Von der Zeit des germanischen Altertums bis zum Mittelalter gab man den stilistischen Unterschieden der Kunstwerke in den verschiedenen Zeiten diverse Namen, die insbesondere für die Bauwerke beherrschend wurden. Obwohl diese Einteilungen die absoluten Zeitperioden berücksichtigen, lassen sie allerdings das Stammliche und Relative meist unberücksichtigt.
Allgemeines[]
In der Baukunst unterscheidet man gewöhnlich die Gruppen: Altchristlich, Byzantinisch und Romanisch (Rundbogenstil); die letzte Bezeichnung haftet vorwiegend an den nordischen Bauwerken seit dem Ausgang des 10. Jhds. bis zum 13. und bedeutet die erste mittelalterliche Baurichtung an, die sich zu bemerkenswertester Selbständigkeit, Klarheit und Geschlossenheit entwickelte. Doch auch vor den mittelalterlichen Baustilen gab es in Europa zu verschiedenen Zeiten deutliche stilistische Unterschiede.
Unterscheidungen der Altertumskunde[]
Der deutsche Architekt und Hochschullehrer Albrecht Haupt (1852–1932) schlug deshalb folgende Unterscheidungen in nachfolgender Gruppierung vor:
- a) Altnordisch germanisch.
- b) Altchristlich-italienisch.
- c) Byzantinisch-orientalisch.
Altnordisch-germanisch[]
Als Altnordisch-germanisch bezeichnete A. Haupt die eigentümliche, auf die Holzschnitztechnik zurückzuführende Stilisierung der Kleinkunstwerke (Gräberfunde) während der mitteleuropäischen Eisenzeit (800 v.Chr. bis ca. 200 n.Chr.) vor der Völkerwanderungszeit (375/376-568). Dieser Stil stand den großen, weitverbreiteten Richtungen der Hallstattzeit (800-450 v. Chr.) und Latèneperiode (450 v.Chr. bis 15 n.Chr.) noch nahe oder bildete anfänglich sogar einen Teil von ihnen, dann jedoch wurde er selbständig und unterschied sich anhand von Kleinkunstwerken deutlich; später dann langsam durch südliche und insbesondere durch orientalische Einflüsse wurde dieser Stil beeinflußt und umgestaltet.
Altchristlich-italienisch[]
Als Altchristlich-italienisch definierte A. Haupt jene Stilrichtung, die auf der antiken römischen Kunst beruhte. Sie wurzelte in der altchristlichen Zeit und lebte bis tief in die Völkerwanderungszeit (375/376-568) weiter, wobei sie von Südeuropa ihren Einfluss auch nach Norden ausbreitete. Von neuem waren diese Stilrichtung besonders fühlbar zu der Zeit Karls des Großen (747-814 ) sowohl in der Architektur (z.B. in Lorsch, oder Aachen) wie auch in der Malerei (in Miniaturen, Mosaiken, Wandgemälden (z.B. im Kloster Reichenau)) und der Bildhauerei.
Byzantinisch-orientalisch[]
Als Byzantinisch-orientalisch Stilrichtung bezeichnete A. Haupt die Kunst, die vorwiegend von Griechenland aus den Okzident zur Völkerwanderungszeit (375/376-568) und später in einer umfassenden Weise beeinflusste. Ihre Quellen lagen in Kleinasien (Anatolien, Syrien, Mesopotamien, Armenien), und diese Kunst drang ihrerseits auch über Nordafrika bis nach Spanien und Südfrankreich. Lange bezeichnete man diesen Stil gern einfach als "byzantinisch", jedoch wurden später auch syrische Einflüsse zugegeben. Nach und nach kamen jedoch mehr und mehr das gesamte Kleinasien mit seinem Hinterland, und zum Teil selbst das koptische Ägypten hierfür in Betracht.
