Mittelalter Wiki
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Als Römische Provinzialkultur bezeichnet man einen besonderen eisenzeitlichen Formenstil, der sich in Mittel- und Westeuropa unter unter dem Einfluss der politischen Oberherrschaft des Römischen Reiches und der engen wirtschaftlichen Beziehungen mit Italien herausbildete.

Allgemeines[]

Die Formengebung der Römischen Provinzialkultur lässt sich gut aus den Bodenfunden ablesen. So enthielten z.B. die in der Umgebung von Worms aufgedeckten Nekropolen aus der römischen Kaiserzeit als Grabbeigaben Gefäße aus Terra Sigillata, Krüge und Becher aus Ton, Glasgefäße, Schnüre aus Glasperlen, Spazierstöcke u. dgl. Die gefundene Bekleidung bestand aus gröbern und feineren Leinwandgeweben (s.a. Kleidung der Römischen Kaiserzeit).

Innerhalb des Fundgebietes der römischen Provinzialkultur liegt unmittelbar an der römischen Grenze ein breiter Gürtel, der nordöstlich etwa durch den Teutoburger Wald, den Thüringer, den Frankenwald und eine durch Böhmen ziehende Linie begrenzt wird, in dem vergleichsweise wenig römische Funde zutage traten.

Die große Masse der römisch beeinflussten germanischen Grabfunde gehört den nördlichen Ländern (Norddeutschland und Skandinavien) an, und speziell für die reichsten Römerfunde ist Dänemark das klassische Land. Diese Römerfunde beruhen nur zum kleineren Teil auf Siegesbeute oder auf Ehrengaben (so z.B. wohl die goldenen Medaillen der späteren Kaiserzeit), zum größten Teil aber auf festen Handelsverbindungen.

Periodeneinteilung[]

In den germanischen Gebieten Mittel- und Nordeuropas zeigte sich unmittelbar nach der dauernden Okkupation von Rhein und Donau durch die Römer eine derartige Umgestaltung in der Ausstattung der Gräber und der Formengestaltung der Geräte, dass Forscher diese Periode von ca. 50 bis etwa 400 n. Chr. als römische" bezeichnen, umgangssprachlich auch Römerzeit genannt.

Dabei sind die Masse der Produkte einheimische Fabrikate und ihre Formengebung wurzelt in der vorausgehenden, unter gallischem Einfluss stehenden sogenannten Latèneperiode. Eine weitere allgemeine Umwandlung tritt um das Jahr 200 n. Chr. ein, in starker Abhängigkeit von der germanischen (gotischen) Südost-Völkerwanderung, so dass sich die Zeit des römischen Einflusses auf zwei Gruppen von Altertümern verteilt; in diesem Sinne werden die Ausdrücke „früherer“ und „späterer Abschnitt“ der römischen Eisenzeit verstanden.

Handel[]

Schon der Export des 1. Jhs. wurde durch einen geregelten Handelsverkehr beschafft, dessen Hauptweg direkt auf Italien weist, indem Aquileja als Hauptausgangspunkt eines Nordhandels erscheint, der über Carnuntum zur Weichsel ging. Aus dieser Zeit findet sich archäologisch nirgends eine solche Mischung einheimischer, (hier gallischer) und frühkaiserzeitlicher römischer Erzeugnisse wie in Böhmen. Auch am Ende des 2. Jhs. stellen sich die römisch-germanischen Beziehungen als Folge der Markomannenkriege (166-180 n.Chr.) am intensivsten im Osten dar.

Wie sich die Fabrikation von Italien allmählich in die Provinzen zog, so verschob sich auch der Handelsverkehr, und im jüngeren Abschnitt der Römerzeit herrschte durchaus ein gallisch-niedergermanischer Export, dessen Weg anscheinend in Richtung Meer ging. Als dessen Ausgangspunkte wurde die Rheinmündung, speziell Domburg und Vechten oberhalb von Utrecht (Fectio) wahrscheinlich gemacht.

