Herrenburgen stehen als Befestigungsanlagen im Gegensatz zu Volksburgen und bilden den befestigten Wohnsitz eines Herren nur mit seinem nächsten Anhang. Allgemein üblich wurden sie in Deutschland zwar erst im 11.-12. Jh., jedoch reichen die Anfänge viel weiter zurück.
Beschreibung[]
Herrenburgen wurden mitunter nicht als solche erkannt, weil die früheren Anlagen ohne Mauerwerk waren und man sie für "Wallburgen" hielt, die für mittelalterliche Wohnweise und Kriegführung nicht in Betracht kamen. Erst nachdem klar wurde, dass alte Wallburgen viel mehr aus Holz statt aus Stein bestanden, so dass auch sie schon starke Festungsmauern mit Toren und Türmen und im Inneren wohnliche Gebäude hatten, änderte sich das Bild geändert. Es gab scheinbare „Wallburgen“ noch tief im Mittelalter, und auf der anderen Seite machten die Ausgrabungen einige kleine als Herrenburgen bis in die Zeit um 800 n. Chr. zurückreichend wahrscheinlich.
Geschichtliches[]
Zur Zeit der Germanen wohnten höhergestellte Herren und Könige auf einem offenem Hof am Fuß einer Volksburg (Fluchtburg, Gauburg). So bestand z.B. der Wohnsitz des markomannischen Herrschers Marbod (um 30 v.Chr. - 37 n.Chr.) aus dem Königspalast (lat. regia) und einem Dorf in der Nähe (lat. castellum iuxta situm) [1]. Von Chlogio, einem König der Salfranken im 5. Jh. berichtet Gregor von Tours, dass er in der Burg Despargum wohnte [2]. Der Cheruskerfürst Segestes wurde von Arminius' Leuten in seiner - nicht immer bewohnten - Volksburg belagert, und ebenso so kann man sich das Verhältnis des am Fuße des Berges liegenden Tötehofes bei Detmold zu der darüber liegenden Grotenburg (Teutoburg?) denken.
Fränkische Königshöfe[]
In Süddeutschland bezogen die fränkischen Herren zuweilen direkt in die ehemaligen römischen Höfe, so z.B. bei der Pfalz Kirchheim (Bas-Rhin) im Elsass, [3]). Wie sehr aber auch in Norddeutschland die fränkischen Königshöfe (lat. curtes) nach römischem Grundriss und Wehrbau gestaltet wurden, zeigen die vielen erhaltenen Beispiele. Diese Königshöfe mit ihrem typisch rechteckigen Grundriss wirkten für die Folgezeit bestimmend auf die Anlage von Gutshöfen und Schlössern ein, hatten allerdings nur wenig Einfluss auf den deutschen Burgenbau. Das Wenige, was von der Art in Deutschland vorhanden ist, entpuppt sich leicht als jener Typus, den hauptsächlich die Normannen ausgebildet und in England weit verbreitet haben (vgl. Normannenveste). Diesem Typus entspricht in kleinerer Ausgabe der Wohnturm, der als Motte (moated mound) auf einem künstlichen Hügelt mit viereckiger flacher Vorschanze errichtet wurde.
Frühmittelalter[]
Im 10. Jh. wurde es im Sachsenland Sitte, dass adlige Herren den Hof mit samt Scheunen und Stallungen verließen und sich für die nächsten Bedürfnisse der Familie eine stark befestigte kleine Burg, an oder auf einem Berg bauten. Es begann um 900 (Hünenburg bei Todenman, Rinteln) und wurde später durch Heinrich I. (876-936) stark verallgemeinert. Im mittelalterlichen Burgenbau traten die beiden Elemente, das romanische und das germanische, zusammen auf, vielfach getrennt, öfter auch gemischt.
