Die Gefolgschaft (lat. comitatus) ist auch in Nordeuropa eine sehr alte, germanische Einrichtung, die in ihrer späteren Entwicklung von angelsächsischen und kontinentalen Vorbildern beeinflusst wurde.
Beschreibung[]
Die Quellen über die Gefolgschaft in Skandinavien fließen am reichsten mit Bezug auf Norwegen, sodann auf Dänemark. Ziemlich dunkel ist dagegen die Geschichte des schwedischen Gefolgswesens.
Was Island betrifft, so weist zwar das Verhältnis des Goden zu seinen Thingmannen gewisse Analogien zur Gefolgschaft auf, ist jedoch nicht auf die germanische Gefolgschaft zurückzuführen. Zusätzlich zeigt erst die Schlusszeit des isländischen Freistaates Gefolgschaftsverhältnisse, die den festländischen nachgeahmt sind.
Begriffe[]
- anord. ganga konungi (jarli etc.) til handa - 'sich jemandem anschließen' (dem König, dem Jarl, etc.), eine Gefolgschaft eingehen
- anord. handgenginn maðr, þjónostumaðr) - Besonderer 'Gefolgsmann', der seine Hände in die des Herrn gelegt und dessen Schwert berührt (anord. sverðtakari) hatte
- anord. hirð - die 'Hird, der Hofstaat', Gesamtheit der königlichen Gefolgsleute (daher anord. hirðstjóri in der Skaldensprache)
- anord. hollostu eið, trúnaðareið - 'Treueid' ; daher anord. eiðsvari (den Eid schwören)
- anord. húskarlar - 'Hauskarle', königliche Gefolgsleute.
- anord. hǫfuðvǫrðr - 'Kerntruppe, Leibschar, Leibwache', vgl. anord. drótt als königliche Leibwache.
- anord. tígnarmenn - 'fürstliche Persönlichkeiten', wie z.B. König, Herzog und Jarl, s. Fürst
Norwegen[]
Im westnordischen Recht ist die technische Bezeichnung für die Begründung der Gefolgschaft anord. ganga konungi (jarli etc.) til handa nach dem symbolischen Hergang der Handreichung, insofern der Gefolgsmann seine Hände in die des Herrn legte, dessen Schwert berührte und ihm den Treueid schwor.
An und für sich ein Institut von allgemeiner Bedeutung (z. B. auch für die Lendirmenn als Gefolgsherren nachweisbar), fand die Gefolgschaft ihre Hauptanwendung gegenüber fürstlichen Persönlichkeiten, wie z.B. König, Herzog und Jarl (s. Fürst), die einen Hofstaat (anord. hirð) besaßen. Sowohl die alten Volklands wie die späteren Großkönige umgaben sich mit Gefolgsleuten, welche ihre Kerntruppe (bzw. Leibwache) bildeten und in Friedenszeiten ursprünglich in ihrer Umgebung verblieben.
Das westnordische Gefolgschaftsverhältnis war ein höheres freies Dienstverhältnis, welches mit der Treupflicht verbunden war. Damit unterschied es sich einerseits vom Verhältnis der unfreien Haussklaven und andererseits vom Gesindevertrag der freien Hauskarle, wobei sich die Trennung von Letzterem erst später schärfer ausprägte. Ab dem 11. Jh. unterscheiden sich in einigen Geschichtsquellen [1] bei den fürstlichen Gefolgsleuten in Skandinavien die húskarlar von den handgengnir menn.
Voraussetzungen[]
An und für sich konnte jeder Freie ein Gefolgsmann werden, aber bei den Gefolgsleuten des Königs und Jarls überwog natürlich der aristokratische Geburtsstand. Zwar kommen in den Quellen einige Fälle vor, in denen einfache Freie des Königs handgengnir menn wurden, doch ist dabei zu beachten, dass es sich meist um Isländer handelte, die zwar nach ihrem Recht nicht ständisch abgestuft waren, aber doch vornehmen Geschlechtern entstammten und ihre Stammbäume zum Teil auf Könige zurückführten.