Einfluss der römischen Industrie[]

Der Handel berührte sich zeitlich mit einem von Südosten (Südrussland) kommendem Kulturstrom, dessen Urheber die Goten waren. Neben den Fabrikaten, die in den Funden entgegentreten (Metall-, Glas-, Tongefäße), spielte besonders der Wein seine Rolle; stellt doch die Mehrzahl der Gegenstände Trinkservice dar. Wieweit die eingeführten Gegenstände die einheimische Gewerbetätigkeit beeinflussten, war bei den einzelnen Gruppen aber durchaus verschieden.

Den Eindruck der überlegenen römischen Kultur bezeugen dabei weniger die Nachbildung einzelner römischer Motive (wie z.B. ein gestickter Delphin auf einem Ledergehenk aus dem Vimoser Moorfund oder das Nachstammeln römischer Figurensprache (z.B. die Schmuckscheibe aus dem Thorsberger Moor), als die Stilisierung, welche die eigenen Produkte (Nadeln, Fibeln, Trinkbecher usw.) annehmen. Die Fabrikate zeigen eine Neigung zu einem sehr feinen, klassisch anmutenden Profil; daneben kommt eine besondere Technik bei Filigran- und gekörnten Arbeiten von ungemeiner Zierlichkeit auf, deren Muster man allerdings nicht nachweisen kann.

Grabbräuche[]

Die römische Einwirkung zeigte sich auch bei der Totenbestattung und den Grabbeigaben. Dazu zählt z.B. die Ausstattung der Gräber mit Speisengeräten, welche in Jütland, Fünen usw. schon zu Beginn der römischen Periode üblich war; deutlicher wird es im späteren Abschnitt der Römischen Eisenzeit, wo weit verbreitet die Skelettgräber mit ihrem reichen Inhalt an „Römerfunden" auftauchen. Die alte Annahme, dass es sich dabei um die Gräber römischer Kaufleute handelt, wurde mit der zahlenmäßigen Zunahme allgemein aufgegeben. Doch wirkte beim Übergang vom älteren Leichenbrand zur Beerdigung in Körpergräbern wenigstens seit der Mitte des 3. Jhs. das römische Beispiel stark mit. Auch die Beigabe von Münzen als Grabgut geht darauf zurück. [1]

Archäologische Funde[]

Als Einzelstücke kamen unter den archäologischen Funden der römischen Provinzialkultur (zum Teil allerdings aus unsicheren Funden) zutage: Spiegel, Tonmasken und andere Tonfiguren, Skarabäus, Tonlampen, Gemmen, Wagen, Würfel und Astragalen. Spielsteine aus Horn und Glas sind bereits aus dem älteren Abschnitt der römischen Eisenzeit bekannt; später werden sie häufiger und finden sich besonders auf Seeland und in Mecklenburg, Beinnadeln und Beingriffel sind ebenfalls nur in Böhmen zahlreicher, Dreifüße und Tische aus Bronze stammen u.a. aus Hildesheim und Sackrau.

Waffen und Rüstungen[]

Waffen römischen Ursprungs gehören zu den größten Seltenheiten in Mittel- und Nordeuropa. Nur einige Schwerter mit den Stempeln römischer Fabrikanten aus dem Funden des Nydammoors (RICCIM), in Norwegen (RAVNICI?), in Schweden (MARCIM) und im Reichersdorfer Gräberfeld (Grabice (Gubin), NATALISM.) [2], auch ein prächtiges tauschiertes Ortband sowie ein reich verziertes Schwert in der Art des sogenannten Tiberiusschwertes aus dem Grab von Møllerup in Jütland um ca. 200 sind daher zu rechnen. Einen prachtvollen Helm ergab ebenfalls das Nydammoor (Bild); einen älteren (fragmentarisch erhalten) das Hagenower Grabfeld in Mecklenburg, Bruchstücke das Gießener Gräberfeld.

