Mittelalter Wiki
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Die Hird (anorw. hirð, adän. hirdh) bezeichnet in Skandinavien den Hofstaat bzw. die Gesamtheit der königlichen Gefolgsleute. Hierzu zählten u.a. Jarle, Sysselmänner und die „Landherren“ (Lendirmenn), die seit Harald Schönhaar in ein Lehnverhältnis zum Könige getreten waren (s.a. Ständewesen in Skandinavien).

Allgemeines[]

Die königliche Hird bildete die Gesamtheit der königlichen Gefolgsleute in der skandinavischen Gefolgschaft, d. h. den Hofstaat. Die Bezeichnung anord. hirð stammt von ags. híréð - 'Familie, Hausgenossenschaft'; die Mitglieder der königlichen hirð sind die hirðmenn konungs.

Die Isländer der literarischen Zeit verstanden unter hirð das Gefolge eines tíginn maðr (d.h. eines Königs oder Jarls); hirðmaðr ist ein engerer Begriff als Huskarl [1]. Gleichzeitig sind die alten Namen drótt (Leibwache) und verðung auf die Poesie beschränkt, die nur in seltenen und späten Fällen den Ausdruck hirð zulässt: der älteste Beleg steht bei Thiodolf Arnorsson (1065). Snorri Sturluson berichtet, dass Olaf der Heilige (1015-100) eine Hirdstube (hirðstofa) hatte mit 60 Hirdmannen neben je 30 Gästen und Hauskerlen: er verteilte die Ämter unter die Leute, wie es die Sitte der christlichen Könige war.

Vorbild[]

Das Vorbild der Hird ist in England zu suchen. Die Wörter hirð und hirðmenn sind Entlehnungen von ags. híred (hird) - 'Gefolge' und híredmen (hirdmen) - 'Gefolgsleute'. Die Teilung der Gefolgschaft (comitatus) erfolgte z.T. daraus, dass das Corps der Hofleute mit ihrem Geistlichen (Olaf hatte sogar eine größere Anzahl Kleriker in der Hird) den Gardesoldaten (Gestir) und Hauskerlen (Huskarl) übergeordnet wurde.

Olaf kyrri (1067-1093) verstärkte dann das Zeremoniell, schaffte die Trinkhörner ab und ersetzte die alte Halle mit dem Hochsitzpaar und den Feuern auf dem Estrich durch einen heizbaren Raum, in dem der Thron an derselben Stelle stand wieder Hochaltar in der Kirche [2].

Im 13. Jh. berichten über die norwegische Hird ziemlich eingehend die Hirðskrá von Magnus Håkonsson und der norwegische Königsspiegel (Konungs skuggsjá). Zusammen mit dem Bildungs- und Unterhaltungsschrifttum dieser Kreise, den sog. Riddarasögur, veranschaulichen uns jene Quellen die spezifisch mittelalterliche Kultur Norwegens auf ihrem Höhepunkt.

Zusammensetzung[]

Die Hird zerfiel in verschiedene Klassen von Gefolgsleuten, die korporativ organisiert waren. In der altnorwegischen Geschichte fand der Ausdruck hirð eine zwiefältige Anwendung: im Allgemeinen umfasst er den Haushalt des Königs in seiner Gesamtheit; im Besonderen bezeichnet er den höheren Kreis der Königsmannen. So zählt die norwegische Hirðskrá um 1270 drei Verbände (anord. lǫguneyti) mit eigenen Versammlungen und unter eigenen Vorstehern auf:

  • die Hirdmänner (anord. hirðmenn) - Sie sind die zahlreichste Klasse und bestehen aus den vornehmsten Gefolgsleuten. Sie stellen die nächste Umgebung des Königs dar und rekrutierten sich aus den Kreisen des Landadels (Lendirmenn). Unter ihnen spielen eine besondere Rolle (als hirðstjórar):
    • die Kammerherren, Tafeljunker, Tischdiener (anord. skutilsveinar) - Bedienten den König mit Speise und Trank und hatten zugleich gewisse wichtige Pflichten in Beziehung auf die Sicherheit der königlichen Person.
    • der Truchsess (anord. dróttseti),
    • der Schenk (anord. skenkjari),
    • der Bannerträger (anord. merkismaðr)
    • der Marschall (anord. stallari),
  • die Gardesoldaten (anord. gestir, eigentlich 'Gast') - Sie werden vornehmlich zu äußeren Diensten politischer und polizeilicher Art verwendet.
  • Die Kerzenknaben (anord. kertisveinar) - Sie sind das Pagenkorps.

Die alles sind Würden, welche sich auf ausländische Vorbilder zurückführen. Die zu den einzelnen Verbänden gehörenden Mitglieder stehen im Verhältnis von einer Art Gildebrüdern, sie sind in Not verpflichtet, sich gegenseitig beizustehen. Auch haben die Hirdmänner und Gäste ein Bestimmungsrecht bei Aufnahme eines neuen Genossen in ihren Verband (weshalb sie mit diesem Kuss und Handschlag wechseln), das freilich später abgeschwächt wird.

