Das Kirchengericht bzw. die Kirchliche Gerichtsbarkeit umfasst sowohl die Gerichtsbarkeit des Klerus in weltlichen Sachen als auch die Gerichtsbarkeit von Klerus und Laien in rein geistlichen Sachen.
Beschreibung[]
Bereits im Römischen Reich gewährt der Staat der Kirche in Kriminalsachen gewisse Privilegien hinsichtlich des Gerichtsstandes der Bischöfe, und auch im Fränkischen Reich bestand eine Einschränkung der staatlichen Gerichtsbarkeit über den Klerus.
Gerichtsbarkeit in weltlichen Sachen[]
Die grundlegende Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche über diesen Punkt erfolgte schon unter den Merowingern; zuerst hinsichtlich der Bischöfe, dann hinsichtlich der Diakonen und Priester durch das Edikt Chlothars II. aus dem Jahre 614.
Dabei wurde der Kirche die Befugnis eingeräumt, diese Geistlichen, wenn sie eines weltlichen Verbrechens angeklagt waren, zunächst durch ein kirchliches Disziplinarverfahren ihres Amtes zu entheben, damit dann das weltliche Gericht einen seiner geistlichen Würde entkleideten Angeschuldigten verurteilen konnte.
Sonst blieb die Zuständigkeit des weltlichen Gerichts in allen vor das Grafengericht gehörigen Sachen gewahrt. Causae minores der Kleriker dagegen, insbesondere Schuldklagen, wurden dem bischöflichen Gericht überwiesen, das in diesen Angelegenheiten als öffentliches Gericht und daher in Beisein des Grafen oder Zentenars wirkte. Auch in der Karolingerzeit wurde noch an dieser Regelung allgemein festgehalten. Nur wurde angeordnet, dass bei Liegenschaftsstreitigkeiten zwischen Geistlichen dem weltlichen Gerichtsverfahren ein Sühneversuch vor dem Bischof voranging.
Gerichtsbarkeit in geistlichen Sachen[]
In allen rein geistlichen Angelegenheiten übte die Kirche ihre Straf- und Zuchtmittel vom Staat völlig unabhängig aus, und zwar sowohl über Geistliche wie über Laien. Gegen Ende der fränkischen Zeit kamen für diese Zwecke die sog. „Sendgerichte“ auf. Zugleich begann aber auch eine außerordentliche Ausdehnung der kirchlichen Disziplinar- und Strafgewalt über Laien platzzugreifen.
Sie führte dazu, dass in zahlreichen, bisher dem weltlichen Gericht unbestritten zugefallenen Sachen das geistliche Gericht zuständig wurde. Diese dem Kirchenrecht angehörige Materie fand ihre Regelung in den kirchlichen Rechtsquellen. Die große Ausdehnung der geistlichen Gerichtsbarkeit findet ihre Erklärung darin, dass in den Zeiten der staatlichen Auflösung das geistliche Gericht in höherem Maße als das staatliche Sicherheit des Verfahrens (wegen der Schriftlichkeit) und der Vollstreckung gewährte.
Angelsächsische Verhältnisse[]
Im Gegensatz zu den kontinentalen Verhältnissen, insbesondere im Fränkischen Reich, war den Angelsachsen ein eigenes, vom weltlichen getrenntes, geistliches Gericht unbekannt. Das geistliche Gericht wurde zeitlich und örtlich nicht vom weltlichen getrennt abgehalten, und neben dem Ealdorman führte der Bischof den Vorsitz.
Die Geistlichen wurden wegen aller weltlichen Missetaten und wegen vieler Amtsvergehen vor dem weltlichen Gericht abgeurteilt, und ebenso Weltliche in zahlreichen Sachen, die auf dem Festland schon damals und später auch in England das geistliche Forum begründeten (so z. B. bei Meineid, Ehesachen oder Zauberei). Freilich aber übte dabei der Bischof als Richter einen starken Einfluss aus.
Auch gegen geistliche Sünden drohte oft das weltliche Gesetz Strafen an, die dann vom weltlichen Gericht verhängt wurden. Die geistlichen Pönitenzen (Bußen) standen dagegen ausschließlich den geistlichen Behörden zur Verfügung. [1] [2]
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Quellen[]
- Brunner, Heinrich. Deutsche Rechtsgeschichte (Internet Archive). 2 Bände. Leipzig 1906 und 1892. Neuauflage Verlag BiblioBazaar, 2010. ISBN 1173128565, ISBN 9781173128562. Bd. I (2. Auflage), S. 311 ff.
- Hoops, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. III, S. 54 f.
- Schröder, Richard. Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte (Internet Archive). 5. Auflage. Leipzig : Veit, 1889. Neuauflage Forgotten Books (5. Januar 2019), ISBN 0260166790. S. 186 ff.
Einzelnachweise[]
- ↑ Stubbs, William. The Constitutional History of England in Its Origin and Development, Volume I (Internet Archive). Oxofrd : The Clarendon press, 1891. p. 293 f.
- ↑ Gneist, Rudolf. Englische Verfassungsgeschichte (Internet Archive). Berlin, 1882. S. 65 f.