Gemüse diente als Zukost oder Kleinsaat für den täglichen Bedarf. Im Gegensatz zum Obstbau wurde es entweder in kleineren Mengen auf Beeten innerhalb des Hofraums oder in größerem Umfang feldmäßig außerhalb desselben gebaut. Das letztere war in älterer Zeit wohl das Gewöhnliche. [1]
Beschreibung[]
Die Kultivierung von Bohne, Erbse, Linse, Rübe, Möhre und Lauch reichte auch bei den Germanen in vorchristliche Zeiten zurück, wo sie im Kleinbetrieb nach Art des Hackbaus von den einzelnen gebaut wurden. Durch die Römer wurde die Zahl der Gemüsesorten dann wesentlich vermehrt.
Zu den altangestammten traten eine Reihe neuer Sorten, wie z.B. verschiedene Kohl- und Zwiebelarten, auch die Bete, der Rettich und Spargel sind in Deutschland römischen Ursprungs. Eine noch größere Bedeutung für die germanische Küche erhielt das Gemüse unter dem Einfluss der Klöster und ihrer Küchengärten, die zunächst für Großgrundbesitzer und darüber auch für die Bauernhöfe Vorbild wurden. Doch fand die Beeinflussung des germanischen Nordens durch römische Gemüsegärten bereits früher statt. [2]
Anbau[]
Egal ob das Gemüse auf kleinen Beeten oder auf dem Feld angebaut wurde, in beiden Fällen war die an gebaute Fläche mit einem besondern Zaun umfriedigt und unterlag bereits frühzeitig besonderen Rechtsbestimmungen. So löste sich schon in vorchristlicher Zeit der Gemüsegarten (anord. grasgarðr) vom Hof los, wobei das Fehlen eines alten, gemeingermanischen und selbst eines volkstümlichen althochdeutschen Namens für denselben auffallend ist. Allerdings ist ihre frühzeitige gartenmäßige Kultur recht sicher. So dürfen wir nach dem mhd. krútgarte wohl ein ahd. *krútgarto voraussetzen, mnd. krúthof, krúttún.
Auf dem berühmten Bauplan des Klosters St. Gallen von 820-830 findet sich ein großer Gemüsegarten (hortus) hinter dem Haus des Gärtners. Dieser ist in 18 Beete eingeteilt, die in zwei Reihen zu je neun geordnet sind, und von denen jedes mit einer Gemüseart bepflanzt ist. Im Mittelgang, der die beiden Hälften trennt, steht der Hexameter: Hier sprießen die schön aufwachsenden Gemüsepflanzungen. Die eine Reihe enthält folgende Gemüse:
- Dill - anetum (Anethum graveolens L.),
- Koriander - coliandrum (Coriandrum sativum L.),
- Lauch - porros (Allium porrum L.),
- Mohn - magones (eine Latinisierung des ahd. Namens mágo). Wenn die Deutung richtig ist, so erscheint der Mohn im Küchengarten unter zwei verschiedenen Namen.
- Rettich - radices (Raphanus sativus L.),
- Rübe, Rote Bete, Mangold - betas (Beta vulgaris L.),
- Schlafmohn - papaver (Papaver somniferum L.),
- Sellerie- apium (Apium graveolens L.),
- Zwiebeln - cepas (Allium cepa L.).
In der anderen Reihe lesen wir:
- Bohnenkraut - sata regia (Satureia hortensis L. Kölln). Bemerkenswert ist, dass die sata regia sowohl unter den Heilkräutern als auch unter den Gemüsearten auftritt.
- Gemüsekohl mit seinen verschiedenen Sorten - caulas (Brassica oleracea L.),
- Kerbel - cerefolium (Anthriscus cerefolium Hoffmann),
- Knoblauch - alius (Allium sativum L.),
- Pastinak - pestinachus (Pastinaca sativa L.),
- Petersilie - petrosilium (Apium petroselinum L.),
- Salat (Stachellattich) - lactuca (Lactuca scariola L. var. sativa),
- Schalotte - ascolonias (Allium ascalonicum L.),
- Schwarzkümmel - gitto (Nigella sativa L.).
