Die Bezeichnung Hofrecht (lat. ius curiae) wurde in der geschichtswissenschaftlichen Literatur in wechselvoller Bedeutung gebraucht. Gewöhnlich wurde es als das Recht angesehen, welches sich durch Privatherrschaft in den Gerichten der Großgrundherrschaften ausbildete.
Beschreibung[]
Meistens wurde beim Hofrecht eine Sonderung der Rechte ritterlicher und bäuerlicher Herrschaftsleute vorausgesetzt und Hofrecht nur auf das Recht der bäuerlichen bezogen. In dem Maße, in dem eine allgemeine Unfreiheit der Hintersassen angenommen wurde, wurde Hofrecht zugleich als Recht der unfreien Bauern aufgefasst [1]. Allerdings ist ein Blick auf die gesamte Struktur einer Großgrundherrschaft unerlässlich.
Auf den fränkischen und deutschen Großgrundherrschaften war nie Latifundienwirtschaft ausgebildet, sondern eine Organisation, die sich spätrömischen Verhältnissen anschloss. Von dem Land, welches im herrschaftlichen Wirtschaftsverband verblieb - viel Land wurde oft als vornehmes Lehen um der politischen Macht willen fortgegeben und war dann für den Lehnsherrn wirtschaftlich unproduktiv - wurde nur ein kleiner Teil (die terra salica bzw. terra indominicata) von der Herrschaft selbst bewirtschaftet.
Der größere Teil war von Hintersassen besetzt, welche entweder Dienste oder Zinsen leisteten. Das herrschaftliche Nutzungsland, d.h. das nicht als Lehen ausgegebene Land, war demnach in drei Gruppen geteilt: Herrenland, dienendes Land, reines Zinsland.
Begrifflichkeit[]
Das Wort 'Hofrecht', d. h. die lateinische Fassung ius curtis, ius curiae tritt vereinzelt ab der Mitte des 11. Jhds., häufiger dann im 12. Jh. auf. Damit werden die Verpflichtungen der zum Hof Zugehörigen, aber auch in weiterer Bedeutung das gesamte am Fronhof ausgebildete Recht bezeichnet. Es ist zweckmäßig, in diesem Sinne das Wort 'Hof' technisch anzuwenden: Hofrecht ist das in den zu Dinghöfen gewordenen Fronhöfen ausgebildete Sonderrecht.
Es ist nicht nur das Recht für den Verkehr, der aus den grundherrschaftlichen Verhältnissen entstand, sondern das gesamte Recht, welches sich an den zu verschiedener Kompetenz gelangten Fronhöfen ausbildete. Es kann auf der einen Seite Normen für das gesamte Rechtsleben der unfreien Fronhofsleute enthalten, auf der anderen Seite aber auch nur Bestimmungen über Zinszahlungen an den Herrschaftshof und über das Verfahren bei Pflichtversäumnis. Dem Hofrecht unterworfen sind die unfreien Hofknechte und die Hintersassen, die ihr ganzes Recht am Fronhof finden, aber auch der freie, mitunter der vornehme Zinser, der nur in bestimmten Zinssachen das Fronhofsding besuchen muss. Diese Vielfalt ist charakteristisch.
Das Wort Hofrecht wird besser nicht gebraucht für andere Arten von Rechtsordnungen im Herrschaftsbereich, was jedoch häufig geschah. Mit Hofrecht wurden oft auch die zentralen Rechtsbestimmungen bezeichnet, welche dem Kreis aller unfreien Herrschaftsleute (Familia) galten. Dann müßten die aus ihnen hervorgegangenen Sonderrechte einzelner Gruppen von Herrschaftsleuten: der Ministerialen und Zensualen, auch als Teile des Hofrechts angesehen werden.
Unterteilungen[]
Die dem Wirtschaftsverband der Herrschaft angehörenden Leute aber können ihrem wirtschaftlichen Verhältnis gemäß in drei Gruppen gesondert werden:
- das Gesinde, das am Herrenhof oder am herrschaftlichen Wirtschaftshof lebt und der wirtschaftlichen Selbständigkeit darbt;
- die Hintersassen auf Herrschaftsland haben selbständige Wirtschaften und widmen nur einen Teil ihrer persönlichen Arbeitskraft dem Herrendienst, ja entrichten mitunter nur Zinsen;
- die dritten haben kein Herrschaftsland, sie müssen aber als persönlich dem Herrschaftshof Verbundene einen Jahreszins zahlen oder einige Arbeitstage leisten.
