Die freien Germanischen Stämme außerhalb des Römischen Reiches gliederten sich im 1. Jh. in Ostgermanen, Kontinentalgermanen, Nordgermanen und Westgermanen. Die Bildung der großen Stämme erfolgte dann während der Völkerwanderungszeit und wurde neben allgemeinen Ursachen, auch durch ethnische und politische Momente, sowie römische und christliche Einflüsse bedingt.
Entstehung der großen Stämme[]
In den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung wurden die germanischen Völkerschaften von einer Wanderungsbewegung erfaßt; bekannt als die "Völkerwanderungszeit" (375/376 bis 568). Hungersnöte, Einfälle der Hunnen aus dem Osten und Expansionsbedürfnis machten sich geltend.
Auch wenn zu dieser Zeit noch viel unbebautes Land zur Verfügung stand und Mitteleuropa nach unseren Begriffen nur dünn bevölkert war, so herrschte doch bei der Extensität des Wirtschaftssystems und vergleichsweise schnellem Bevölkerungswachstum schon damals eine relative Übervölkerung. Andererseits war es leichter, neues Land zu erobern, als Wildgebiet innerhalb der schon besetzten Landstriche zu roden.
Allgemeine materielle Kulturbedingungen und psychische Tendenzen bewirkten eine große Bewegung unter den germanischen Völkern, und den gewaltigen Vorstoß vom Nordosten nach Südwesten Europas. Diese Bewegungen, die besonders in der zweiten Hälfte des 2. Jhds. vermehrt einsetzten, erhielten durch den Hunneneinfall um 375/376 u.Z. einen erneuten Anstoß und hatten bedeutsame politische Folgen.
Vom Verbündeten zum Stamm[]
Weniger mit dem Pflug als mit dem Schwert wurde Land gewonnen. Die kriegerischen Zeiten aber verlangten eine zentralere politische Organisation: allgemein trat an Stelle der loseren Prinzipatsverfassung die strammere Königsverfassung. Das war die erste politische Wirkung.
Die kriegerische Zusammenarbeit beschränkte sich nicht auf die einzelnen, mitunter kleinen Völkerschaften. Oft kämpften benachbarte Stämme gemeinsam gegen Feinde. Und wie schon im Zeitalter Caesars und Tacitus die einheitliche Führung im Krieg zur dauernden politischen Herrschaft hinüberleiten konnte, so schloss eine lange Waffengemeinschaft die benachbarten Völkerschaften zu einer größeren staatlichen Gemeinschaft zusammen.
Dazu kam Machtstreben und größere politische Tatkraft Einzelner. In diesen Jahrhunderten nach Tacitus, wo ein Großteil des Wissens über die genauen Vorgänge im Inneren Germaniens fehlt, wurden Reiche gegründet, und Reiche zerstört. Aber das Ergebnis der großen Umwälzungen eines halben Jahrtausends, besonders der drei Jahrhunderte von 200 bis 500 n. Chr. war deutlich: an Stelle der zahlreichen kleineren Völkerschaften waren die größeren Stämme getreten, die der Alamannen, Franken, Friesen, Sachsen, Thüringer und Baiuwaren.
Ursachen[]
Mitunter waren es alte gesellschaftliche Verbände, die ihre Identität bei all den Umwälzungen bewahrt hatten (Niederfranken, Friesen), mitunter wurden aber auch heterogene Bevölkerungen durch politische Vorgänge zum Stamm zusammengeführt (bes. Alamannen, Sachsen). So verschieden die Entwicklung im Einzelnen gewesen sein mag, die Richtung der politischen Ordnung war überall zu beobachten. Die in der Zeit von 200 bis 500 entstandenen großen germanischen Volksstämme sind das Ergebnis von Jahrhunderte-langen politischen Vorgängen. Sie bewahrten ihre Individualität und bildeten wiederholt den Rahmen für partikularistische Strömungen im Volk.
Römische Kultur und Christentum[]
Während dieser Periode der Volksstammbildung drangen zwei neue Kräfte in das germanische Verfassungsleben, die im weiteren Verlauf der geschichtlichen Entwicklung bedeutsam waren: Die Römische Kultur und das Christentum gewannen an Einfluß.
Manche germanischen Völker nahmen diese Einwirkungen ganz in sich auf. Doch von den Reichsgründungen auf ehemals römischem Boden, die besonders von ostgermanischen Stämmen ausgingen, brachen die meisten schnell wieder zusammen. Nur zwei westgermanische Volksstämme behaupteten sich und erlangten weltgeschichtliche Bedeutung: die Angeln, Sachsen und Jüten (als Angelsachsen) auf der Britischen Insel und die Franken in Gallien.
Die Angelsachsen, die von Anfang an rücksichtslos ihre Eigenart betonten und vehement durchsetzten, wuchsen zum großen selbständigen Volk der Engländer. Der Staat der Franken aber wurde zur Wiege des französischen und des deutschen Nationalstaates, ja zum Vorläufer für die christlich-europäischen Staaten überhaupt.
Übersicht[]

Karte der Germanischen Stämme um 50-100 n. Chr. (ohne Skandinavien)
- Ostgermanen
- Kontinentalgermanen
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- Kontinentalgermanen a.: Nordseegebiet (Angeln, Friesen, Chauken, Chasuarier, Ampsivarier)
- Kontinentalgermanen b.: Rhein-Wesergebiet (Brukterer, Angrivarier, Sugambrer, Tenkterer, Usipeter, Chatten, Cherusker, Ubier)
- Kontinentalgermanen c.: Elbgermanen (Warnen, Langobarden, Semnonen, Hermunduren, Markomannen, Quaden, Naristen, Sueben)
- Nordgermanen
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- Nordgermanen: Skandinavien (Scandza), Island (Skandinavier, Wikinger)
- Norweger: Egdir, Eynir, Filir, Firdir, Gaulverjar, Granii, Hadar, Haleygir, Heinir, Hordar, Hringar, Mörir, Naumdölir, Orkdölir, Ranriki, Raumar, Raumsdölir, Rygir, Skeynir, Sparbyggjar, Stjordölir, Strindbyggjar, Sygnir, Thilir, Throndir, Upplendingar, Verdölir, Vikverjar, Vorsar
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Quellen[]
- Grundriß des germanischen Rechts (= Grundriß der Germanischen Philologie; Band 5). Karl von Amira. 3. Auflage. Strassburg 1913. (Digitalisat von Internet Archive)
- Die Könige der Germanen: Das Wesen des ältesten Königthums der germanischen Stämme (Internet Archive). Felix Dahn, Friedel Dahn. München : E. A. Fleischmann, 1905. Reprint Olms, Georg (1973). ISBN 3487047217. ISBN 978-3487047218.
- Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte (Internet Archive). Richard Schröder. 5. Auflage. Leipzig : Veit, 1889.
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 4 Bände (1. Aufl.). Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. IV, S. 212 ff., § 10 ff. (Art. Staatswesen)