Oberleder heißen im Gegensatz zu Sohlleder alle diejenigen Ledersorten, die zur Herstellung des oberen Teiles des Schuhwerks benutzt werden. Diese sind mehr oder weniger dünn, geschmeidig und weich und werden durch Lohgerbung hergestellt.
Beschreibung[]
Für die Herstellung von Oberleder verwendet man besonders leichte Rindshäute, die für diesen Zweck als Blößen oder im halbgaren Zustand gespalten werden, ferner Kipfe, Rosshäute und Kalbfelle. Aus diesen verschiedenen Rohhäuten stellt man eine Reihe von Oberledersorten her, die sich weniger durch die Gerbung als vielmehr durch die Zurichtung voneinander unterscheiden.
Vorarbeiten[]
Bei den Vorarbeiten der Oberledergerberei müssen die Häute und Felle beim Weichen und im Äscher genügend erweicht werden. Nach dem Enthaaren werden die Häute zur Entfernung der Unterhaut mit dem Schabmesser geschabt. In manchen Gerbereien ist es üblich, nach dem Enthaaren die Häute nochmals in einen frischgestellten Äscher (den sog. Schwelläscher) zu bringen. Nach dem Schaben werden die Häute auf der Narbenseite geglättet, gewässert und zur Entfernung des Kalkes gebeizt, dann gestrichen und zur Gerbung fertiggemacht.
Gerbung[]
Die Gerbung wird in einer Reihe von schwach sauren Farben (Gerbbrühen) begonnen, deren Gerbstoffgehalt allmählich steigt. Die Häute bzw. Felle werden entweder eingeworfen oder an Stangen in die Farben eingehängt. In der ersten sog. »Eintreibfarbe« verbleiben die Blößen 1-3 Tage und werden dort für eine gleichmäßige Angerbung mit Hilfe eines Haspelrades, Zieh- oder Treibbrettes bewegt. In den übrigen Farben werden die Häute entweder täglich ein- bis zweimal getrieben oder ebensooft aufgeschlagen. Nach der vierten oder fünften Farbe werden die Kalbfelle zur Entfernung der letzten Reste der Unterhaut auf dem Baum ausgestoßen; die Rindsleder werden im gleichen Stadium gefalzt oder gespalten. Man macht die Häute bzw. Felle hierauf in den Farben vollständig gar oder schließt noch ein Versenk und einen Satz oder lediglich ein Versenk an.
Reinigung und Fetten[]
Nach erfolgter Gerbung werden die Leder von der anhaftenden Lohe befreit und sorgfältig ausgewaschen (»windieren«), was entweder im Walkfass oder auf der Tafel erfolgt. Das gare Oberleder wird auf der Fleischseite ausgestoßen, auf der Narbenseite geglättet, getrocknet oder gepresst. Bis zum Einfetten wird die Zurichtung genau wie beim Zeugleder und Blankleder ausgeführt. Das Einfetten (»Schmieren«) erfolgt entweder in derselben Weise wie beim Zeugleder durch Auftragen des Fettes auf die Fleischseite des halbfeuchten (»windtrockenen«, »abgelüfteten«) Leders oder bei denjenigen Ledersorten, die nicht geschwärzt oder anderswie gefärbt werden sollen, durch Einwalken des Fettes. Zum Schmieren verwendet man vorzugsweise Talg, Fischtran und Degras; in manchen Gerbereien benutzt man anteilig Mineralfette (Vaseline, Vaselinöle), Wollfett (besonders die gereinigten Neutralwollfette) und zuweilen Pflanzenfette.
Zurichtung[]
Nach dem Schmieren ist die Zurichtung der verschiedenen Oberleder je nach Art verschieden; dabei unterscheidet man in:
- Braunes Oberleder (Schmal-, Fahlleder) - Dieses besteht aus Rindshäuten, Kipsen und Kalbfellen und wird bei der Verwendung mit der Fleischseite nach außen getragen. Hierzu verwendet man auch narbenbeschädigtes Hautmaterial.
- braune d.h. naturfarbige Rindsleder nennt man Schmal- oder Fahlleder,
- Kalbfelle nennt man braune Kalbfelle oder Wichskalbfelle,
- Schwarzes Oberleder - Bei diesem ist die Narbenseite geschwärzt; es besteht aus möglichst narbenreiner Rohware. Man trennt hierbei wieder in genärbtes und glattes oder satiniertes Leder,
- schwarz gewichstes Leder - bei diesem ist die Fleischseite geschwärzt (gewichst).
Braunes Oberleder[]
Bei braunem Oberleder (Schmal-, Fahlleder) werden die Häute in dem Kalkäscher, der Erdfarbe und Lohgrube gar gemacht [1]. Nach dem Gerb- und Schmierprozess wird das getrocknete Leder schwach angefeuchtet, zur Entfernung des nicht eingezogenen Fettes auf der Narben- und Fleischseite gestoßen (degrassiert) und dann blanchiert. Auf die Fleischseite wird zur Erzielung eines hohen Grades von Glätte Seifenschmiere (eine Emulsion von Talg, Tran und Seife in Wasser) aufgetragen; nach dem Eintrocknen werden die Leder gekrispelt, pantoffelt und unter sich gezogen, an den Rändern beschnitten, auf der Fleischseite mit Talk eingerieben und schließlich noch geglast.