Innerhalb Norwegens aber stellten für die königlichen Gefolgsleute das Hauptkontingent wenigstens in der Zeit des Großkönigtums die Geschlechter der Landherren, d. h. der einheimische Adel (siehe Ständewesen in Skandinavien). Für die älteren Zeiten ist dagegen anzunehmen, dass sich am Hofe des Kleinkönigs auch die Söhne von angesehenen Bauern (anord. hǫlðar) als Gefolgsleute aufhielten [2]. Unfreie scheinen von der Gefolgschaft ausgeschlossen gewesen zu sein.
Treueide[]
Kraft des Treueides waren die Gefolgsleute zu besonderer Treue und zur Leistung des Kriegsdienstes sowie etwaiger anderer Dienste verpflichtet; doch ist bemerkenswert, dass nach der norwegischen Hirðskrá [3] der Treueid zugleich ausdrücklich auf die Eide Bezug nahm, die der König dem Volke geschworen hat. Die so geschworenen Gefolgsleute lebten ursprünglich am Hofe ihres Herrn, der sie beköstigte. Sie erhielten gewöhnlich Sold (anord. máli, daher anord. málamenn) und bei festlichen Gelegenheiten Geschenke, endlich durch Gnade des Königs Anteil an der Kriegsbeute.
Der Gefolgsherr schuldete ihnen Unterstützung und bezog bei ihrer Tötung eine besondere Buße (anord. húskarlagjóld). Ohne Urlaub des Gefolgsherrn durften sie nicht den Dienst verlassen. In älterer Zeit scheinen sie auch in der letztwilligen Verfügung über ihr Vermögen an die Zustimmung der Gefolgsherren gebunden gewesen zu sein, was an das deutsche Dienstmannenrecht erinnert. Die Gefolgschaft hatte keine Minderung des Standes zur Folge. Umgekehrt stieg der Gefolgsmann des Fürsten im Ansehen gegenüber seinen Standesgenossen, wie der norwegische Königsspiegel ausdrücklich hervorhebt.
Im Laufe der Zeit wurde das Erfordernis, dass der Gefolgsmann im Hause des Gefolgsherrn gegen Sold und Verpflegung (anord. borðfastr) lebte, fallen gelassen. Zu den anord. borðfastr hirðmenn traten Gefolgsleute, die daheim lebten und nur bei Aufgebot am Königshof erschienen. Sie bekamen häufig Grundstücke zu Lehen (Veizlur) und wurden dann königliche Vasallen.
Dänemark[]
In Dänemark bezeichnete das Dienstmannenrecht König Knuds, das sog. Witherlagsret (in Wirklichkeit adän. withaerlogh, d.h. 'Strafrecht'), aufgezeichnet zwischen 1018 und 1036, in der vorliegenden Fassung aber vom Ende des 12. Jhds. es als Pflicht des Königs oder anderer vornehmer Personen, die eine hirdh haben, ihren Mannen hold und gnädig zu sein und ihnen ihre Löhnung (adän. mále) rechtsgemäß zu zahlen, wogegen die Mannen ihrem Herrn zur Treue, Diensten und Bereitschaft in allen seinen Geboten verpflichtet seien.
Nicht bloß der König, sondern auch andere Personen konnten danach Gefolgsleute haben. Dass der Name der Gefolgsleute ursprünglich auch hier Húskarlar war, geht aus der Bezeichnung adän. húskarlastefna als Judicium parium hervor. In späterer Zeit verdrängte dann der Ausdruck adän. Lag ('Genossenschaft') und adän. Laghsmenn ('Angehörige der Genossenschaft') den Ausdruck anord. húskarlar. Der Ausdruck Thinglith, der in Sven Aggesens (um 1140-1186) lateinischer Geschichte des Vitherlagsrechts vorkommt, ist noch nicht recht erklärt.
