Mittelalter Wiki
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Der Ostgotenkönig Ermanarich, Ermanaricus oder auch Ermrich (mhd. Ermenrîch, ags. Eormanric) ist eine der ältesten und eine der wichtigsten Sagengestalten der germanischen Heldendichtung. Er erscheint u.a. im Sagenkreis um Dietrich von Bern als dessen Widersacher; so z.B. als Ermenrekr in der Thidrekssaga und unter dem Namen Jormunrekr in der Edda und Wölsungensaga.

Hintergrund[]

Die Sagengestalt des Ermanarich basiert vor allem auf der historischen Persönlichkeit von Hermanrich († 375/376), dem ersten König der Greutungen (die späteren Ostgoten) aus dem Geschlecht der Amaler. [1] Eine andere Theorie besagt, dass ebenso der gleichnamige Suebenkönig Ermenrich, ein bedeutender germanischer Heerführer der Völkerwanderungszeit (5. Jhd.) mit in die Ermanarichsage einfloss.

Sagenkreis[]

Ermanarich taucht u.a. auch im altenglischen Heldenepos Beowulf, in der Widsith-Dichtung (6./7. Jhd.) und in Deors Klage aus dem Exeter Book (10. Jhd.) auf. Ebenso spielte er bereits in der Svanhildsage, sowie der altdeutschen Harlungensage eine wichtige Rolle.

  • Exeter Book: Deors Klage (10. Jhd.).
  • Quedlinburger Annalen (um 1000)
  • Ermenrichs Tod (Koninc Ermenrikes Dot) (1535/1545) [2]

Svanhildsage[]

Die Svanhildsage gehört zu den ältesten literarischen Stoffen, die die gotische Kernsage von Ermanarich erzählt. Sie ist vor allem die Dichtung von seinem Tod (vgl. die spätere Dichtung Ermenrichs Tod von 1535/1545). Der Bericht des Zeitgenossen Ammianus Marcellinus (* um 330; † um 395 (400)) ermöglicht es, Jordanes' Erzählung in seinem Werk "De origine actibusque Getarum" (Getica, c. 24), eine offenkundige, wenn auch geschichtlich zurechtgeschnittene Heldensage, am wahren Hergang zu messen. Die Hunnengefahr und den Selbstmord Ermanarichs, das weltgeschichtlich und das menschlich Einzigartige, wird in der Dichtung nicht erwähnt: der Herrscher fällt als Opfer einer Schwesterrache. Da Jordanes keineswegs erschöpfend erzählt, ist damit zu rechnen, dass manche Züge der späteren Quellen schon altgotisch waren.

In der Svanhildsage, sowie der altdeutschen Harlungensage entwickelte sich Ermanarich zum Sippenbrecher. Aus der Harlungensage brachte er ebenso den bösen Rat von König Gibeche (Sibich)mit in den Sagenkreis um Dietrich von Bern und wurde so auch dort zum Urheber der Untat (siehe Dietrichs Exil). Die Quedlinburger Annalen (um 1000) kennen Ermanarich bereits in dieser neuen Rolle.

Weiterentwicklung[]

Die Svanhildsage drang wahrscheinlich von den Ostgoten Italiens aus nordwärts zu Baiern, Alemannen und weiter zu Angelsachsen und nach Skandinavien. Schon die nächstälteste Quelle, der Widsith (6./7. Jhd.), zeigt, dass sich neue Dichtung an Ermanarich gesetzt hatte. Die Svanhildsage selbst hinterließ in England keine eindeutigen, in Deutschland nur wirre Spuren. Die Heldin erscheint nur als Privatname. Die Chroniken, die von den Brüdern Hemidus und Serila, Hamidiech und Sarelo wissen und (Quedlinburger Annalen, um ca. 1000) den Ermanarich "amputatis manibus et pedibus" sterben lassen, haben das Motiv der Schwesterrache verloren. Ebenso das niederdeutsche Lied "Ermenrikes Dot" (Ermenrichs Tod, 16. Jhd.), das nach dem Hamdhismal aus der Lieder-Edda den Grundriß und Einzelheiten eines alten Hamadeoliedes auffallend zäh bewahrte. Von der Hinrichtung durch Rosse mag ein verflogener Rest in Thidrekssaga (c. 280) stecken. Die gesamten mittelhochdeutschen Epen kennen keine Ermordung Ermanarichs mehr.

Hamdhismal[]

Reich fließt dagegen die norwegisch-isländische Überlieferung (auch Saxo Grammaticus [3] hatte bis auf eine Einzelheit isländischen Quellen) in den Sagenkreis um Ermanarich ein. Hauptzeugnis ist hierbei das Hamdhismal (Das Lied von Hamdir) der Lieder-Edda, das in der nordischen Ermanarich-Tradition eine Stellung einnimmt wie das Atlakvidha (Das alte Atli-Lied) für die Burgundensage. Im Hamdhismal werden die Namen Gotar, Iörmunrekkr, Svanhildr, Hamdir, Sörli bewahrt, außerdem die Zerstampfung durch Rosse, die Schwesterrache der zwei Brüder, die dem König Arme und Beine abhauen. Diese bei Jordanes fehlenden Motive darf man der gotischen Ursage zuschreiben. [4] [5]

Svanhild als Ermanarichs Gattin[]