Schwarzes Oberleder[]
Das schwarze Oberleder wird meist nach dem Schmieren geschwärzt und nochmals mit Talg und Degras oder reinem Tran auf der Narbenseite gefettet. Soll das Leder einen Chagrin erhalten, so wird das Chagrinieren nach dem Schwärzen und Trocknen ausgeführt, zuweilen auch vor dem Schwärzen. Genarbtes bzw. chagriniertes Leder wird nach dem zweiten Fetten im trockenen Zustand degrassiert, blanchiert, gekrispelt, aufpantoffelt, beschnitten, auf der Narbenseite mit einem Glanz versehen und schließlich geglast.
Beim Schwärzen wird die Narbenseite zunächst mit einer Blauholzabkochung und etwas Soda grundiert, dann mit einer Eisensalzlösung (Schwärze), wie Eisenvitriollösung, holzessigsaures Eisen, Bierschwärze (s. Lederfärberei) oder dergleichen bestrichen und anschließend die Narbenseite mit Fischtran ausgerieben.
Soll bei dem schwarzen Leder der Narben glatt aufliegen, was besonders bei gewissen Kalbledersorten, die man als glatte oder plattierte Kalbleder bezeichnet, erwünscht ist, so darf der Narben durch Krispeln nicht aufgekraust, sondern muss beim Stoßen glatt niedergelegt werden. Bei einer andern Ledersorte, die unter dem Namen „satinierte Kalbfelle“ hergestellt wird, muss nach dem ersten Schmieren und Trocknen der Narben in seiner halben Stärke vorsichtig mit Hilfe eines Blanchiereisens abgezogen werden. Das Schwärzen und die weitere Zurichtung erfolgt in der beschriebenen Weise.
Das schwarze Leder wird glänzend gemacht, indem es vor dem Körnen mit Saft von Schlehdorn und nach dem Körnen mit einer Brühe aus gekochtem Gummi, Knoblauch, Bier, Weinessig und Leim bestrichen wird. Es heißt dann „Glanzleder“. [2]
Gewichstes Leder[]
Als „gewichste Leder“, speziell gewichste Kalbfelle, bezeichnet man Leder, die auf der Fleischseite geschwärzt (gewichst) sind. Man verwendet dazu ebenso, wie zur Herstellung der braunen Leder (Wichskalbfelle), möglichst schnittfreie Ware. Die Gerbung und Zurichtung erfolgt im wesentlichen in derselben Weise wie beim braunen Oberleder. Nach dem Blanchieren und Krispeln werden die Leder gewichst, d.h. auf der Narbenseite mit einer Mischung aus Ruß und Fett geschwärzt und schließlich mit einer Mischung aus Leim und Fett behandelt.
Die dazu erforderliche Wichse erhält man durch Verreiben von Kienruß, Leinöl, Tran, Talg und Bierschwärze zu einer homogenen Masse. Sie wird mit Hilfe einer Bürste auf die Fleischseite aufgetragen und gleichmäßig verteilt. Nach mehreren Tagen werden die Felle geglänzt (Leimglanz), getrocknet und mit dem Glase geglast. Derartig eingefettetes Leder ist gewissermaßen zweimal gegerbt, es ist lohgar und zugleich sämischgar.
Sonderfälle[]
Eine Spezialität von Oberleder sind die sogenannten Haarkalbfelle, welche, mit den Haaren gegerbt, zur Herstellung von warmem Schuhwerk verwendet werden.
Rossleder[]
Die Herstellung des als Oberleder eine bedeutende Rolle spielenden Rossleders ist etwas abweichend im Verfahren. Gewöhnlich erfolgt die Verarbeitung der Rossschilder (Rückenteil) und der Rosshälfe (Hals- und Seitenteile) getrennt. Nach dem Äschern wird der Spiegel, der einer längeren Äscherung bedarf, herausgeschnitten und nochmals auf mehrere Tage in den Äscher zurückgebracht; sehr häufig verwendet man bei Rossleder zur Haarlockerung auch die Schwefelnatriumschwöde. Die Reinmachearbeiten werden sehr sorgfältig ausgeführt.
Die Gerbung erfolgt in ähnlicher Weise wie beim Rindsoberleder in einer Reihe von Farben und in einem Versenk, woran sich meist noch ein Satz anschließt. Wurde der Spiegel am Hinterteil nicht bereits nach dem Äscher herausgeschnitten, so erfolgt dies nach den Farben. Die Spiegel werden für sich weitergegerbt und erfordern bis zur Gare eine etwas längere Zeit als die übrigen Teile. Nach vollendeter Gerbung werden die einzelnen Teile für den Zweck ihrer Verwendung (in die einzelnen Schuhteile) ausgeschnitten und jeder einzelne Teil wird seiner Verwendung entsprechend zugerichtet.
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Quellen[]
- Lueger, Otto. Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften (auf Zeno.Org). Stuttgart, Leipzig 1906. Bd. 6, S. 82-108. (Leder)
- Meyers Großes Konversations-Lexikon (auf Zeno.Org). 6. Auflage. Leipzig, 1905-1909. Bd. 12, S. 307-313 (Leder).
- Pierer's Universal-Lexikon (auf Zeno.Org). 4. Auflage 1857-1865. Altenburg, 1860.