Schmucksachen[]

Schmucksachen, wie Gewandnadeln oder Fingerringe, bildeten zu keiner Zeit einen nennenswerten Ausfuhrartikel. Die als chronologischer Wertmesser so wichtigen Fibeln stelten sich zumeist als einheimische Weiterbildungen des gallischen (Latène-) Schemas heraus; versprengte Stücke der Provinzialindustrie, darunter besonders häufig der eigentümliche Typ der „Aucissafibel", finden sich aber schon in der früheren Römerzeit mehrfach; und später wurden die Scheibenfibeln in größerem Umfang eingeführt, so dass sie auch die einheimische Formengebung beeinflusst haben. Fingerringe (mit Intaglio in Karneol, Gemmen, Glaspasten) finden sich aus der frühen Römerzeit fast nur in Böhmen.

Metallgefäße[]

Die große Masse des italischen Exportes nach Nordeuropa bestand aus Metallgefäßen, welche besonders als Tafelgerät dienten. Einige dieser Funde waren Ehrengeschenke, doch kam die Mehrzahl als Handelsware nach Mittel- und Nordeuropa. Silber war selten. Umso bedeutender ist deshalb z.B. der große Hildesheimer Silberschatz, der zwar aus sehr verschiedenartigen Bestandteilen zusammengesetzt ist, aber im Wesentlichen ein Tafelservice darstellt und auch wohl eher als Tafelsilber eines reichen Römers als als Händlergut aufzufassen ist. Als Exportstätte der Bronzegefäße der älteren römischen Eisenzeit (0-200 n. Chr.) darf Capua (Provinz Caserta, Italien) angesehen werden; die entsprechenden Funde von Pompeji ergeben dabei eine sichere Datierung.

Glasgefäße[]

Glasgefäße des älteren Abschnittes der Römischen Eisenzeit (0 bis 200 n. Chr.) gehören zu den größten Seltenheiten unter den Funden der Römischen Provinzialkultur. Bekannt sind Beispiele aus Cölpin (Pommern) und Espe Sogn (Fünen, Dänemark) (Bild), zwei Schalen, blau mit weißem Flammenmuster von außerordentlicher Schönheit, aus Juellinge (Lolland) und Sojvide (Gotland).

Im späteren Abschnitt der Römischen Eisenzeit (ca. 200-400 n. Chr.) erscheinen Glasgefäße dann massenweise und gehören in den reichen Skelettgräbern dieser Periode zur regelmäßigen Ausstattung. Es sind Schalen und Becher, aber auch Trinkhörner; zum Teil in Millefioritechnik, mit Malerei, aufgelegten Fäden, Rippen, eingeschliffenen Mustern usw. versehen. Sie gehören zu den schönsten Exemplaren an Glasgefäßen, welche überhaupt erhalten sind. Zusammen mit den Glasgefäßen kommen die Glasperlen in kaum übersehbarer Zahl und Formenreichtum, besonders in der spätrömischen Skelettgrabgruppe, vor.

Keramik[]

Einfache („tongrundige") Tongefäße gehörten nicht zu den regelmäßigen Exportgegenständen und sind daher außerordentlich selten. An italischen Importwaren aus Sigillata fehlt es während der frühen Römerzeit in Mittel- und Nordeuropa ganz. Reichlicher und anscheinend auf demselben Wege wie die Hemmoorer Eimer und die Glasgefäße eingeführt finden sich erst die späteren (mittelgallischen) Fabrikate der Zeit von 150 bis 250 n. Chr.

Die Einwirkung römischer Keramik auf die germanische tritt in der jüngeren Römischen Eisenzeit (0-200 n. Chr.) deutlich hervor, so z.B. an einer Gruppe weitwandiger Schalen mit schmalem Fuß. Es mögen hier auch Metallgefäße mitgewirkt haben. Der römische Einfluss findet sich außerdem an Henkelkrügen; besonders in Nordthüringen nachweisbar ist eine Nachbildung der Buccherogefäße. Ebenso dürften die mit den Schalen gleichstufigen „Warzengefäße" unmittelbar auf römische Muster zurückgehen. In diesen Fällen führte der römische Einfluss zur Bildung einheimischer Typen. Vereinzelt treten auch Nachahmungen römischer Produkte auf.

