Mittelalter Wiki
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Die Goldschmiedekunst der Franken unter den Merowingern bildet den Ausgangspunkt für eine Entwicklung, die unter Zurückgreifen auf die Antike oder das Anknüpfen an die oströmische Kunst (Byzanz) durch die Karolinger und Ottonenzeit hindurch zum voll entwickelten neuen Stil der Romanik geleiten.

Beschreibung[]

Im Allgemeinen gewinnt man nicht den Eindruck, als ob die Kunst im Frankenreich zur Merowingerzeit (um 450-751) besonders original gewesen sei, d.h. ihre Entwicklung wesentlich aus eigener Kraft genommen habe. Allerdings bieten die politischen Verhältnisse die hauptsächlichste Erklärung dafür, dass aus dieser Kunst schließlich der neuen Stil der Romanik entstand.

Funde[]

Von den Metallarbeiten, die aus den Friedhöfen oder Einzelgrabstätten der Merowingerzeit im Umkreis des fränkischen Reiches, z. B. in Tugny-et-Pont (Aisne), Jouy-le-Comte (Val-d’Oise), Contilly (Sarthe) und vielen anderen Orten Frankreichs, aber auch in Palzem a. d. Mosel (Rheinland-Pfalz), Beuren, Schretzheim (Schwaben), Fürst (Oberbayern, Laufen (Salzach)) oder den Rhein entlang usw. zutage gekommen sind, können hier nur einige bezeichnende Beispiele der Goldschmiedekunst namhaft gemacht werden.

Grab des Childerichs[]

Siegelring Childerichs I

Siegelring Childerichs I. (458-481), Kopie

Die bedeutendsten dieser Funde entstammen der Grabstätte von Merowechs Sohn Childerich I. (458-481), dem Vater Chlodwigs I., die bereits 1653 zu Tournai (Belgien) neben der Kirche Saint-Brice aufgedeckt wurde. Ein mitgefundener Siegelring mit der Inschrift „Childerici Regis“ ließ an der Identität keinen Zweifel.

Auf Umwegen in die Nationalbibliothek zu Paris [1] gelangt, fiel der Schatz dort 1831 einem Diebstahl zum Opfer, der ihn dezimierte und der u. a. auch jenen Ring sowie ein Schmuckstück in Gestalt eines Ochsenkopfes, wobei die Hörner durch zwei entsprechend geformte und zugeschlififene Granaten gebildet wurden, entführte und der Vernichtung anheimfallen ließ.

Unter den erhaltenen Stücken, deren Goldcloisons mit eingepassten Almandinen von äußerster Präzision der Arbeit sind und die daher aller Wahrscheinlichkeit nach als Werke der byzantinischen Goldschmiedekunst angesehen werden müssen, ragen vor allem Griff- und Scheidenbeschlag von Childerichs Schwert hervor. Auch ein paar Schmuckteile in Gestalt von Bienen, wie sie auch sonst vielfach begegnen, und eine goldene Schnalle, die wohl zum Wehrgehänge gehörte, sind zu erwähnen.

Weitere byzantinische Kunst[]

Kreuzreliquiar der heiligen Radegunde, Poitiers 570

Kreuzreliquiar der heiligen Radegunde (Poitiers, um 570 n. Chr.

Zu jener Goldschnalle von Childerich I. findet sich ein fast genau entsprechendes Seitenstück im Ferdinandeum in Innsbruck [2], und beide Stücke haben ihre nächsten älteren Verwandten in einer Fibel im Museum der Diokletiansthermen zu Rom, in der Goldschnalle aus dem Schatz von Apahida (Siebenbürgen, 480-500 n. Chr.), und einer anderen aus einem Grabhügel auf dem Öhlerberg, sowie weiterhin in der noch dem 4. Jhd. zuzuteilenden Julianusfibel in der Kaiserlichen Schatzkammer in Wien [3].

Alles das sind trefflich gearbeitete Schmuckstücke, bei denen die spätantike, vermutlich byzantinische Herkunft gleichfalls kaum zweifelhaft sein kann. Als Werk der byzantinischen Kunst ist auch das um 570 n. Chr. entstandene „Kreuzreliquiar der heiligen Radegunde“ in Poitiers, gleichfalls eine Goldarbeit in Cloisontechnik, anzusehen, und ebenso wurde allerlei Silbergerät von den Franken aus Byzanz bezogen, wobei wohl häufig jüdische Händler die Vermittler waren.