Die Ausläufer dieser Kunst reichten bis nach England und trugen sie überall hin, wo Bedürfnis nach baulichen und künstlerischen Taten war. Das Frankenreich der Merowingerzeit (5. Jh.-751) und das karolingische Reich (751-911) tragen davon ebenfalls deutliche Spuren. So wies z.B. der österreichische Kunsthistoriker Josef Strzygowski (1862–1941) darauf hin, dass die Vorbilder des Aachener Münsters in Armenien zu finden seien, nicht in Ravenna, wie man bisher annahm. Solche „byzantinische" Herkunft läßt sich z.B. noch an Michaelskirche Fulda an den Kapitellen erkennen.
Entwicklung[]
Völkerwanderungszeit[]
Als Völkerwanderungskunst bezeichnet man jene Kunst der Germanen, die sich zu dieser Zeit (375/376-568) langsam auf ihre eigenen Füße stellte und sich allmählich von den klassischen Vorbildern spätgriechisch-byzantinischer Ausprägung und auch vom Einfluss durch Konstantinopel als Hauptstadt des Oströmischen Reiches emanzipierte. Die Goldschmiedekunst waltet dabei, wenigstens in den Funden, so stark vor, dass Sophus Müller der ganzen Epoche den Namen der „Goldzeit“ hat beilegen wollen. [1]
Irische Ornamentik[]
Die Eigentümlichkeit und Eigenart der irischen Ornamentik in Skulptur und Miniaturmalerei (s. Insulare Malerei) ist weithin bekannt, inzwischen aber auch ihre Abhängigkeit gerade in den wertvollsten Zügen von angelsächsischem Vorbild. Diese stimmen im Wesen mit jener alt- und urnordischen Flechtband- und Tierornamentik durchaus über ein, die nichts Orientalisches hat, wohl aber später Europa bis nach Kleinasien beeinflußte.
Die germanische Kleinkunst während und nach der Völkerwanderungszeit gehört genau hierher; an ihr erscheint zugleich auch die echt nordische Kerbschnittornamentik (z.B. Kristallschnitt), eine reiner Holztechnik entstammende Flächenverzierung. Diese Kleinkunst ist bereits derart ausgebildet und differenziert, dass sich hochnordische, norddeutsche, angelsächsische, fränkische, merowingische, burgundische, alamannische, bajuvarische, langobardische und andere Herkunft an ihr gut unterscheiden läßt.
Frühmittelalter[]
Das Festhalten an der klassischen Stilrichtung führte auf dem Festland schon im 8. Jhd. geradezu zu einer Erneuerung der Antike („karolingische Renaissance“) und wirkte dann sogar wiederum bis nach Skandinavien hinauf. Doch ließ das Festhalten an der antiken Ornamentik in Mittel- und Südeuropa die Volkskunst und ihre Tierornamentik jahrhundertelang nicht zur freien Entfaltung kommen. Erst als der Kunststil der irischen Mönche in der Buchmalerei nach Deutschland übergriff, lebten die volkstümlicheren Elemente neu auf und ließen schließlich durch ihre Vereinigung mit den Errungenschaften der Hofkunst eine neuartige Formensprache, den romanischen Stil, erstehen. [2] [3]
Hochmittelalter[]
Das Hochmittelalters (10./11. Jhd. - ca. 1250) war die Hauptzeit der kulturellen Epoche der Romanik (950 bis 1250).
Spätmittelalter[]
Die Kunst und Ornamentik des Spätmittelalters (1250-1500) war geprägt von der kulturellen Epoche der Gotik (1130-1500), die seit dem 12. Jh. die Romanik (ca. 950-1250) abgelöst hatte. Im 13. und 14. Jh. bildeten Jagd- und Minnedarstellungen den Lieblingsgegenstand zur Verzierung verschiedenster Gerätschaften. [4] Der gotische Stil dauerte bis zum Ende des Spätmittelalters um 1500 an.
Baukunst[]
In der Ornamentik der Germanen, ihren Bauwerken und davon abhängiger kleinerer Kunstwerke finden sich bis zur Schwelle des Mittelalters deutlich erkennbare stilistische Unterschiede. All diese stilistischen Ausprägungen hängen von der älteren Holzbaukunst ab.