Bemerkenswert ist, dass wichtige Gemüsepflanzen wie Bohnen und Kürbisse, und Gewürzpflanzen wie Senf in der Liste ganz fehlen. Der Verfasser hat sein Verzeichnis offenbar ziemlich willkürlich hingeschrieben. [3]
Arten[]
Über die verschiedenen Gemüse schreibt um 500 n. Chr. der griechische Arzt Anthimus in seinem Werk "De observatione ciborum": „Von den Gemüsen sind Malve, Mangold und Lauch immer zuträglich, im Sommer wie im Winter; Kohl hingegen nur im Winter, denn im Sommer erzeugt er Schwarze Galle.“ [4] Die hauptsächlichsten Gemüsepflanzen, die auf den Tisch der germanischen Völker kamen, sind:
- Bohne (Faba vulgaris, Vicia Faba) - Gefunden in den bronzezeitlichen Pfahlbauten der Schweiz. Gemeingermanische Frucht. Rüben, Bohnen, Erbsen und Linsenfelder werden durch das salische Recht Anfang des 6. Jhs. geschützt (Lex Salica 27, 6. 7). In christlicher Zeit beliebte Fastenspeise. Als Speise der Franken erwähnt sie Ecbasis (276 ff.).
- Engelwurz (Angelika) - Im Frühmittelalter in Norwegen, wie auch in Island angepflanzt, von den Gesetzen ausdrücklich geschützt. Aus den Stengeln wurde Gemüse bereitet.
- Endivie - Salatpflanze, die laut Anthimus roh und gekocht gut für Gesunde und Kranke ist und roh einen Tag an der Sonne trocknen und dann gegessen werden solle.
- Erbse (Pisum arvense und P. sativum) - Gefunden in den steinzeitlichen Pfahlbauten der Schweiz. Wie die Bohne gemeingermanisch.
- Gemüsekohl (Brassica oleracia) - Kam aus den romanischen Ländern erst durch die Klöster nach Nordeneuropa. Der Kohl wurde eingelegt, um ihn als Sauerkraut für den Winter haltbar zu machen.
- Gurken - Anthimus empfiehlt, den Gurkensamen im Inneren zu essen, da er vor allem auch bei Nierenleiden zuträglich sei, und daher auch bei manchen Heilmittelzubereitungen gegen Nierenkrankheiten hingefügt werde.
- Koloquinte (Citrullus colocynthis) - Empfiehlt Anthimus zart und gut gekocht mit Salz und Öl vermengt wegen ihrer fiebersenkenden Wirkung.
- Kichererbse (Cicer arietinum) - Verbreitet sich erst spät von Italien her und wird laut Gregor von Tours (6. Jh.) als vornehmes Gemüse geschätzt (5, 18).
- Kohlrabi - Wird als ravacaulos im Cap. de vill. (70) Karls des Großen (8./9. Jh.) erwähnt.
- Lauch und Zwiebel (Allium L.) - Verschiedene Alliumarten, besonders die mit flachen, bandartigen Blättern, dienten nicht nur als Gewürz, sondern auch als Gemüsepflanzen, wie landschaftlich noch heute. Wann Lauch in den germanischen Ländern zuerst angebaut wurde, läßt sich nicht genau bestimmen. Es scheint, dass es erst unter dem Einfluß von Italien geschah. Im Capitulare de villis von Karl dem Großen (8./9. Jh.) werden erwähnt:
- Zwiebel (Allium cepa L.) - uniones und ascalonicas cepas, ahd. ascelouch
- Knoblauch (Allium sativum L.) - alia, ahd. klobelouch
- Porree (Allium porrum L.) - porros
- Schnittlauch (Allium Schoenoprasum L.) - britlas, ahd. snitilouh
- Linse (Ervum Lens L.) - Findet sich bereits in den neolithischen Pfahlbauten der Schweiz. Sie wird sie durch das Salische Gesetz (Anfang 6. Jh.) geschützt (s. oben unter Bohne). Nach England und Skandinavien scheint sie erst wesentlich später gedrungen zu sein.
- Malve (malva L.) - Wird um 500 nach Chr. von Anthimus (de obs. cib. 50) unter den Kräutern aufgeführt, deren Genuß zu allen Jahreszeiten zu empfehlen ist. Die Malve befindet sich auch unter den 73 Pflanzen, die in den Gärten der Meierhöfe Karls des Großen (8./9. Jh.) gezogen werden sollen (Cap. de vill. 70).
- Mangold (Beta vulgaris L.) - Wird um 500 nach Chr. bei Anthimus erwähnt (s. u. Malve), wurde in den Gärten der Meierhöfe Karls des Großen (8./9. Jh.) angebaut. In England zu Heilzwecken angewendet.
- Melde (Atriplex hortensis L.) - Ist eine der ältesten Kulturpflanzen und wurde als Gemüse, Salat-, Heil-, Färber- sowie Zierpflanze verwendet. Die jungen Blätter wurden als spinatartiges Gemüse gegessen.
- Möhre, Mohrrübe (Daucus Carota L.) - Einmal im Pfahlbau zu Robenhausen gefunden. Plinius (NH. 8, 26) erwähnt, daß Tiberius sich die im römischen Untergermanien am Rhein gezogenen Möhren ihrer Güte wegen jährlich habe kommen lassen.
