Mittelalter Wiki
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Die Frage nach dem Alter und dem Ursprung der Runen wurde oft aufgeworfen und auf viele verschiedene Weisen beantwortet. Manche machten sie so alt wie die Sintflut, manche jünger als die Einführung des Christentums im Norden; einige glaubten die nordischen Völker hätten sie selbst ohne Vorbild irgendeines fremden Alphabetes erfunden oder versuchten sie von einer Menge älterer und jüngerer Alphabete abzuleiten.

Beschreibung[]

Bereits im 19. Jhd. war der Ursprung der Runenschrift Gegenstand für die Untersuchungen vieler Gelehrten; doch die Einigkeit erstreckt sich selten weiter als auf allgemeine Sätze über die geographische Herkunft. Da die Runenschrift erst in der älteren Eisenzeit auftritt, kommen für ihren Ursprung vor allem alten südeuropäischen Alphabete (die griechischen, lateinischen, etruskischen und die übrigen italischen) in Betracht, wobei die Ähnlichkeit zwischen ihnen und den Runen in vielen Punkten höchst auffällig ist.

Aber das heißt keineswegs, dass die Runenschrift notwendigerweise von einem dieser Alphabete abstammen muss, und auch nicht, von welchem unter ihnen. Sie könnte aus derselben Quelle wie diese Alphabete entsprungen sein und sich dann selbständig entwickelt haben; aber sie kann auch aus einem einzigen hervorgegangen oder mit Hilfe mehrerer zugleich gebildet worden sein.

Wenn man die Verwandtschaft mit den südeuropäischen Alphabeten genauer untersucht, so zeigt sich, dass die Meinungen in sehr verschiedenen Richtungen auseinander gehen, und bis in die neuesten Zeiten hinein haben die verschiedensten Ansichten ihre Vertreter. Dazu gehören z. B. die Thesen der Entstehung aus:

Von allen alten Alphabeten zog keines so große Aufmerksamkeit auf sich wie die griechische These, da eine auffällige Ähnlichkeit zwischen den ältesten griechischen Buchstaben und den Runen besteht. Da allerdings ein unmittelbarer Vergleich an vielen Punkten nicht Stich hielt, nahm man „eine gemeinsame Quelle" für beide Alphabete an.

Zudem verglichen Forscher bei ihren Untersuchungen häufig Alphabete aus sehr verschiedenen Zeiten miteinander, oder nahmen als Ausgangspunkt das kürzere 16-typige nordische Runenalphabet, welches jedoch das jüngere ist, anstatt der älteren 24-typigen Runenreihe, das einmal allen germanischen Völkern gemeinsam war und auf den Denkmälern der älteren Eisenzeit sowohl in Nordeuropa als auch außerhalb überliefert ist.

Erst die fortschreitenden Erkenntnisse der vergleichenden Sprachwissenschaft waren im Stande, die Sprachform der Runeninschriften nachzuweisen, und genauere Antworten auf die Frage nach dem Alter und der Verbreitung der Runen sowie nach ihrem Verhältnis zu fremden Schriftzeichen zu geben. Dabei ist auch die Entwicklung der alten südeuropäischen Alphabete wichtig. Um also eine sichere Grundlage zu haben, benötigt es zunächst eine Übersicht über die Entwicklung und das gegenseitige Verhältnis dieser Alphabete:

Klassische Kursive[]

Eine weitere These führt die Runen auf die Klassische Kursive zurück. Die klassische Schrift tritt dabei zunächst einmal in drei Hauptformen auf:

  • 1. die Kursive, die Schrift des praktischen Lebens, der gewöhnlichen Schrift entsprechend;
  • 2. die Unziale, die in literarischen Handschriften verwendete sorgfältigere Form, die der Kapitalschrift näher stand, und, was den Gebrauch anlangt, etwa dem heutigen Druck entspricht;
  • 3. die Monumentale (Kapitalschrift), die man für Inschriften brauchte, und die ungefähr formell mit den heutigen 'großen' Antigua-Buchstaben übereinstimmt.