Die Hauptabweichung von Jordanes ist diese: Svanhild ist Ermanarichs Gattin. Sie wird hingerichtet, weil sie mit ihrem Stiefsohne Randver gebuhlt haben soll; ihn läßt Ermanarich henken. Damit wurde jener halbpolitische Zug der ursprünglichen Sage ins heroische umgegossen. Aus dem aufsteigenden Teil der Sage wurde etwas ganz Neues, während das Gipfelmotiv, Ermanarichs Fall durch die Schwesterrächer, unverändert blieb (im Gegensatz zur Verwandlung der Burgundensage). Die große Neuerung kann man so erklären, dass zwei andere Ermanarich-Sagen einwirkten: aus der 'Friedrichsage' nahm man, dass Ermanarich den eigenen Sohn tötet; aus der Harlungensage kam das Buhlmotiv und die Hängung. Da die beiden Sagen in Nordeuropa fehlen, wäre zu schließen, dass jene Umformung der Svanhildsage in Deutschland geschah; dafür spricht auch der Galgen in "Ermenrichs Tod" aus 16. Jhd. (Str. 8.). [6]

Harlungensage[]

Sieht man von einer eigenen Sage um den Ermanarichsohn Friedrich ab, so hat man als zweite selbständige Ermanarich-Geschichte: Die Harlungensage. Eine epische Darstellung gibt nur die Thidrekssaga (c. 281 ff.). Andeutungen darauf finden sich in Dietrichs Flucht, der Rabenschlacht, bei Saxo Grammaticus. Die reinen Namen tauchen schon im Widsith auf: die Herelingas Emerca und Fridla (Biterolf: Imbrecke und Fritele). Die Harlungensage wurde im deutschsprachigen Raum zur Svanhildsage hinzugedichtet. Denn bei Jordanes lebt noch das ehrfurchtgebietende Bild von Ermanarich ('nobilissimus Amalorum') und war mit der alten Form der Svanhildsage noch vereinbar. Durch die deutsche Um- und Zudichtung aber entstand der 'grimmige Treubrecher' mit 'wölfischer Gesinnung', unter dem das Gotenvolk seufzt. Als er in der hochdeutschen Dichtung auch noch sein tragisches Ende eingebüßt hatte, war er nur mehr das schemenhafte Kehrbild aller Heldentugenden. Von altgotischer Sage ist am mittelhochdeutschen Ermanarich so gut wie nichts haften geblieben. [7]

Thidrekssaga[]

Ursprünglich war es König Odoaker, der im Hildebrandslied (9. Jhd.) Dietrich von Bern entgegentritt (siehe Dietrichs Exil). Dieser wurde in der späteren Thidrekssaga aus dem 13. Jhd. dann durch den 120 Jahre älteren Ostgotenkönig Ermanarich ersetzt, der in einer Rollenverschmelzung zu Dietrichs Onkel / Vaterbruder wurde. In der Thidrekssaga starb Ermanarich (im Gegensatz zur Exilsage) eines natürlichen Todes. Ursprünglich fand dieser durch die Brüder Hamadeo und Sarulo (Hamdhismal) siehe sein Ende.

Dietrichs Exil[]

Inzwischen wurde Ermanarich in eine neue Sage hineingestellt: Dietrichs Exil (siehe Dietrich von Bern, Amelunge). Dies wurde in der Epenzeit zu Ermanarichs Hauptsage, wozu sich die Harlungensage und die Sohnestötung nur wie Anbauten verhielten. Dass er auch hier der verhaßte Gegenspieler wurde, ist erst die Folge jener ungünstigen Auffassung, die sich in der Svanhildsage und der altdeutschen Harlungensage entwickelte. Diese Auffassung liegt auch dem Widsith schon voraus, während noch das Hildebrandslied Ermanarich nicht als Feind Dietrich von Berns kennt. Hatte Ermanarich nicht schon früher den westlichen Schauplatz bezogen, so wurde er jetzt, wie Dietrich, Herrscher in Italien. Die Einführung Ermanarichs in die Dietrichsage war schuld daran, dass man seine Ermordung durch die Brüder Hamadeo und Sarulo (Hamdhismal), diesen um das Jahr 1100 noch bewahrten Sagenzug, entweder beseitigte (in den mittelhochdeutschen Epen) oder durch Dietrich vollziehen ließ (im niederdeutschen Lied): der Gegner des großen Dietrich sollte nicht durch fremde Hand weggeräumt werden.

Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Wikipedia: Ermanarich
  2. Koninc Ermenrikes dot. Hrsg. von Gödeke, Hannov. 1851. Reprint in Hagens »Heldenbuch«, Leipz. 1855.
  3. Gesta Danorum. Saxo Grammaticus. S. 412-15
  4. Zur Kritik und Metrik der Hamthismal. Wilhelm Ranisch. Mayer & Myller, 1888.
  5. Sæmundar Edda, mit einem anhang. Ferdinand Detter, Richard Heinzel. Leipzig, G. Wigand, 1903. Band 2, S. 583
  6. Die deutsche Heldensage. Otto Luitpold Jiriczek. G. J. Göschen, 1900. S. 29 ff.
  7. Deutsche Heldensage im Breisgau. Friedrich Panzer. Erschienen in Neujahrsblaetter der Badischen Historischen Kommission; 1904.
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