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Johannes Eriugena oder Scottus (* um 810; † um 877) war einer der ersten namhaften Philosophen in der Zeit der Scholastik. Seinen Beinamen Scottus erhielt er aufgrund seiner irischen Herkunft, da Irland das Stammland der Schotten war und noch bis ins 11. Jh. Scotia maior hieß.

Beschreibung[]

Johannes Scottus Eriugena lebte um 810-877. Sicher aus seinem Leben ist jedoch nur, dass er, sonst ohne geistliches oder weltliches Amt, um 845 dem Ruf Karls des Kahlen folgte und eine zeitlang Leiter der Pariser Hofschule war, wo er in Karls Auftrag die areopagitischen Schriften aus der Zeit der Jüngeren Patristik ins Lateinische übersetzte.

In den damals gerade heftig wütenden Theologenstreit über die Prädestinationslehre („Lehre der göttlichen Vorherbestimmung“) griff er durch seine Schrift „De divina praedestinatione“ ein. Sein späteres Hauptwerk führte den Titel „De divisione naturae“, ist also, im Gegensatz zu den allermeisten scholastischen Schriften, ein naturphilosophisches.

Ansichten[]

Beeinflusst wurde Johannes, außer durch Augustinus von Hippo, besonders durch den von ihm überschätzten Areopagiten und überhaupt durch die jüngeren griechischen Kirchenlehrer. So gehört er auch zu den wenigen Scholastikern, die mit der griechischen Sprache noch gründlich vertraut waren. Er unterwarf sich ihrem Ansehen fast schon in demselben Maß wie dem Schriftwort. Doch verfocht er, dass in Zweifelsfällen die Vernunft vor der Autorität den Vorzug haben sollte, denn in seinen Augen war „die wahre Autorität nichts anderes als die durch die Kraft der Vernunft entdeckte Wahrheit“.

Die wahre Philosophie war für ihn mit der wahren Religion ein und dasselbe, da beide aus der göttlichen Weisheit flossen. Allerdings konnte nicht alles, was für den Weisen und Mündigen war, auch vom Einfältigen und Unmündigen verstanden werden. Für den letzteren bediente sich die Schrift, die für Eriugena ebenso als unerschütterliche Autorität galt, häufig poetischer Sagen, Wunder und göttlicher Erscheinungen, die für den geläuterten Sinn des Wissenden nur Symbole geistiger Zustände waren, wie z.B. Hölle, Paradies, Himmelfahrt oder die buchstäblich vorgestellte Wiederkunft zum jüngsten Gericht.

Die Naturphilosophie Eriugenas entsprach der neuplatonisch-mystischen Anschauungsweise des Areopagiten als Entfaltungssystem der Gottheit, worein sich auch bereits aristotelische Unterscheidungen (des unbewegt Bewegenden, bewegt Bewegenden, bloß Bewegten) mischten. Seine Spekulation begann sofort mit der Versenkung in die unaussprechliche Tiefe des Wesens und Urquells aller Dinge, der "nicht geschaffen ist und doch schafft". Als eigenschaftsloses Nichts kennt die Gottheit zunächst sogar sich selbst nicht. Bewußt wird sie ihrer selbst erst als das "geschaffene und doch zugleich schaffende" Wesen, aus dem die ewigen Ideen (Urbilder) aller Dinge hervorgehen, deren Einheit der Logos darstellt.

Sie gehen unter dem Einfluss des heiligen Geistes oder der pflegenden göttlichen Liebe in die geschaffenen, selbst nicht schaffenden Dinge ein, natürlich in immer weiteren Abstufungen. So sind alle Dinge Erscheinungen Gottes (Theophanien), unser Leben Gottes Selbstoffenbarung in uns. Es gibt nichts außer ihm. Das Böse ist nur eine aus der menschlichen Freiheit entstandene verkehrte Richtung des Willens. Aus der Vielheit wird dereinst derselbe Logos die Welt wieder zu dem letzten Ziel der Dinge, zu Gott als dem Wesen, das weder schafft noch geschaffen wird, zur ewigen Ruhe (deificatio = 'Vergottung') zurückführen; das Endziel ist gleich dem Uranfang, der Kreis vollendet.

Neben diesem neuplatonisch-mystischen zeigt jedoch Eriugenas System zugleich einen logischen und zwar idealistischen Zug. Wie das Sehen weit mehr ist als das Gesehene, das Hören als das Gehörte, so existieren die Dinge in Wahrheit nur, insofern sie erkannt werden. Diese allgemeinen Gattungsbegriffe (Ideen) sind das einzig wahrhaft Reale, indem sie das Seiende aus sich heraus erzeugen. So leitete der Vater der Scholastik bereits den berühmten Universalienstreit ein, der die ganze mittelalterliche Philosophie durchzieht.

Werke[]

Zu den Werken des Johannes Eriugena gehören u.a.:

  • De divisione naturae (Über die Aufteilung der Natur; naturphilosophisches Hauptwerk). 1225 in Paris als ketzerisch verbrannt, wurde es 1681 neu herausgegeben [1]
  • De divina praedestinatione (Über die Lehre der göttlichen Vorherbestimmung, Prädestinationslehre).

Einfluss[]

So hoch Eriugenas Denken über dem seiner Zeitgenossen und nächsten Nachfolger stand oder vielleicht gerade um dieses Abstandes willen, gewann er keine unmittelbare und nachhaltige Bedeutung, wie denn überhaupt die karolingische Kultur rasch in Trümmer ging.

Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Johannes Scotus Eriugena: Über die Einteilung der Natur (Internet Archive). Übersetzung von Ludwig Noack in der Philosophischen Bibliothek, 3. Auflage, Meiner, Hamburg 1994, ISBN 3-7873-1176-9 (unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. von 1870).