Am weitaus meisten verwendet und bekannt war die kursive Schrift. Sogar berufsmäßige Schreiber nutzten hin und wieder kursive Formen in literarischen Werken und auf Inschriften. In einer Umgebung, in der die unziale und monumentale Kapitalschrift unbekannt oder selten waren, erhielt die klassische Kursive eine Form, die in wesentlichen Zügen von der klassischen Lapidarschrift abwich. Es erfolgte die Umformung zu einer epigraphischen Schrift, zu der auch die Runen gehören.

Die Herleitung der Runen von einer kursiven Schrift lässt sich anhand einiger allgemeiner Züge vermuten:

  • 1. Die Runen haben vertikale Stäbe in größerer Anzahl als die klassischen epigraphischen Alphabete, z. B. ᚫ für gr. und lat. A, ᛚ für gr. Λ, ᚢ für gr. lat. Λ Ο: ganz natürlich, da in der Kursivschrift auch ursprünglich vertikale Stäbe eine nach vorn gebeugte Stellung bekommen.
  • 2. Die Runen haben die Vertikalstäbe in größerer Ausdehnung zur Normalhöhe gezogen als die klassischen epigraphischen Alphabete, z. B. ᚹ für Υ. Das Streben nach durchgehenden und vertikalen Stäben zeichnet im übrigen die ganze Entwicklungsgeschichte der Runenschrift aus.

Schreibmaterial[]

Der Dichter Venantius Fortunatus (um 540-600/610) bemerkte in einem Brief [2], dass die „barbarischen Runen“ auf Holztafeln oder auf glatte Holzstäbe eingeritzt wurden, die als Briefe dienten. Dies stimmt auffallend zu einem Zeugnis aus Nordeuropa von Saxo Grammaticus (1140-1220)[3] überein, der von Buchstaben spricht, „die auf einem tragbaren Holz eingeschrieben sind, was früher die übliche Art von Papier war“. Zudem ist bekannt, dass „Runenstäbe“ in Nordeuropa bis in sehr späte Zeit hinab benutzt wurden.

Auch der bei den verschiedenen germanischen Völkern gemeinsame Name für „Buch“ (ahd. buoh) ist sehr wahrscheinlich von Anfang an dasselbe Wort wie „Buche“, das sich in den meisten Sprachen erst spät, in einzelnen gar nicht in zwei Worte spaltete. Die ursprüngliche Bedeutung von „Buch“ war daher vermutlich „Tafeln aus Buchenholz“, auf welche die Runen, die Stäbe (ahd. buohstab, rúnstab) geschrieben bzw. geritzt wurden... → zum vollständigen Artikel.

Herleitung[]

Vokalzeichen[]

  • Die A-Rune () kann aus dem griech. oder lat. A abgeleitet werden.
  • Die E-Rune () zeigt Verwandschaft mit lat. E und der seltenere Form II. Auch eine Abstammung vom griech. kursiven η ist wahrscheinlich.
  • Die Ë-Rune () ist identisch mit einer gewöhnlichen Kursivform des griech. ε während der römischen Kaiserzeit.
  • Die I-Rune () kann vom griech. ι oder lat. i hergeleitet werden.
  • Die O-Rune zeigt Verwandschaft dem griech. ω der monumentalen Form und stimmt als sie zur Form des lat. O.
  • Die U-Rune () kann auf dem lat. V basieren, welches umgestülpt wurde.

Halbvokalzeichen[]

  • Die W-Rune () stammt möglicherweise vom lat. Q.
  • Die J-Rune () schuf man, indem man zwei lat. C mit den Öffnungen gegen einander stellte.

