschränkt und versagen in den höheren Teilen des Gebirges den Dienst. So treten denn auch z.B. im böhmischen Massiv zwischen Moldau und Donau in den höheren Lagen Höfe und Weiler auf, während die Täler zur die Moldau hin aus Waldhufendörfern bestanden. [4] In die Alpen fanden die Reihendörfer dagegen keinen Eingang.

Renaissance[]

Mit dem Aufschwung in Handel und Landwirtschaft zu Beginn des 16. Jhds. wurden neue Kleinbauernstellen geschaffen, darunter z.B. Kötner, Beibauern, Brinksitzer und Heuerlinge. Doch anders als im Hochmittelalter entstanden während dieser ersten frühneuzeitlichen Phase des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums weder keine neuen Dörfer noch große Rodungsfluren.

16. Jahrhundert[]

Die Altbauern hielten die guten Ackerflächen fest im Besitz, und die Nutzungen der Waldmarken waren unter den Dörfern und Grundherren aufgegliedert. So entstand in Dörfern eine neue Bewohnergruppe, die nicht bäuerlich war. Dadurch kam es Streitereien, ob diese neuen Kleinstellenbesitzer, die oft ca. 20% der Haushalte ausmachten, nun die Gemeinheit mitbenutzen dürften, ob sie die Gemeindelasten mittragen sollten, oder ob sie wie die Kötner dem Landesherrn mit Handarbeit zu dienen hätten.

Zudem kamen Gewerbetreibende als neues wirtschaftliches Element in die Dörfer. So z.B. Leinenweber, Schmiede, Radmacher, Schneider und Schuster. Andere Handwerkszweige wie z.B. Zimmerleute, Tischler und Glaser bedurften jedoch einer besonderen Konzession oder waren auf dem Lande gänzlich verboten. Das Landhandwerk wurde regulierungsbedürftig, da die Zahl der Gewerbetreibenden auf dem Lande so stark zunahm, dass die städtischen Handwerker vor deren Konkurrenz geschützt werden wollten.

Da sich die neuen Kleinstellenbesitzer von ihrem wenigen Land nicht ernähren konnten, waren sie auf zusätzliche handwerkliche Tätigkeiten angewiesen. Gleichzeitig stieg auch auf dem Land die Nachfrage nach gewerblichen Gütern und nach Leistungen bauender und reparierender Handwerker. Und Bauern mit größeren Betrieben wiederum setzten gern Kleinstellenbesitzer als Arbeitskräfte ein, z.B. in der Ernte. So entwickelte sich eine neue Arbeitsteilung im Dorf. [5]

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Wikipedia: Dorf
  2. vgl. jedoch Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (Internet Archive). Friedrich Kluge. 7. Auflage. Straßburg 1910.
  3. Tacitus, De origine et situ Germanorum (Germania). Übersetzung "Die Germania des Tacitus". Anton Baumstark: Freiburg 1876. Digitalisat auf Wikisource.
  4. Alfred Hackel, Die Besiedelungsverhältnisse des oberösterreichischen Mühlviertels (Amazon). 1902. Neuauflage Nabu Press (9. März 2010). ISBN 1147157464. ISBN 978-1147157468.
  5. Hauptmeyer, Carl-Hans: Niedersachsen - Landesgeschichte und historische Regionalentwicklung im Überblick (Land Niedersachsen). Isensee Verlag Oldenburg. Hrsg. Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung. Hannover, 2004. ISBN 3-89995-064-X. S. 65 f.