Mittelalter Wiki
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Formelbücher und Formelsammlungen entstanden in Mitteleuropa bald nach den ersten Rechtsaufzeichnungen. Sie gehören zur juristischen Literatur und enthielten die Muster für Urkunden der königlichen Kanzlei, für Urkunden über Rechtsgeschäfte zwischen Privatleuten, für Schreiben von Beamten, Gerichtsverhandlungen u.s.w.

Beschreibung[]

Die Herstellung von Urkunden war eine Kunst (ars dictandi), welche gelernt sein musste, um so mehr, da der eigentliche Rechtsinhalt in ausgeschmückte Sprache, Sentenzen, künstliche Eingänge, moralische Betrachtungen und Zitate aus der Bibel und anderen Schriften eingehüllt wurde. Diese Formeln lehnen sich meist an bereits vorhandene Urkunden an, aus denen man die konkreten Beziehungen des speziellen Falles entfernte.

Die Sprache war Lateinisch und die Verfasser geistlichen Standes. Römische Vorbilder wirkten bei der Abfassung mit. Zwischen den Formeln standen mitunter kurze Vorschriften über die Abfassung der Urkunden; auch verband man mit den Urkundenformeln Briefmuster, wofür die Korrespondenz eines Bischofs oder Abtes als Muster diente.

Entwicklung[]

Frühmittelalter[]

Während in Italien durch das frühere Römische Reich ein geschultes Berufsnotariat vorhanden war, fehlte es im Westgotenreich und Frankenreich an einem solchen; hier hielt man sich bei der Abfassung von Urkunden an ältere Vorlagen, deren Formeln man einfach übernahm. Schon früh wurde es üblich, aus älteren Urkunden Formulare herzustellen, indem man den individuellen Inhalt aussparte (statt der Orts- und Personennamen z.B. ein ille einsetzte) und sie eventuell entsprechend dem eigenen Stammesrecht zustutzte.

Seit dem 7. Jh. kam die Sitte auf, solche Formeln zu Sammlungen zusammenzustellen, die zu den wichtigsten Quellen der Geschichte des Privatrechts gehören. Manche solcher einzelnen Formeln blieben erhalten. Abgesehen von einigen west- und ostgotischen Formelsammlungen des 7. Jhds. sind für das Gebiet des heutigen Deutschlands die wichtigsten Sammlungen:

  • Formulae Visigothicae. Entstehung: um 620 unter König Sisebut (612-621). Zugehörigkeit: Westgotenreich. Einer der ältesten erhaltenen Formelsammlungen.
  • Annalen von Angers (Formulae Andegavenses bzw. Formulæ Andecavenses). Entstehung: 6. bis Ende 7. Jhd. Zugehörigkeit: Westfrankenreich.
  • Formelsammlung des Markulf (Marculfi Formulae). Entstehung: Mitte 7. Jh., Autor: Mönch Marculf, i.A. des Erzbischofs Landerich von Paris (ca. 650-656). Zugehörigkeit: Westfrankenreich.
  • Formulae Alsaticae (Formulae Morbacenses). Entstehung: Ende 8. Jhd. Ort: Kloster Murbach. Zugehörigkeit: Alamannische Formelsammlungen.
  • Formulae Augienses. Entstehung: Ende 8. bis 9. Jhd. Ort: Kloster Reichenau.
  • Formulae Sangallenses. Entstehung: Mitte 8. bis Ende 9. Jhd. Ort: Kloster St. Gallen.
  • Isonische Formelsammlung (Isonische Regel). Autor: Iso von St. Gallen (um 830-871).
  • Formulae imperiales. Entstehung: 1. Hälfte 9. Jhd. die in der Kanzlei Ludwigs des Frommen (814-840).
  • Formelbuch des Bischofes Salomo (Collectio Sangallensis Salomonis III tempore conscripta). Entstehung: 2. Hälfte 9. Jhd. Autor: Bischof Salomo III. von Konstanz (um 860-919/920). Zusammengestellt von Notker I. von St. Gallen. Umfasst auch eine Briefsammlung.

Alamannische Formelsammlungen entstanden in karolingischer Zeit in den Klöstern Murbach, Reichenau und St. Gallen, bayrische Sammlungen stammen aus Salzburg, Passau und St. Emmeram bei Regensburg.

Verschieden von diesen Formelbüchern sind die langobardischen Formeln des Cartularium Langobardicum und des Liber Papiensis sowie die angelsächsischen und norwegischen Formeln. Sie waren keine Vorlagen für die Abfassung von Urkunden, sondern Formeln für mündliche Prozesshandlungen, Klagen, Eidesleistungen usw.

Hochmittelalter[]

Im 12. Jhd. erscheinen nach längerer Pause wieder Formelbücher ähnlicher Natur wie ihren frühmittelalterlichen Vorbilder, zuerst in lateinischer, dann in deutscher Sprache, die ältesten in Norddeutschland, die späteren in den südlichen Gegenden. Sie heissen dictamen, summa dictaminis, summa, usus sive practica dictaminis oder rhetorica.

Verfasser sind anfangs Geistliche, dann Notare geistlichen Standes und später dann eigentlich Rechtsgelehrte. In vielen Sammlungen verband man mit den Rechtsformeln auch andere Belehrungen. Diese sind:

  • Formulare für Briefe des gewöhnlichen Lebens, später als eigentliche Briefsteller gesondert,
  • eine Art Rhetorik mit den Hauptgrundsätzen stilistischer Darstellung,
  • theoretische Erörterungen über die verschiedenen Rechtsinstitute.

Die Werke italienischer Schreiber gewannen in der Notariatskunst Einfluss über die Art der Behandlung, auch übernahm man im Heiligen Römischen Reich italienische Formulare. Die Zahl solcher Bücher ist groß, ihr innerer Wert jedoch vergleichsweise klein.

Spätmittelalter[]

Mit Erfindung des Buchdruckes nahm diese Literatur noch mehr zu, und man druckte Bücher wie: De arte notarii, Formulare instrumentorum, Formularium diversorum contractuum, Rhetorica pro conficiendis epistolis accommodata, Speculum notariorum, tabelliarum et scribarum etc., manches darunter wurde auch ins Deutsche übersetzt, bis im 15. Jhd., selbständige deutsche Werke erschienen.

Deren ältestes ist: In dem Namen der heiligen unzerteilten drivaltigkeit Amen: Hye hebt an der Formulari darinn begriffen sind allerhand brieff auch Rhetorick mit frag und antwurt zegeben, tittel aller ständt, Senndtbrieff, Synonima u. Colores, das alles zum brieffmachen dyenent ist (1483), in späteren Auflagen als „Formulare und Tütsch rhetorica“ oft wiederholt. Oft gedruckt wurde unter dem zuletzt genannten Titel ein Werk des Heinrich Gessler aus Freiburg, zuerst 1493; im selben Jahr erschien Riedrer, Spiegel der wahren Rhetoric und 1528 Die Rhetorik von Alexander Hug.

Quellen[]

Einzelnachweise[]

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