![]() |
Als Kapitularien versteht man schriftliche Erlasse und Anordnungen, besonders aus der Karolingerzeit. Eine der berühmtesten Landgüterverordnungen aus diesem Bereich ist die Capitulare de villis vel curtis imperii von Karl dem Großen.
Beschreibung[]
Unter Pippin III. ist zuerst die Rede von distincta capitula subter inserta [1], unter Karl dem Großen im Jahr 779 von einem capitulare, das auf einer Reichsversammlung beschlossen wurde (Capit. Nr. 20). Seitdem ist es üblich, die in Einzelkapitel gegliederten karolingischen Verordnungen und Gesetze "Kapitularien" zu nennen, eine Bezeichnung, die von der neueren Forschung auf die fränkischen Einzelerlasse in weitem Umfang angewendet wird.
Wichtigere Kapitularien wurden oft auf einer Reichsversammlung beschlossen, andere vom König aus eigener Machtvollkommenheit allein erlassen. Ihre Normen beziehen sich auf die verschiedensten Verhältnisse, auf kirchliche und weltliche, auf Straf-, Privat- und Prozeßrecht, auf Staats- und Verwaltungsrecht.
Bestimmungen, die altes angestammtes Volksrecht aufheben, verändern oder erklären sollten, die demnach dauernde Geltung beanspruchten, begegnen ebenso wie auf der anderen Seite Normen, die nur vorübergehend eines oder mehrerer Beamten Verhalten regeln wollten. Die Vielfältigkeit der in den Kapitularien auftretenden Bestimmungen ist charakteristisch. Der große Reichtum, zugleich auch die Regellosigkeit des staatlichen Wirkens dieser Zeit tritt in ihnen besonders deutlich hervor.
Volks- u. Kirchenrechte[]
Der Staat versuchte das steigende Bedürfnis nach einer gesetzlichen Fixierung des Rechts auch in großzügiger Weise zu erfüllen, z.B. durch Aufzeichnung des ungeschriebenen Stammesrechts und durch Erneuerung älterer Kodifikationen (Leges, Volksrechte). Daneben aber ging eine Fortbildung des Rechts durch Erlaß zahlreicher Einzelvorschriften, eben der Kapitularien, einher. Dabei wurden Gesetze, Verordnungen, schlichte Verwaltungsnormen grundsätzlich nicht unterschieden.
Je nach den individuellen Bedürfnissen, je nach den Anregungen, die der Zentralstelle des Reiches und besonders dem Reichstag geboten wurden, wurden Normen zusammengestellt: im selben Kapitular erscheinen Verfügungen der verschiedensten Art. Sollte allerdings ein bestimmtes Volksrecht ergänzt oder berichtigt werden, dann wurden die betreffenden Bestimmungen in einem besonderen Kapitulare zusammengestellt.
Auch dann, wenn eine Reichsversammlung umfassende legislatorische und verwaltungsordnende Wirksamkeit entfaltet hatte, wurde die Menge verschiedenartiger Bestimmungen in mehrere Einzelkapitularien geteilt und gleichartige in besonderen Verordnungen zusammengestellt. So wurden begreiflicherweise die capitula ecclesiastica von den capitula mundana häufig gesondert, jedoch nicht immer. Die Bedeutung der Einzelbestimmungen blieb an sich gleich, ob sie in Gesellschaft gleichartiger oder verschiedenartiger Normen auftrat.
Reichsversammlung von 819[]
So wurden auch mitunter jene Normen in besonderer Verordnung zusammengefaßt, die sich auf die in den alten Gesetzen behandelten Themen bezogen. Als im Jahr 819 eine Reichsversammlung großen legislatorischen Stoff bewältigt hatte, wurden die auf kirchliche Verhältnisse bezogenen Vorschriften sodann quid in legibus mundanis addenda und quid in capitulis inserenda getrennt aufgezeichnet. Dementsprechend wurden besondere Kapitularien herausgegeben:
- 1. capitida proprie ad episcopos vel ad ordines quosque ecclesiasticos pertinentia (Capit. Nr. 138)
- 2. capitula quae legibus addenda sunt (C. 139);
- 3. capitula quae per se scribenda sunt (C. 140);
- 4. capitula praecipue ad legationem missorum pertinentia (C. 141).
Im Jahre 819 war diese Gruppierung als eine äußerlich, technische gedacht, die capitula legibus addenda und per se scribenda wurden nach Entstehungsweise und Geltungskraft als durchaus gleichwertig behandelt. So ist allgemein zu betonen: diese Gegenüberstellung und Sonderung erfolgte nicht, weil bei der Entstehung der einzelnen Kapitularien verschiedene Mächte verfassungsmäßig zu entscheiden hatten, auch nicht, weil die Geltungsdauer der Bestimmungen verschieden war, sondern lediglich deshalb, weil das äußerliche Bedürfnis einer Gruppierung des Gesetzes- und Verordnungsstoffes befriedigt werden sollte.
Einteilung der weltlichen Kapitularien[]
Die Einteilung der weltlichen Kapitularien in drei Gruppen:
- capitula legibus addenda
- capitula per se scribenda
- capitida missorum
... rührt von Alfred Boretius her. Sie ist allerdings nur in dem oben beschränkten Sinn zutreffend. Boretius vertrat die Ansicht, daß
- die capitula legibus addenda Gesetze seien, grundsätzlich unter Zustimmung des Volkes der Hundertschaft entstanden und von dauernder Geltung wie die alten Volksrechte selbst, während...
- die capitula per se scribenda ohne Volkszustimmung entstanden seien und deshalb der höchsten Bürgschaft, der Dauer entbehrten, während ferner...
- die capitida missorum als Beamteninstruktionen nur transitorische Bedeutung besaßen.
Allerdings wurde diese Ansicht von anderen Forschern (u.a. von Dr. Gerhard Seeliger, Professor an der Universität Leipzig) als unhaltbar und irreführend harsch kritisiert. Irreführend insbesondere schien ihnen die Verwendung dieser Dreiteilung dann zu sein, wenn aus der Gesellschaft, in der eine Bestimmung auftritt, irgendwie auf ihre Rechtskraft geschlossen wird. Die bunte Regellosigkeit des karolingischen Gesetz- und Verordnungswesens muß vielmehr als ein überaus charakteristisches Merkmal der fränkischen Staatstätigkeit gelten (siehe auch Gesetzgebung). [2]
Verwandte Themen[]
Quellen[]
- Ausgabe Monumenta Germaniae Historica: Abteilung Leges. Sect. II: Capitularia regum Francorum. ed. A. Boretius, 1883.
- Deutsche Verfassungsgeschichte. George Waitz. Band 3. Berlin 1880-96. S. 599 ff. Band 4, S. 82 ff.
- Die Kapitularien der Karolinger. Gerhard Seeliger. Hrsg. Lindauer, 1893.
- Die Könige der Germanen: Das Wesen des ältesten Königthums der germanischen Stämme und seine Geschichte bis auf die Feudalzeit. Felix Dahn, Friedel Dahn. Hrsg. Fleischmann, 1871.
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 3. Von Johannes Hoops, 1918—1919. S. 14.
Einzelnachweise[]
- ↑ Monumenta Germaniae Historica. Capitularia regum Francorum. I, Nr. 14 vom Jahre 755. Herausgegeben von Alfred Boretius, 1883. Nachdruck 1984. ISBN 3-7752-5057-3.
- ↑ Beiträge zur Kapitularienkritik. A. Boretius. Leipzig, 1874.