- Pastinake (Pastinaca sativa L.) - Findet sich schon in den Pfahlbauten der Schweiz. Die feineren Sorten wurden von den Römern in das germanische Gebiet eingeführt. Die Pastinake wurde auch auf den Meierhöfen Karls des Großen (8./9. Jh.) gezogen (Cap. de vill. 70).
- Rauke, Raukenkohl (Eruca sativa L.) - Im Cap. de vill. von Karl dem Großen (8./9. Jh.) als eruca alba erwähnt.
- Rübe (Brassica rapa L.) und Steckrübe (Brassica napus L.) wurden von Anthimus in verschiedener Zubereitung empfohlen. Rübenfelder wurden schon zu Beginn des 6. Jhs. durch die Lex Salica geschützt.
- Rettich (Raphanus sativus L.) - Kam in Germanien zu Plinius Zeit (NH. 18, 26) in bedeutender Größe vor; er wurde auf den Meierhöfen Karls des Großenn (8./9. Jh.) gezogen.
- Sauerampfer (Rumex acetosa L.) - Anord. súra, ags. ompre, ahd. ampfro.
- Spargel - Eine in „Obergermanien“ häufig wildwachsende Spargelart erwähnt schon Plinius in seiner Naturalis Historia. Anthimus empfiehlt um 500 nach Chr., die jungen Triebe mit Salz und Öl zu genießen. Größere Verbreitung fand der Spargel in den germanischen Ländern während des Mittelalters jedoch nicht.
- Zuckertang (Laminaria saccharina L.) - Wurde in Skandinavien, wie auch heute, jung als Gemüse gegessen. Er reizte den Durst an.
Rechtliches[]
Bereits im ältesten Text der Lex Salica aus dem 6. Jh. finden sich Strafbestimmungen in Form von Bußen für das diebische Betreten eines fremden Rüben-, Bohnen-, Erbsen- oder Linsenfeldes; sie beträgt 120 Dinarii = 3 Solidi. Die Strafe für das Betreten eines Gemüsefeldes war allerdings wesentlich niedriger als die für den Einbruch in einen Obstgarten, ein Hinweis darauf, dass es sich hier um feldmäßigen Anbau dieser wichtigsten Gemüsesorten außerhalb des Hauslandes handelte, während der Obstgarten mit dem umzäunten Hof in enger Verbindung stand; vielleicht wurde sein Ertrag auch höher eingeschätzt. In einer jüngeren Fassung der Lex Salica (27, 62) wurde die Strafe für den Einbruch in fremde Gemüsefelder dann verschärft und mit der für den Einbruch in den Obstgarten gleichgesetzt.
Verwandte Themen[]
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Quellen[]
- Buschan, Georg. Vorgeschichtliche Botanik der Cultur- und Nutzpflanzen der alten Welt (Internet Archive). J. U. Kern’s Verlag (Max Müller), Breslau 1895.
- Fischer-Benzon, Rudolf von. Altdeutsche Gartenflora (Internet Archive); Untersuchungen über die Nutzpflanzen des deutschen Mittelalters, ihre Wanderung und ihre Vorgeschichte im klassischen Altertum (1894). Kiel und Leipzig, 1894. S. 137ff
- Heyne, Moriz. Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert (Internet Archive). (1899). 3 Bände. Leipzig 1899-1903.
- Hoops, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 4 Bände (1. Aufl.). K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. II, S. 114 ff. (Art. Gartenbau), S. 150 f.
- Neuweiler, Ernst. Die Prähistorische Pflanzenreste Mitteleuropas, mit besonderer Berücksichtigung der schweizerischen Funde (Google Books). Zürich 1905; Sonderabdruck aus Band 50 von Vierteljahrsschrift der naturforsch. Gesellschaft. Zürich, 1905. S. 86
- Schrader, Otto. Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde (Internet Archive). K. J. Trübner Verlag. Straßburg, 1901. S. 264 f. S. 1004.
- Weinhold, Karl. Altnordisches Leben (Internet Archive). 1856. S. 79, 87
Einzelnachweise[]
- ↑ Hoops, RdgA. aaO. Bd. II, S. 114. (Art. Gartenbau)
- ↑ Heyne, Hausaltertümer. aaO. Bd. II, S. 62.
- ↑ Hoops, RdgA. aaO. Bd. II, S. 118 (Artikel: Gartenbau, § 22).
- ↑ Epistula Anthimi ad Theodoricum regem (Fol. 72r-74v) im Lorscher Arzneibuch (Msc.Med.1). Digitalisat der Staatsbibliothek Bamberg (Kaiser-Heinrich-Bibliothek). Medicus Anthimus. Lorsch, Anfang 9. Jahrhundert. Transkription und deutsche Übersetzung von Ulrich Stoll. Stuttgart : Steiner 1992