Rechtliche Voraussetzungen[]
Eine rechtliche Voraussetzung war für den Gefolgsmann auch in Dänemark nicht die Zugehörigkeit zum Adel, aber Knud der Große soll gemäß des Geschichtsschreibers Svend Aggesen durch das Verlangen glänzenden Auftretens die königlichen Gefolgsleute auf die reicheren Klassen beschränkt haben. Die Gefolgschaft war eingeteilt in sveitar und fierdhunger, wie es scheint, militärische Unterabteilungen. Eine gewisse gildeähnliche Organisation bestand auch hier. Näheres über die einzelnen Arten von Gefolgsleuten erfahren wir nicht.
Nach der Aufzeichnung des Witherlagsrechts hat jedenfalls ein Teil der Gefolgsleute daheim gesessen, denn es ist davon die Rede, dass ein Gefolgsmann auf seinem Hofe vorgeladen werden soll. Es wäre auch schwer gewesen, so große Scharen - unter Knud soll die Zahl der Gefolgsleute 3000 betragen haben - auf dem königlichen Hofe dauernd zu beköstigen. Dazu stimmt, dass das Judicium parium auch über Grundstücksstreitigkeiten unter Gefolgsleuten entscheiden sollte, was auf feste Ansässigkeit außerhalb des Hofes hindeutet.
Schließlich ist das Gefolgschaftsverhältnis vom Dienstmann jährlich frei kündbar. - Alles dies zeigt, dass in Dänemark jüngere Verhältnisse vorliegen, die mehr auf ein Korps von Söldnertruppen als auf die Gefolgschaft im altgermanischen Sinne hindeuten. Bemerkenswert ist für Dänemark die weite Kompetenz des Mannengerichts, welches für alle Streitigkeiten unter den Witherlagsmaenn angegangen werden sollte. Der Dienst der Gefolgsleute war im Wesentlichen ein Kriegsdienst und, wie es scheint, vornehmlich Reiterdienst.
Herrenmänner[]
Im Laufe des 12. und 13. Jhds. entwickelte sich in Dänemark ein neuer Stand von Herrenmännern (adän. herremänn), der auf die Gefolgsleute zurückzuführen scheint. Diese erwarben großen politischen Einfluss, und aus ihnen ging der spätere dänische Adel mit seinen Steuerprivilegien, eximierter Gerichtsbarkeit und Gutshoheit über seine Hintersassen hervor.
Schweden[]
Über die Entwicklung der Gefolgschaftsverhältnisse in Schweden lassen uns die Quellen im Dunkeln. Dass auch hier König und Jarl, wie andere angesehene Männer ("Herren") Gefolgsleute (aschwed. trógivin maþer, hirþman, þiænistumaþer) besaßen, ist anzunehmen, denn das Ostgötalag spricht von der Ehrenbuße, die König, Jarl, Herzog, Bischof oder ein anderer Herr, der einen Stallmeister, Koch und 40 Ruderer zur Verfügung hat, für Verletzung seiner Mannen zu beanspruchen hat. Der altisländische Skalde Snorri Sturluson berichtet über die Hird von Jarl Rögnvald und die húskarlasveit des Gesetzessprechers Thorgnyr [4].
Aber über die Einzelheiten ist weniges zu entnehmen. Vermutlich ist auch hier der spätere Adel aus dem Hofstaat des Königs hervorgegangen. Die Skenninger Verordnung von 1285 [5] zählt drei Klassen von Mannen auf: Ritter, Junker (aschwed. swenavapn) und hirðdränger. Letztere scheinen den Húskarlar Norwegens zu entsprechen, während die ersteren den vornehmen ordo equester (Reiterdienst) dargestellt haben mögen.
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Quellen[]
- Hoops, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. II, S. 137 ff. (Art. Gefolgschaft, § 15. ff.)