Patrizier (lat. Patricius) war ursprünglich ein Ehrentitel im Römischen Reich, den jene reichen, mächtigen, von edler Abkunft herstammenden Familien trugen, aus deren Gliedern die höchsten Beamten des Staats gewählt wurden.
Auch im Heiligen Römischen Reich, besonders in den freien Reichsstädten, bildeten sich im 12. und 13. Jh. Patrizierfamilien von adeliger Abkunft, denen das Recht zustand, die höchsten obrigkeitlichen Ämter zu verwalten. [1]
Beschreibung[]
Im alten Römischen Reich waren die Patrizier (lat. patricii) ursprünglich die Nachkommen der Senatoren (lat. patres) und als Freigeborne die einzigen Bürger (cives), aus denen bis 366 v.Chr. die Senatoren auch wieder ernannt wurden. Als nach der Servianischen Verfassung (578-534 v.Chr.) auch die Plebejer das Bürgerrecht bekamen, hießen diese Neubürger, die Patricii aber bildeten nun als Altbürger einen besonderen Stand (Ordo), den des Erbadels. Später ging der Name auch auf den Verdienstadel, die Nobilität über, indem die Begleitung der hohen Staatsämter zum Eintritt in den Senat berechtigte.
Römisches Kaiserreich[]
Seit Konstantin dem Großen (306–337) wurden Patricii im römischen Reich ernannt. Das Patriziat war ein Ehrentitel, gewährte aber keine bestimmten Amtsbefugnisse, es gewährte nur dem Inhaber äußerlich den höchsten Rang in der Beamtenhierarchie. So fungierten sie als die höchsten Beamteten und kaiserlichen Räte mit dem Rang direkt nach dem Kaiser. Die römischen Heermeister Flavius Stilicho (um 362-408), Flavius Aëtius (ca. 390-454) und Flavius Ricimer (um 405-472) führten diesen Titel genau wie der römische Feldherr Orestes (um 430–476).
Doch auch an ausländische Fürsten wurde der Titel Patricius verliehen, so z.B. an die germanischen Machthaber Odoaker (um 433-493) und Theoderich den Großen (474-526), um sie wenigstens lose in amtliche Beziehungen zum römischen Kaisertum zu bringen. Nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reichs waren die Exarchen von Ravenna, die kaiserlichen Statthalter für Italien, später auch die Duces von Rom zugleich Patricii.
Frühmittelalter[]
Von römischen Verhältnissen nahmen auch die Patrizier des Mittelalters ihren Ausgang: die Dehnbarkeit des römischen Patriziats gestattete die mannigfachste Ausbildung und eine grundverschiedene Stellung der mittelalterlichen Patricii.
Im Merowingerreich (5. Jh.-751) führten gelegentlich hohe Beamte verschiedener Kategorie, und zwar Provinzialbeamte und Majordome, den Patriciustitel. Bestimmte amtliche Befugnisse hatte indessen nur der Patricius Burgundiae, der, wie es scheint, eine obere Militärgewalt im ganzen burgundischen Teilreich ausübte, feste Amtsgewalt hatte sodann der Patricius Provinciae. In der Provence nämlich hatten die Merowinger eine Statthalterschaft eigener Art eingerichtet: über das ganze etwa 20 Gaue umfassende Gebiet wurde ein Patricius gestellt, den nicht Grafen in den einzelnen Teilbezirken der Provinz, wie den Herzog, den Vorsteher anderer merowingischer Provinzen, sondern Vicedomini unterstützten. Die Grafen hatten trotz gewisser Unterordnung unter dem Herzog als unmittelbare Königsbeamte zu gelten, die Vicedomini dagegen waren lediglich Organe des Patricius, der die Stellung eines Vizekönigs innehatte.
8. Jahrhundert[]
Unter den Karolingern und später war der Patricius der Titel eines hohen Beamten, welchem auch die Oberherrschaft über Rom und dessen Gebiet und der Schutz des Papstes oblag. Die Kaiser selbst führten den Titel „Patricius“. Als z.B. Papst Stephan im Jahre 754 den Frankenkönig Pippin dem Jüngeren salbte, übertrug er ihm zugleich die Würde des Patricius und damit die Statthalterschaft zu Rom und die Schirmvogtei der römischen Kirche.