Romanisch-Normannischer Typus[]
Den rein romanischen Typus bot die Normannenveste mit dem Hauptturm (engl. keep) in der Mitte des viereckigen Burghofes und einfachen Linien der äußeren Umwehrung. Ihm entsprach die Warte in Form der französischen motte und das Schloss der Deutschordensritter. In England wurde die romanische Form der Veste lange für sächsisch gehalten, bis sie in immer weiterem Kreise sich als normannisch erwies. In Deutschland finden sich die Beispiele am Niederrhein, die Lippe hinauf bis ins Eggegebirge (dort die Iburg (Bad Driburg)) und an die Weser (Burg Holtrup bei Minden), ein vereinzeltes auch in Mecklenburg (die Marodei in Schlicht nördlich von Feldberg). Es mögen teils Wegwarten, teils Zufluchten zur Bergung des Wertbesitzes sein. Im Aufriss findet sich die Anlage einer solchen Turmhügelburg auf dem Teppich von Bayeux.
Germanischer Typus[]
Germanisch dagegen war Anpassung des Grundrisses der Burg an das Gelände mit ungleichmäßiger Umwehrung an den verschiedenen Seiten, und die Besetzung des Innenraums durch Gebäude an der Mauer entlang, so dass in der Mitte ein Burghof frei blieb. Dieser Typus, dessen erste Vertreter z.B. die Pipinsburg (Geestemünde) und der Hunneschans am Uddeler Meer (Holland) sind, wurde später für das ganze deutsche und vielfach auch das wälsche Mittelalter maßgebend.
Die scharfe Zweiteilung von Burganlagen wirkte weit ins Mittelalter fort. Der Jagdhof Bodfeld, der auf Heinrich I. (876-936) zurückging, hatte sie ebenso wie die Harzburg von Heinrich IV. (1050-1106). Aber die Einteilung des Innenraums war bei der deutschen Wohnburg immer eine ganz andere als bei dem normannischen oder dem Deutschordensschloss: die Mitte wurde nicht von einem alles enthaltenden großen Gebäude eingenommen, sondern sie war frei, war Hofraum, und eine Reihe von Einzelbauten für die verschiedensten Zwecke: Palas, Stall, Küche, Backofen, Kapelle, Bergfrit zogen sich rings an der Mauer entlang.
Deutlich zeigte sich diese dezentrale Aufteilung der Anlage beim Jagdhof Bodfeld, genau wie die Archäologen es auch bereits bei der Hünenburg (Osterburg) von Todenman bei Rinteln beobachten konnten. In Verbindung mit der Uffoburg bei Bremke gibt sie den ersten bestimmten Anhaltspunkt, ab wann im Sachsenland die Umsiedlung der adligen Herren von ihrem offenen oder auch befestigten Gutshof auf eine kleine, stark geschützte Burg am Berg stattfand, wohin sie ihre Scheunen und Ställe nicht mitnahmen. Bei dieser Art des Überganges ist es leicht verständlich, dass die Eigentümlichkeiten der alten Gutshöfe, auf die neuen Dynastenburgen übernommen wurden. So scheinen es auch die bisherigen Ausgrabungen (z.B. in der Heisterburg, s. Königshöfe) zu bestätigen: ein großer freier Raum und die einzelnen Gebäude um ihn herum verteilt.
Rundwälle zwischen Volksburg und Herrenburg[]
Eine eigenartige Zwischenstellung zwischen alter Volksburg und sächsischer Herrenburg nehmen eine Anzahl gleichförmiger Rundwälle in Altsachsen ein, zu denen auch einer in Holland gehört, so dass sich heute nicht bestimmt sagen lässt, ob sie Volks- oder Herrenburg sind. Beispiele dafür sind u.a.:
- Die Pipinsburg (Sievern)
- Die Hunneschans am Uddeler Meer in Holland
Die Pipinsburg (Sievern) mit dem doppelten Graben zur gefährdeten Seite hin und der weiten Vorburg knüpft an den Typus der sächsischen Volksburg an und führt mit der Disposition ihres Inneren zur mittelalterlichen Herrenburg hinüber. Die Kette von Burgen an der Unterweserstraße: Pipinsburg - Kransburg bei Midlum - Ringwall Am Kirchhof (ehemals Judenkirchhof) bei Duhnen (Cuxhaven) deutet auf eine einheitliche Befestigung dieser Gegend wohl erst gegen Karl den Großen, also in den letzten Jahren seiner Sachsenkriege zwischen 772 und 804.