Diese drei Klassen von Herrschaftsleuten sind nicht scharf voneinander geschieden, sondern es gibt gleitende Übergänge, auch erscheinen anfangs gewerbliche und ministerialische Dienste mit landwirtschaftlichen verbunden. Dazu: die Verschiedenheit der volkswirtschaftlichen Stellung deckt sich nicht mit der des Geburtsstandes, Freie und Unfreie begegnen innerhalb der verschiedenen Kategorien von herrschaftlichen Leuten, die Freien allerdings zumeist in ihrer Freiheit durch ein erbliches, einseitig nicht lösbares Schutzverhältnis zur Herrschaft stark beschränkt.
Deutschland[]
Entstehung der Rechtsgemeinschaft[]
Die zu einer Herrschaft gehörenden Leute bildeten in wirtschaftlicher und in rechtlicher Hinsicht eine Gemeinschaft. Die Herrschaft handhabte eine ausgedehnte hausherrliche Gewalt, sie übte eine Disziplin aus, schlichtete Streitigkeiten der Hofleute und bestrafte Unfreie selbst mit dem Leben. Die Gemeinschaft der Herrschaftsleute aber bildete bereits in fränkischer Zeit eine Rechtsgemeinschaft, als in ihr nicht einfach die Willkür des Herrn, sondern Norm und Herkommen maßgebend wurden.
Die Verhältnisse des Herrschaftsmannes wurden geregelt, oft sogar die Pflichten der Unfreien genau normiert. Im Herrschaftsbereich entstand ein bestimmtes Recht. Dieses betraf einmal die Beziehungen der Herrschaftsleute zur Herrschaft [2], dann aber auch die Beziehungen der Herrschaftsleute untereinander. Umfang und Inhalt dieses Rechts waren allerding in den einzelnen Herrschaften und Herrschaftsteilen sehr ungleich, da die herrschaftliche Gewalt räumlich und inhaltlich zu sehr verschiedener Entwicklung gelangte.
Räumlich war sie entweder auf den herrschaftlichen Grund und Boden und auf die persönlich der Herrschaft Untergebenen beschränkt, oder sie hatte über die Grenzen des eigenen privaten Grundeigentums hinaus in geschlossenen Bezirken obrigkeitliche Gewalt erlangt: die Bannherrschaft.
Inhaltlich gelangte sie zu verschiedenen Intensitäten, bezog sich einmal nur auf die Regelung grundherrlicher Dinge und auf kleinere Rechtssachen der Herrschaftsleute untereinander, konnte sich aber auch auf wichtige Dinge beziehen. Sie konnte aber auch durch die Immunität oder eine analoge Privilegierung zur bedeutsamen Obrigkeit werden und selbst die Befugnisse des hohen Provinzialbeamtentums besitzen.
So entwickelte sich die vornehmlich richterliche Gewalt in den einzelnen Herrschaften und auch in einzelnen Gebieten der selben Herrschaftrecht recht unterschiedlich: mal besaß ein Stift einen Bezirk mit voller selbständiger Gerichtsbarkeit, mal nur niedere Justiz oder Gerichtsbarkeit in grundherrlichen Dingen auf den eigenen Gütern. Überdies wirkte die richterliche Gewalt desselben Fronhofs nicht gleichmäßig über alle Untertanen: über die Unfreien anfangs unbedingt, über die Freien weit beschränkter, ja mitunter nur in den Rechtsfragen, die das Leiheverhältnis betrafen.
Schließlich ist noch zu beachten, wie die großen Herrschaften in wirtschaftlicher Hinsicht teils lokal, teils zentral organisiert erscheinen und wie die Rechtsprechung teils in den zu Dinghöfen gewordenen Fronhöfen, den Mittelpunkten der grundherrlichen Territorialorganisation, teils aber an der Zentralstelle der Gesamtherrschaft unter dem Vorsitz des Herren oder eines Zentralbeamten erfolgte, so musste auch eine zentral einheitliche und eine lokal verschiedene herrschaftliche Rechtsordnung nebeneinander gehen.