Stärker noch als durch Tongefäße ist der Einfluss, den die germanische Keramik durch Metall- und Glasgefäße erfuhr. So kann man z.B. den Aufschwung der Keramik im 1. Jhd., besonders in Nordeuropa, auf die Bildung durch klassische Muster zurückführen. Schon die „vorrömischen" Bronzekessel fanden in Böhmen ihre Nachahmung in Ton. An Einzelheiten, wie z.B. an der Bildung der Horizontalgriffe und Henkel dänischer Tongefäße oder am gelegentlich abgedrehten Boden äußert sich schon in der frühen Römerzeit der Einfluss eingeführter Gefäße; in der späteren machen sich Motive der Glasgefäße und auch die Formengebung der Sigillataschalen geltend.

Statuetten[]

Kleine Bronzefiguren römischer Arbeit waren weit verbreitet, mit wenigen Ausnahmen (z.B. in Marren im Landkreis Cloppenburg, Schatzfund des 4. Jhs.) als Einzelfunde; über die Bedeutung, welche sie für die germanische Bevölkerung hatten, lässt sich kaum etwas sagen. Für die Annahme, dass die Germanen in den römischen Götterdarstellungen ihre eigenen Götter gesehen hätten, spricht wenig.

Im Wesentlichen gehören diese Statuetten der späteren Kaiserzeit und dem jüngeren Abschnitt an und mögen, worauf die Verteilung weist, wenigstens in Deutschland, meist ebenfalls auf dem Wege der Hemmoorer Eimer eingeführt sein (einige allerdings sind älter). Mehrere Exemplare sind bekannt aus Holland und Oldenburg, ferner aus Hannover, Schleswig-Holstein und Dänemark, Norwegen, Schweden, Mecklenburg, Brandenburg und Lausitz, Pommern, Ostpreußen, Posen. Weitere Skulpturenfunde sind z.B. eine Bronzeschlange aus dem Thorsberger Moor und der prachtvolle Greifenkopf aus Bronze von Vimose.

Münzen[]

Münzen aus der Zeit vor Kaiser Nero (54-68 n. Chr.) treten in Mitteleuropa überwiegend als vereinzelte Stücke auf und fehlen bis auf einige Ausnahmen auch in Gräbern. Die Schatzfunde setzen sich ziemlich gleichmäßig, im Wesentlichen aus Denaren des von Nero bis hin Septimius Severus (193-211 n. Chr.) zusammen. Die Zusammensetzung der Funde und Erhaltung der Stücke weist dahin, dass die Einfuhr in der letzten römischen Eisenzeit stattfand. Die große Masse waren Silberdenare; aus den folgenden Jahrhunderten, wo die Einfuhr nachläßt, überwiegen Gold und Bronze.

Die Münzen dienten in erster Linie wohl vorwiegend als Kurant; doch gibt es auch viele Exemplare die durch Durchbohrung, Henkel oder Öse zu Schmuckstücken hergerichtet wurden. Als Grabbeigaben kommen Münzen erst seit Ende des 3. Jhds. etwas häufiger vor. Besonders deutlich und reich sind die skandinavischen Erscheinungen, die den Importweg nachzeichnen, der über die Weichselmündung ging und in den reichen Funden aus Preußen, sowie weiter südlich in der Verteilung der Münzfunde in Posen und Schlesien bis zum Ende des 3. Jhds. erkennbar ist.

Nachbildungen römischer Münzen sind sehr selten und beschränken sich auf grobe Nachahmungen; z.B. in Schweden. Häufiger sind in Nordeuropa die Nacharbeiten byzantinischer Solidi in einem eigenartigen nordischen Stil, der auch auf die Tierornamentik einwirkte, während die eigene Münzprägung der germanischen Reiche des Südens vom 5. Jhd. an eng an diese Vorbilder anschloss.

Galerie[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Müller, Sophus. Nordische Altertumskunde (Internet Archive). Übersetzung. V. Jiriczek. 2 Bände. K.J. Trübner Verlag, Straßburg 1897-98. Bd. II, S. 87 ff.
  2. Schwert von Reichersdorf, Die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit (Internet Archive). Hrsg. Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz, Ludwig Lindenschmit. 5 Bände, Victor von Zabern Verlag, Mainz 1858–1911. Bd. IV; S. 38.