Besonders im Ruhrgebiet erkennt man an Wallburgen vielfach ein Nachwirken alter Formen in den Befestigungen. Als der direkte Einfluss der Franken beim Bau von Königshöfen (lat. curtis) aufhörte und die Sachsen selbst anfingen, sich neue Befestigungen zu schaffen, kamen viele Eigentümlichkeiten ihrer alten Volksburgen wieder zur Geltung:
- der Grundriss, der sich dem Terrain anpasst
- die doppelten und dreifachen Linien (Zwinger) besonders am Tor
- die unregelmäßigen Vorburgen
Hochmittelalter[]
Die größere Ausgabe des Wohn- und Wehrturms der Veste war der stattlichere Donjon (engl. keep tower) inmitten eines viereckigen Hofes mit mehrfacher Mauer und breitem Graben sowie gewöhnlich einer Vorburg. Das klassische Beispiel dafür ist der Tower of London, von Wilhelm dem Eroberer selbst 1078 erbaut und ursprünglich als Residenz, später als Zitadelle und Gefängnis benutzt. Der Keep Tower misst 35 : 29 m im Grundriss und ist 28 m hoch. Die Nebengebäude stammen aus späterer Zeit. Ganz entsprechend, nur beträchtlich kleiner (21 : 17 m), ist das Kastell Adrano am südwestlichen Fuße des Ätna, von Roger I. († 1101) erbaut.
Diese Wohntürme (z.B. Keep Tower) und Normannenfesten haben mit den ursprünglichen Königshöfen zwar noch den rechteckigen Grundriss, aber nicht mehr die Errichtung eines Gebäudes in der Mitte des Hauptraums gemein. Sie erinnern auch kaum noch an das römische Lager mit dem Prätorium in der Mitte und können als Weiterbildungen des römischen Wartturmes angesehen werden, die eine als ziemlich direkte, die andere stark vergrößert und ausgestaltet.
In Deutschland finden sich diese Arten von Vesten hier und da, der große Typus des Donjon auffallend deutlich in den Deutschordensschlössern in Preußen, so z.B. bei der Marienburg (Ordensburg) bei Malbork (Pommern) und beim Schloss Rheden bei Graudenz. Sonst sind solche Grundrisse eher selten. Beispiele sind aber z.B. als Turmhügelburg die Grenzlerburg bei Othfresen, Kr. Goslar in Niedersachsen und die um 1307 erbaute Burg Altbodmann am Bodensee. Etwas mehr scheint der kleinere fränkisch-normannische Typus, der Wohnturm, zur Nachahmung angeregt zu haben, und zwar besonders in früher Zeit.
Entwicklungsfolge[]
Die Entwicklungsfolge der Wohnformen, wie sie sich in der Reihe Volksburg-Königshof-Herrenburg zeigt, ist in einigen Beispielen noch gut erhalten. Bei Quedlinburg z.B. ist die alte Burg, eine Volksburg auf einem Berg östlich der Stadt, nach der die offene Ortschaft in der Ebene ihren Namen erhielt. Dort entstand dann ein Königshof und von ihm aus gründete Heinrich I. eine neue Dynastenburg (Herrenburg) auf dem Schlossberg. Ähnlich gehörte zum Königshof Hemlion (das heutige Hemeln an der Weser) die große Hünenburg hoch darüber, und vom Hof ging später die kleine Bramburg auf halber Höhe aus.