Daher ergibt sich aus der Verfassung der Grundherrschaften die Entstehung verschiedenartiger Rechtskreise, wobei zentrale und partikulare Rechtsordnungen zu unterscheiden sind, d. h. einerseits Rechtsordnungen, die für alle Leute einer Herrschaft, anderseits Rechtsordnungen, die nur für den Bereich einzelner Fronhöfe gelten sollten.
Zentrale Rechtsordnungen[]
Die zentralen Rechtsordnungen beziehen sich weniger auf die landwirtschaftlichen und materiellen Leistungen der Bauern, da hier eine lokale Differenzierung vorherrschte, als vielmehr auf die einheitlichen Rechtsverhältnisse von gewissen Leuten, die zur Herrschaft gehörten: auf die der herrschaftlichen Familia, d.h. der Unfreien im Allgemeinen, oder - seit sich im 11. Jh. besondere Berufs- und Standesgruppen scharf aus der Klasse der Unfreien heraushoben - auf die einzelnen Sonderklassen, besonders auf die ritterlichen Unfreien (Ministeriale) und auf die nur Kopfzinspflichtigen (Zensuale).
So besitzen wir allgemeine Rechtsordnungen für die unfreien Herrschaftsleute überhaupt, wie die Lex familie Wormatiensis ecclesie vom dritten Jahrzehnt des 11. Jhs. oder wie Rechtsbestimmung Konrads II. der Limburger Familia von 1035, so besitzen wir seit der zweiten Hälfte des II. Jhds. Gesetze für die Ministerialen, so auch Festlegungen der Zensualenrechte aus demselben Zeitalter.
Partikulare Rechtsordnungen[]
Die partikularen Rechtsordnungen beziehen sich auf das Recht, welches sich in den einzelnen Fronhöfen und ihrem lokalen Bezirk ausbildete: auf das wirtschaftliche und politische Verhältnis der einem Fronhof Zugehörigen, den Rechtsverkehr der Fronhofsleute untereinander: Privat, Prozess-, Strafrecht. Darüber sind seit dem 8. Jh. Rechtsnormen erhalten. So wurde z.B. im Jahre 770 an das Kloster Gorze ein Landgut verschenkt und dabei die Leistung der Hintersassen eingehend bestimmt.
Später wurden diese Bestimmungen häufiger und seit dem 10. Jh. sind zahlreiche urkundliche Festlegungen der Pflichten und Rechte von Fronhofsleuten, Aufzeichnungen der Fronhofsrechte vorhanden. Der Inhalt solcher Rechtsaufzeichnungen ist verschieden, je nach ihrer Veranlassung, überdies auch je nach der Richtergewalt, die mit dem Fronhof verbunden war. War, wie im Gorzer Ort Amel, der Fronhof auch Sitz eines herrschaftlichen Hochgerichts, dann enthielten die Fronhofsordnungen auch Festsetzungen über die Übung hoher Justiz; in anderen Fällen, und zwar in den meisten, weisen Fronhofsrechte nur auf Niedergerichtsbarkeit oder auf Gerichtsbarkeit in grundherrlichen Dingen hin.
Sonstiges Europa[]
England[]
Aus der angelsächsischen Zeit kann man als Hofrecht bezeichnen die vom Quadripartitus sogenannten Rectitudines singularum personarum, eine Privatarbeit eines Gutsrechts, in der die Rechte und Pflichten der einzelnen im Hofverband stehenden Leute eingehend erörtert sind. Ebenso dem Beginn des 11. Jhds. angehörig ist eine kurze Aufzeichnung über die Divisiones et consu-etudines in Dyddanhamme. [3]
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Ein Hofrecht im kontinentalen Sinn war in Skandinavien mangels der Ausbildung einer Grundherrschaft nicht bekannt. Die sogenannten Hofrechte waren tatsächlich Dienstrechte.
Quellen[]
- Heusler, Andreas. Institutionen des deutschen Privatrechts (Internet Archive). Leipzig : Duncker & Humblot, 1885. Bd. I, S. 27 ff.
- Hoops, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. II, S. 551 ff.
- Seeliger, Ewald Gerhard. Die soziale und politische Bedeutung der Grundherrschaft im früheren Mittelalter. Untersuchungen über Hofrecht, Immunität und Landleihen (Internet Archive). Leipzig : B.G. Teubner (1903)
- Seeliger, Ewald Gerhard. Staat und Grundherrschaft in der älteren deutschen Geschichte (Internet Archive). Leipzig : Edelmann, 1900.