Auch Karl der Große nahm nach der Eroberung des langobardischen Reiches und nach einer Auseinandersetzung mit der Kurie 774 den Patriciustitel an. Zwar besaß der römische Stuhl eigentlich überhaupt kein Recht zur Verleihung des Patriziats, und es sollte auch kein staatsrechtlich klar umgrenztes Amt damit übertragen werden, aber zweiffellos dachte man 754 und 774 an die Rechte des kaiserlichen Stellvertreters in Italien, an Schutzrechte und Schutzpflichten der weltlichen Macht in Mittelitalien. Deshalb musste der Patriciustitel Karls auch wieder verschwinden, als ihm am 25. Dezember 800 die Kaiserkrone aufgesetzt wurde.
10. Jahrhundert[]
Im 10. Jhd. bildete sich die Ansicht, dass die weltliche Herrschaft über Rom auf dem Patriziat beruhte. So wurde Markgraf Alberich I. von Spoleto (um 889-925) von Zeitgenossen patricius genannt, und so konnten Geschichtschreiber auch den Ottonen neben der Kaiserwürde als das Patriziat etwas Selbständiges zuschreiben, welches tatsächlich nicht verliehen oder angenommen worden war. Otto III. (HRR) (983-1002) aber ernannte in Rom einen Patricius als Helfer und stellvertretenden Richter, investierte ihn mit Mantel und Fingerring, überreichte ihm eine Ernennungsurkunde und setzte ihm den goldenen Reifen aufs Haupt.
Hochmittelalter[]
11. Jahrhundert[]
Im 11. Jhd. wurde das Patriziat als weltliche Herrschaft über Rom aufgefasst, ohne dass man dabei an kaiserliches Beamtentum dachte: es galt als Rechtsgrundlage der jeweiligen Adelsherrschaft. Deshalb ließ Heinrich III. (1039–1056) nach seiner Kaiserkrönung sich das Patriziat vom römischen Volk besonders verleihen und legte den Stirnreifen an. An Heinrich IV. aber sandten die Römer 1061 die Insignien des Patriziats, und zu Basel erfolgte die feierliche Annahme der Würde.
Mit den Erinnerungen an das Patriziat der Karolinger auf der einen Seite, und den Vorstellungen von bestimmten stadtherrlichen Gerechtsamen auf der anderen Seite ist das Schwanken und vielfacher Widerspruch in den Äußerungen über das römische Patriziat des 11. Jhds. durchaus begreiflich. Aber zwei verschiedene Patriziate, ein königliches und ein städtisches, existierten im 11. Jhd. nicht selbständig gleichzeitig nebeneinander.
Weil die Meinungen des 11. Jhds. über das Verhältnis der beiden obersten Gewalten, des Kaisers und des Papstes, zur römischen Stadtherrschaft auseinandergingen, und weil auch für das römische Volk mitunter der maßgebende Einfluss beansprucht wurde, liegen widerspruchsvolle Äußerungen über die Einwirkung des Kaisers, des Papstes oder des römischen Volks auf das Patriziat vor. Deshalb konnten die einen meinen, dass der Kaiser die Verfügung über das Patriziat habe bzw. dass es im Kaisertum enthalten sei, während andere dem Papst oder dem römischen Volk ein freies Verfügungsrecht zusprachen.
Da eine Einwirkung des jeweiligen Inhabers der Stadtherrschaft auf die Papstwahl einerseits beansprucht, andererseits geleugnet wurde, durfte der Patricius diesen Einfluss verlangen. Gleichzeitig glaubte die Gegenpartei diesen Einfluss verwerfen zu dürfen.
12. Jahrhundert[]
Im 12. Jh. verlor das Patriziat dann seine eigentliche Bedeutung, doch erhielt sich der Titel. So waren im 12. und 13. Jh. die Patrizier die angesehensten und einflussreichsten Familien in den deutschen Reichsstädten und der Schweiz, wo bis zum Ende des 19. Jhds. noch alte vornehme bürgerliche Geschlechter so genannt werden; daher der Begriff 'Patrizieradel' so viel wie 'Städteadel' bedeutete.
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Quellen[]
- Deutsche Verfassungsgeschichte (Internet Archive). George Waitz. 8 Bände. 1.-3. Aufl. Berlin 1878-96. Bd. II b, S. 49 ff.; Bd. III, S. 85 f., 189; Bd. VI, S. 252 ff.
- Herders Conversations-Lexikon (auf Zeno.Org). 1. Auflage. Freiburg im Breisgau 1854–1857. Bd. IV, S. 474 (Patricier).
- Pierer's Universal-Lexikon (auf Zeno.Org). 4. Auflage 1857-1865. Altenburg, 1860. Bd. 12, S. 748 (Patricier).
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. III, S. 396 f.
Einzelnachweise[]
- ↑ Damen Conversations Lexikon (Zeno.org). [o.O.] 1837. Band 8, S. 123-124 (Patrizier).