Wallentwicklung[]
Eine besondere Eigentümlichkeit zeigen die Herrenburgen des 12. Jhs. Von Anfang an scheinen die Herrenburgen keinen „Wall“ um den Burgraum mehr gehabt zu haben, sondern nur eine im Vergleich zu früheren Bauweisen dünne Mauer. Das aus dem Graben gewonnene Material, das bei den Volksburgen und Königshöfen (lat. curtes) zum Wallbau verwendet worden war, wurde nach außen geworfen, so dass vor dem Graben noch eine starke Erhöhung entstand. Dies sind die Vorläufer der Wehrlinien der späteren mittelalterlichen Städte.

Wallanlagen von Burg Alt-Sternberg
Burgen, die um 1200 gegründet wurden, verwendeten nun das Grabenmaterial nicht völlig für den Außenwall, sondern karrten einen großen Teil davon durch Lücken dieses Außenwalls nach vorn, wo es sich zu großen Schutthalden wie Bastionen anhäufte, die dann in Zahl von 6, 8 oder 10 die Burg umgaben. Beispiele dafür sind:
- die Burg Alt-Sternberg bei Schwelentrup (Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen);
- die Falkenburg bei Detmold (Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen);
- die Brunsburg bei Höxter-Godelheim (Nordrhein-Westfalen);
- die Iburg bei Bad Driburg (Kreis Höxter, Nordrhein-Westfalen);
- die Burg Hohenrode bei Rinteln (Landkreis Schaumburg, Niedersachsen);
- die Burg Schell-Pyrmont bei Bad Pyrmont (Niedersachsen).
Beispiele für Herrenburgen[]
Romanisch-Normannische Burgen[]
- Burg Bodmann (Ruine Altbodman) am Bodensee.
- Burg Rehden (Schloss Rheden) im Kulmerland bei Graudenz.
- Grenzlerburg bei Othfresen, Kr. Goslar
- Kastell Adrano am Ätna
- Marienburg (Ordensburg), Malbork (Pommern)
- Marodei (Turmhügel) in Schlicht (Feldberger Seenlandschaft, Mecklenburg-Vorpommern)
- Tower of London
Germanische Burgenanlagen[]
- Aseburg (Herzlake) im Emsland, Niedersachsen
- Harzburg in Bad Harzburg, Niedersachsen
- Hünenburg bei Todenman, Rinteln, 10.-11. Jh.
- Hunneschans am Uddeler Meer (Holland)
- Jagdhof Bodfeld in Sachsen-Anhalt
- Pipinsburg (Sievern), Geestland (Cuxhaven), um 1000
- Uffoburg bei Bremke (Gem. Extertal) im Landkreis Lippe, Nordrhein-Westfalen
Galerie[]
Germanische Anlagen[]
Die germanischen Burganlagen sind dezentral angelegt. Der Grundriss der Burg passt sich an das Gelände an und die Umwehrung ist ungleichmäßig. Die Besetzung des Innenraums erfolgt durch Gebäude an der Mauer entlang, so dass in der Mitte ein Burghof frei bleibt. Dieser Typu wurde später für das ganze deutsche und vielfach auch das wälsche Mittelalter maßgebend.
Romanisch-normannische Anlagen[]
Beim romanischen bzw. normannischen Typus (Normannenfeste) steht der Hauptturm (engl. Keep Tower) in der Mitte des viereckigen Burghofes. Einfache Linien bilden die äußere Umwehrung. Dem entspricht die Warte in Form der französischen motte und das Schloss der Deutschordensritter.
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Quellen[]
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. I, S. 204 ff. (Art. Befestigungswesen, § 8.). Bd. II, S. 511 ff.
- Burgenkunde (Internet Archive). Otto Piper. Weidlich, Year 1895
Einzelnachweise[]
- ↑ Tacitus, "Ab excessu divi Augusti (Annales)". Digitalisat auf Wikisource (lat). Bd. II, 62
- ↑ Gregor von Tours. II 9
- ↑ Plath: Mitteilungen der Saalburgfreunde, 1904, S. 92 ff.