Hirdmänner[]

Genau wie auch die anderen Klassen am Hofe (Gäste, Kerzenträger, Hauskarle), so bildeten auch die Hirdmannen eine organisierte Gilde mit dem König als höchstem Mitglied. Die Aufnahme in das Korps konnte nur durch persönliche Bewerbung beim König erlangt werden; aber der Beschluss des Königs musste von den versammelten Hirdmannen genehmigt werden. Das Hofgesetz sah eine Aufnahmezeremonie vor, sehr ähnlich der der Lehnshuldigung, von der sie übernommen gewesen sein mag, obgleich es möglich ist, dass die beiden Zeremonien sich unabhängig aus einem alten germanischen Brauch entwickelten. Der Treueeid wurde bei dem königlichen Schwert geleistet; daher wurden Königsmannen dieser Klasse Schwertnehmer (anord. sverðtakarar) genannt.

Beim Aufnahmeeid schwor der Hirdmann, seinem Herrn öffentlich und im geheimen treu zu sein, ihm zu folgen daheim und auswärts und seinen Hof ohne Erlaubnis niemals zu verlassen, außer unter dem Zwang dringender Notwendigkeit. Seine besondere Pflicht war die Bewachung und Verteidigung der Person des Königs - am Hof, auf dem Schlachtfelde, an Bord des Schiffes und in den öffentlichen Versammlungen. Die Hirdmannen hatten auch einen Sitz im Reichsrat, so oft der König einen solchen einzuberufen beliebte; auch nahmen sie in hervorragender Weise teil an Krönungsfeierlichkeiten und an der Wahl eines Königs in Fällen streitiger Thronfolge.

Besonderes[]

Beratung[]

Die Angelegenheiten, welche die gesamte Hird betrafen, wurden auf der Hirdstefna (anord. hirðstefna) beraten. Hier wurden auch Beschlüsse über Gefolgschafts- und Lehnswesen gefasst. Eine eigene weitgehende Gerichtsbarkeit in Lehnssachen und sonstigen Rechtssachen der Hirdmänner bestand aber nicht. Die Hirðskrá sollte jährlich zur Julzeit hier verlesen werden.

Lehnswesen[]

Innerhalb der Hird entwickelte sich ein System von Klassen, von denen zwei besonders hervortreten: die Grundbesitzer (anord. Lendirmenn) und die Tafeljunker (anord. skutilsveinar). Obgleich sie nicht Wachmannen in der eigentlichsten Bedeutung des Wortes waren, wurden sie doch immer als solche klassifiziert. Sie wurden aus der Hird ausgewählt, behielten ihre Mitgliedschaft in derselben und wurden niemals gänzlich von den Pflichten der Leibwache entbunden.

Die Lendirmenn waren lokale Magnaten, die der König enger an die Krone binden wollte. Um dies zu erzielen, nahm er sie in seine Leibwache auf und beschenkte sie mit wertvollen Lehen. Ihre Anwesenheit bei Hofe war nur eine gelegentliche. Die Tafeljunker bedienten den König mit Speise und Trank und hatten zugleich gewisse wichtige Pflichten in Beziehung auf die Sicherheit der königlichen Person. Im Jahre 1277 wurde den Grundbesitzern der Baronstitel verliehen und den Tafeljunkern die Ritterwürde.

So bestand die Hird zumeist aus den Lendirmenn und den Inhabern von Amtslehen, wobei gewisse Mitglieder in Norwegen wiederum die königlichen Veizlur als Lehngüter mit einem bestimmtem Mindestertrag verliehen (s.a. Lehnswesen in Nordeuropa). Einige Mitglieder der königlichen Hird erhielten keine Veizlur, sondern festen Sold. Auch die handgengnir menn gehörten zur Hird, da sie des Fürsten drótt (Leibwache) bildeten.

Zeremoniell[]

Bei der Erhebung der Hirdmenn zu höheren Würden sah das Hofgesetz bestimmte Zeremonien vor, die für das mittelalterliche Hofzeremoniell vorbildlich waren. So saß bei der Zulassung eines Mannes zu seiner Hird der König auf seinem Hofsitz umgeben von den Hirdmenn. Zwischen seinen Knien lag ein Schwert, seine rechte Hand umfasst den Knauf. Der Kandidat näherte sich, kniete nieder, berührte den Schwertknauf und küsste die königliche Hand. Er erhob sich dann und leistete den Treueid. Dann kniete er wieder nieder, legte seine gefalteten Hände zwischen die des Königs und küsste seinen neuen Herrn. Der amtierende Tafeljunker führte ihn dann zu seinen neuen Kameraden, von denen er durch Händedruck und Kuss als zu ihnen gehörig anerkannt wurde. [3]

Auflösung[]

Das Gefolgschaftsverhältnis nahm, von freiwilliger Lösung mit beiderseitigem Einverständnis abgesehen, sein Ende mit dem Tode eines der beiden Teile, ferner mit Aufsagung wegen justa causa, insbesondere Ausstoßung des Gefolgsmanns wegen eines Dienstvergehens. Der neue König konnte sich demnach sein Gefolge frei neu bilden. Tatsächlich aber behielt er in späterer Zeit die Verhältnisse, wie sie sich beim Vorgänger gebildet hatten, bei, um so mehr, als die hohe Aristokratie des Landes die Hird bildete. So begreift es sich, dass sich aus der Hird der spätere Adel mit den kontinentalen Bezeichnungen der Ritter, Herren, Barone und den Privilegien der Freiheit von öffentlichen Lasten, des eximierten Gerichtsstandes usw. herausbilden konnte.

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. vgl. den Sprachgebrauch der Heimskringla 2, 141, 1-2
  2. Heimskringla 3, 228. Fagrskinna ed. Jönsson 306-8; s. Hochsitz
  3. Hoops, RdgA. aaO. Bd. II, S. 550 ff. (Artikel: Höfisches Leben)
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