Während aber die ostgotische Formenbildung in den Anfängen stehen bleibt, und die Westgoten eine ausgebildete Flächenbehandlung in gekerbten, mehr kristallinischen Formen, als mathematisch-geometrische Linienführung üben, ziehen die Langobarden und ganz ähnlich die Franken ein sich in Schling- und Knotenwerk ergehendes Flächenornament vor (s. Flechtwerk). Angelsachsen und andere germanische Stämme dagegen bleiben einfacher und schmuckloser; behandeln ihre Einzelheiten meist in klarer, aus Zimmermannskunst und Drechslerei übernommener Technik. [5]
Germanische Holzbaukunst[]
- Siehe Hauptartikel: Holzbau
Zwischen den maßgebenden, mächtigen Strömungen der Fortbildung älterer südlicher und östlicher Kunst ist aber deutlich ein starkes Fortleben eigener alter Überlieferung bei den Germanen zu bemerken und in seinen Einflüssen von hoher Bedeutung. Die alte germanisch-nordische Holzbaukunst führte bei den germanischen Völkern auch im Süden - wenn auch vorwiegend im Privatbau - ein ungestörtes Weiterdasein und beeinflußte mit ihren Formen und ihrer Verzierung den langsam für wichtige Bauwerke maßgebend werdenden Steinbau. So ergibt sich die merkwürdige Tatsache, dass die germanische Kunst des 1. Jahrtausends, in ihren großen Grundzügen - wenn auuch von Italien nachher und von Osteuropa beeinflusst, im Formalen großenteils selbständig bleibt und sich einer zu klaren Stilerscheinung entwickelt.
Schweiz[]
Die Schweiz steht im Westen mehr unter burgundisch-fränkischem, im Osten und Süden unter langobardischem Einfluss. Höchst merkwürdig bleibt aber überall die Übereinstimmung der architektonischen Einzelbildungen der alten germanischen Steinbauten mit denen der nordischen Holzbaukunst, soweit man diese bis ins 11. Jhd. zurückverfolgen kann, und sogar bis in die mitteleuropäische Holzarchitektur des 17. Jhds. An den Resten der westgotischen Bauwerke in Spanien (wie z.B. in Mérida und Toledo) läßt sich das auf am deutlichsten ersehen.
Quellen[]
- Haupt, Albrecht. Die älteste Kunst, insbesondere die Baukunst der Germanen (Internet Archive). Leipzig, H.A.L. Degener-Verlag, 1909.
- Hefner-Alteneck, Jakob Heinrich von. Trachten, Kunstwerke und Geräthschaften vom frühen Mittelalter bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Internet Archive). Band 1-10 : nach gleichzeitigen Originalen. Frankfurt am Main : H. Keller, 1879.
- Hoops, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. IV, S. 288 ff.
- Mothes, Oskar. Die Baukunst des Mittelalters in Italien von der ersten Entwicklung bis zu ihrer höchsten Blüte (Internet Archive). Jena 1884. Neuauflage Nabu Press (1. Januar 2012). ISBN 1273684567. ISBN-13: 978-1273684562
- Salin, Bernhard. Altgermanische Tierornamentik (Internet Archive). Stockholm, 1904.
Einzelnachweise[]
- ↑ Hoops. RdgA. aaO. Bd. II, S. 275 (Goldschmiedekunst, § 28.)
- ↑ vgl. Otto v. Falke in Lehnert, Georg: Illustrierte Geschichte des Kunstgewerbes (Internet Archive). Berlin : M. Oldenbourg (1907-09). Bd. I, S. 217
- ↑ Hoops. RdgA. aaO. Bd. II, S. 267 f. (Goldschmiedekunst, § 17 f.)
- ↑ Hefner-Alteneck, Trachten, Kunstwerke. aaO. Bd. III, S. 12, Tafel 165
- ↑ Langobardische Plastik. E. A. Stückelberg. Zürich, 1896. ASIN: B0025XHRH4