Konsonantenzeichen[]

Spiranten[]

  • Die G-Rune () ist identisch mit griech. χ.
  • Die D-Rune scheint auf griech. kursiv ϑ (Theta) zurückzugehen. Als (dh) entspringt sie zwei gegeneinander gewendeten lat. D's.
  • Die B-Rune () geht vom griech. β oder lat. B aus.
  • Die H-Rune () geht vom Lateinischen aus, da ein Zeichen für diesen Laut der griech. Kursive fehlte.
  • Die Th-Rune () ist identisch mit der Kursivform des Zeichens für þ im Got. Sie mag auch dem lateinischen D entstammen.
  • Die F-Rune () ist eine deutliche Stilisierung der kursiven Form des lat. f .
  • Die S-Rune () geht vermutlich auf griech. ς als stimmhaftes s zurück. Sein Name war ςητα (Seta).
  • Die ʀ-Rune () fällt mit griech. ψ zusammen und bedeutete ursprünglich wahrscheinlich x (d. h. hs).

Verschlusslaute[]

  • Die K-Rune () ist identisch mit lat. c , kann aber auch vom griech. x herstammen.
  • Die T-Rune () hat bereits in der griech. Kursivschrift ihre charakteristische Form , kann aber auch vom lat. t ausgehen.
  • Die P-Rune () kann aus dem griech. kursiven π oder dem lat. kursiven p hergeleitet werden.

Liquidae und Nasale[]

  • Die R-Rune stammt vom lat. kursiven R.
  • Die L-Rune entspricht dem griech. Λ, λ.
  • Die M-Rune kann vom griech. kurs. Μ, μ stammen oder vom lat. kurs. M.
  • Die N-Rune wird entstammt dem griech. kurs. Ν, ν oder wurde aus dem lat. N umgebildet.
  • Die Ng-Rune () stammt vom griech. γ.

Zusammenfassung[]

Es scheint also, dass viele Runen aus dem griechischen oder lateinischen Alphabet stammen, und zwar aus der Kursiv- oder Monumentalschrift, wobei die Kursive den meisten Zeichen der Runenreihe zugrunde liegt Die Runen verdanken somit aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Entstehung volksmäßiger und nicht gelehrter Bildung. Das geht auch aus der eigentümlichen Ordnung hervor, welche die Runen im Futhark einnehmen, und die von der Reihenfolge der klassischen Buchstaben stark abweicht.

Der Runen sind 24, ebenso wie die griechischen Lautzeichen. Später wurde für die Sprache überflüssige oder weniger brauchbare Zeichen durch notwendige oder bequeme Zeichen aus dem lat. Alphabet ersetzt. Auch diese Reform geht von kursiven Typen aus. Man kann sich auch die Möglichkeit denken, dass der epigraphische Charakter der Runen schon der klassischen Kursive anhaftete, die ihnen zugrunde liegt; d.h. dass griech. und lat. Kursive, eingeritzt auf Holz- und Metallgegenstände usw., die Schrift ist, die die Goten, die zuerst die eigene Sprache mit klassischen Schriftzeichen schrieben.

In den römischen Standlagern waren Inschriften solcher Art, sog. Sgraffiti, zahlreich; so kamen auch germanische Legionäre damit in Kontakt. Der Umstand, dass man die Runenschrift schon am Ende des 2. Jhs. n. Chr. in so abgelegenen Gegenden wie Dänemark (Vimose) und Norwegen (Övre Stabu) in ihrer eigentümlichen Mischung von griech. und lat. Buchstaben findet und die Stilisierung der Schriftzeichen vollständig ausgebildet ist, spricht seinerseits für eine sehr alte Vermischung von griech. und lat. Zeichen und dafür, dass diese Zeichen mit Sgraffiti-Technik ausgeführt waren.

Die Runenschrift hat ihre Entstehung also einer Kulturarbeit zu verdanken, die dem Auftreten der Goten auf der welthistorischen Rennbahn vorausgegangen sein muss. Tatsache ist aber auch, dass die ältesten skandinavischen Runenzeugnisse bereits enstanden, bevor die Goten in Kontakt mit dem römischen Weltreich kamen [1].

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. 1,0 1,1 Wikipedia: Runen - Ursprung (DE). Version vom 04.11.2020.
  2. Venantius Fortunatus. Carminum lib. VII, 18, V. 19 f.
  3. Saxo Grammaticus. Gesta Danorum, lib. III, S. 145 ed. P. E. Müller = S. 92 ed. A. Holder