Südöstliche Importe[]

Bei Airan in der Normandie wurden zwei Fibeln aus Silber und Gold [4] mit eingelegten Steinen samt einer silbernen Gürtelschnalle gefunden [5]. Diese verraten zwar schon eher einen germanischen Kunststil, scheinen aber gleichfalls aus dem Osten zu stammen, da sie mit südrussischen und ungarischen Fundstücken, z. B. aus dem 2. „Schatz von Szilágy Somlyó“ (Rumänien, 4.-5. Jhd.), nahe verwandt sind.

Auch die goldenen Schnallen mit Zellenverglasung (6. Jh.) aus dem Grabfund von Fürst in Oberbayern (Laufen (Salzach)) sind kaum als fränkische oder bajuwarische Arbeiten anzusprechen, was jedoch bei dem mitgefundenen schlichten massivgoldenen Armreif eher angehen würde.

Im Hessischen Landesmuseum Wiesbaden [6] wird eine rechteckige Platte mit Granateninkrustierung aufbewahrt, welche wohl Teil eines Gürtelschmuckstücks oder einer Schließe war und auf ihrer Rückseite in Altpahlavi-Schriftzeichen den Namen des Sassanidenkönigs Ardaschir oder Artaxerxes (I.: 224-240; II.: 379-383; III.: 628-630 [7]) trägt. Die Platte wurde in einem fränkischen Grab bei Wolfsheim (Rheinland-Pfalz) gefundenen, doch welche Bewandnis es damit hat, ist nicht völlig geklärt.

Auf Beziehungen der Franken zum Neupersischen Reich, wenn vielleicht auch nur durch die Vermittlung von Byzanz, weist übrigens auch die mit Halbedelsteinen und Glasflüssen reich ausgestattete Goldschale mit dem Bildnis Chosrau I. (531-579), ehemals im Schatz der Kathedrale von Saint-Denis, später in der Bibliothèque nationale de France (BnF) zu Paris, hin.

Einheimische Goldschmiedekunst[]

Theudebert I., Münze Goldsolidus um 534

Fränkischer Gold-Solidus Theodeberts I. nach oströmischem Vorbild, um 545

Die eigentlich einheimische fränkische Goldschmiedekunst scheint sich vielfach, soweit sie nicht aus provinzialrömischen Werkstätten erwuchs, in enger Verbindung mit dem Münzwesen entwickelt zu haben. So hat z. B. ein prächtiges Goldstück mit dem Bildnis Theodeberts I. (534-548), das wohl aus der Prägestätte Mainz hervorgegangen ist, auch als Werk der fränkischen Goldschmiedekunst Anspruch auf das Interesse der Forscher.

Und aus der Lebensbeschreibung des heiligen Eligius von Noyon wissen wir, dass sowohl der Lehrmeister des Heiligen in der Goldschmiedekunst, Abbo von Limoges (um 600), als auch Eligius selbst Vorsteher der königlichen Münze (monetarius) unter König Chlothar II. (597–629/630) war. Zu seinen Arbeiten gehörte u. a. das Grabmal des hl. Dionysius im Kloster St. Denis zu Paris.

Abgesehen von den bereits erwähnten Techniken übten die Franken noch manch andere Verfahren und entwickelten diese auch z. T. auch fort, wie aus den Gräberfunden zur Genüge hervorgeht. Zahlreich sind insbesondere ihre Tauschierarbeiten, vielfältig ihre Siegelringe mit Verwendung geschnittener Steine, zumeist antiker Stücke, und auch dem Niello begegnen wir bei den Franken nicht selten. Eine klare Einsicht in ihr Können gewinnen wir aber trotzdem nicht.

Fränkische Zeugnisse[]

Die Menge der überlieferten Denkmäler der Goldschmiedekunst zur Zeit der Merowinger ist recht ansehnlich, und auch in den Beständen der verschiedenen Museen und Sammlungen finden sich viele hervorragende und interessante Werke fränkischer Edelschmiedekunst. Darunter sind z. B. zu nennen:

  • die merkwürdige kreisrunde Scheibenfibel [8], die 1903 im Wald Rappenwörth südwestlich von Daxlanden (Karlsruhe, Baden-Württemberg) etwa 2 m unter der Erdoberfläche gefunden wurde. Sie besitzt eine goldene Deckplatte und eine fratzenhafte, doch ausdrucksvolle Darstellung einer menschlichen Gestalt, die mit Münzbildern verwandt ist und wohl dem 5. Jh. angehört.
  • eigenartige Greifenschließen (Vogelfibeln) mit Einlagen aus Edelsteinplättchen und Perlen und mit Filigranzeichnung innerhalb der Hauptkonturen, die in Frankreich gefundenen wurden. [9] [10]
  • auch die zumeist kreisrunden, goldenen Filigranscheibenfibeln, die mit bunten Glasflüssen und Steinen von verschiedenen Formen ausgestattet, sind stammen aus Frankreich, besonders zahlreich aus Artois und der Picardie. Vereinzelt wurden solche Exemplare z. B. auch bei Vittel in den Vogesen [11], in Bingen am Rhein [12], Beringen (Kanton Schaffhausen) usw. gefunden und dürfen wohl als spezifisch fränkischer Schmuck um 600 n. Chr. angesehen werden.
  • die beiden Silberbecher von Valdonne (Peypin, Bouches-du-Rhône), wahrscheinlich aus dem 7. Jh. im Musée du Louvre in Paris,
  • eine große prächtige Rückenknopffibel aus Hegebeintum (um 630 n. Chr.). Sie besteht aus vergoldetem Silber und ist mit Filigran und durchaus germanischer Ornamentik verziert. Befindlich im Fries Museum zu Leeuwarden. [13]
  • die stattliche „Mölsheimer Goldfibel“ (auch „Filigranscheibenfibel aus Mölsheim“ [14]; um 630-680 n. Chr.), nahe Worms. Vierpassfibel. Befindlich im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt. [15]

Mit dem verglichen, was uns besonders Gregor von Tours von den Gold- und Silberschätzen der fränkischen Könige und Großen, eines Sigibert I. von Austrasien, der Königstochter Rigunth, des treulosen Mummolus, eines Gunthram Boso, Rauching, Waddo u. a. oder von den Kostbarkeiten in kirchlichem Besitz berichtet, sind jene fränkischen Goldschmiedearbeiten, die sich erhalten haben, nach Zahl und Bedeutung aber geradezu für nichts zu achten.

Spatha, Schwertscheide von Gutenstein, 7. Jh

Die Schwertscheide von Gutenstein (7. Jhd.)

Bereits aus dem Beispiel der Werke des heiligen Eligius konnte geschlossen werden, dass ohne die Kenntnis solch monumentalen Denkmäler, wie sie in den Quellen oft genug erwähnt und geschildert werden, das Wissen heutige lediglich Stückwerk bleibt, und das um so mehr, als seit dem Übertritt Chlodwigs und seiner Franken zum Christentum (496) auch die Grabbeigaben allmählich zurückgingen und an Bedeutung einbüßten.

So sind denn Forscher bei der Betrachtung insbesondere der Kunst des 6. bis 8. Jhds. fast lediglich auf zufällig erhalten gebliebene Stücke angewiesen.

Als Denkmal, das weniger seiner Kunst als seiner Darstellung nach bedeutsam ist, mag hier aber noch der silbergetriebene Scheidenbeschlag mit der Figur eines tierköpfigen Mannes mit Schwert und Lanze und entartetem antiken Tierornament aus dem Fund von Gutenstein (Sigmaringen) Erwähnung finden, die sog. „Schwertscheide von Gutenstein“ (7. Jhd.) [16].

Galerie[]

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Bibliothèque nationale de France (BnF)
  2. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck
  3. Kaiserliche Schatzkammer in der Hofburg, Kunsthistorisches Museum Wien (http://www.khm.at/)
  4. Salin, Tierornamentik. aaO. Abb. 353-355
  5. Im Musée de Normandie in Caen.
  6. Museum Wiesbaden (Hessisches Landesmuseum)
  7. die paläographische Forschung hat sich für den ersten dieser Herrscher ausgesprochen
  8. Badisches Landesmuseum in Karlsruhe
  9. Ethnologisches Museum (Staatliche Museen zu Berlin).
  10. Germanisches Nationalmuseum (GNM) - Leibniz-Forschungsmuseum für Kulturgeschichte, Nürnberg (Bayern)
  11. Lothringes Museum in Nancy (Frankreich)
  12. Rosenberg, Marc: Geschichte der Goldschmiedekunst auf technischer Grundlage (Google Books). 1. Teil: Einführung (Doppelheft). Frankfurt a.M. : Heinrich Keller, 1910. ISBN13: 9783764827816. Abb. auf S. 113
  13. Fries Museum Leeuwarden: Mantelspange (abgerufen am 16.04.2020)
  14. Wikipedia: Filigranscheibenfibel aus Mölsheim (Version vom 16.04.2020)
  15. Worms: Die Mölsheimer Goldfibel (abgerufen am 16.04.2020)
  16. Heute als Beutekunst im Puschkin-Museum zu Moskau