Mittelalter Wiki
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Als Riemen bzw. Remen (ahd. riemo, fälschlich (Steuer-) Ruder) bezeichnet man ein Hilfsmittel zur Fortbewegung von Ruderbooten und kleinen Fahrzeugen. Hierbei handelt es sich um eine runde Stange, meist aus zähem Eschenholz, oben dünn, unten am Blatt schaufelartig breit.

Beschreibung[]

Auf ein Drittel seiner Länge vom Griff hat ein Remen gegen das Durchscheuern Holz- oder Lederbesatz, wo es auf dem Dollbord (der Bootswand) ruht. Auf letzterm wird es gegen Vor- und Rückwärtsrutschen durch Dollen, die Riemengabel, oder bei Schiffsbooten durch Einschnitte im Dollbord (Runzeln) gesichert. Bei den Dollen- oder Inriggerbooten befinden sich die Dollen auf der Bordwand, bei den Ausleger- oder Outriggerbooten auf Auslegern. Doppelriemen mit zwei Blättern (Skull) werden beim Rudersport benutzt. [1]

Etymologie[]

Der Umstand, dass die deutsche Bezeichnung ahd. riemo, *rémo, *riamo, mhd. rieme, mnd. réme, vom lat. remus stammt, deutet darauf hin, dass dieses Fortbewegungsinstrument in Westdeutschland von der römischen Nautik übernommen wurde. Das Altnordische und Altenglische besitzt dafür den einheimischen Namen ár.

Geschichtliches[]

Das älteste Fortbewegungswerkzeug von Schiffen, z.B. noch in der Zeit der Hällristningar, waren vermutlich Paddeln, d. h. kurze Remen, die der Rojer (Ruderer), das Gesicht nach vorn gewendet, mit beiden Händen ohne Stützpunkt auf der Bordwand handhabte (wie es auch auf afrikanischen und asiatischen Fahrzeugen üblich war). Spätestens in den ersten Jahrhunderten n. Chr. ging man zum Gebrauch von Remen über, die auf der Bordwand aufliegen, so dass der Angriffspunkt der Kraft von der Mitte zum Ende des Hebelarms verlegt wird, der Ruderer das Gesicht nach hinten wendet und die Einrichtung eines besonderen Steuerruders erforderlich wurde.

Beim Nydamboot (ca. 300 n. Chr.) zeigen die Remen ihre Entstehung aus Paddeln noch dadurch, dass sie im Verhältnis zur Höhe des Stützpunktes über Wasser kürzer sind, als es später üblich war, nämlich 3,35 m bei 63 cm Höhe des Stützpunkts (jetzt würde man sie mindestens 5 m lang machen). In ihrer Form annähernd den heutigen Remen gleichend, liegen sie auf abnehmbaren, an der Reling festgebundenen Ruderdollen (anord. hár) auf. Diese bestehen aus einem wagerechten Klotz und einem schräg emporstehenden hornartigen Zapfen. Im Winkel zwischen beiden, dem sog. "Dollwagen" (anord. háreið) ruht oder „reitet" der Remen, indem er mittels eines Stropps, das durch ein Loch am Fuße des Dollzapfens gezogen ist, festgehalten wird.

Dollen und Stropp[]

Die Dollen sind derart angebracht, dass der Remen beim Anziehen seinen Halt im Stropp findet und nur, wenn plötzlich rückwärts gerudert werden muss, an der Dolle, wobei die Ruderer lediglich die losen Sitzbänke oder Duchten (anord. þopta, ae. þofte) zu verlegen brauchten. Tacitus schrieb in der Germania (c. 44) von den Schiffen der Suionen: „die Remen sind nicht fest an den Schiffsseiten angebracht, sondern das Remenwerk (Remen und Duchten) ist frei beweglich, so dass gleich bequem vor- und rückwärts gerudert werden kann." [2]

Die Form der Dollen des Nydambootes blieb auch später für kleinere Fahrzeuge, z.B. die Boote des Gokstadschiffes in Brauch, und ist es bei den norwegischen Booten noch heute. Beim Gokstadschiff selbst haben die Remen im Verhältnis zur Höhe des Stützpunkts über Wasser (33 cm) die heute übliche Länge von 5,18 bis 5,64 m, sind also bequem zu handhaben. Um den Stützpunkt so tief zu legen, ruhen die Remen nicht auf der Reling, sondern gehen durch kreisrunde Löcher in der dritten Planke von oben.

In der Hinterkante der Löcher befindet sich eine Kerbe, um dem breiten Remenblatt den Durchgang zu ermöglichen. Waren die Remen eingezogen, so konnten die Löcher durch innenbords angebrachte runde Schiebeklappen verschlossen werden.

Innenbord[]

Der innenbords befindliche Teil des Remens, etwa ein Viertel seiner Länge, war etwa 53 cm über Deck und konnte gerade noch von einem Ruderer sitzend gehandhabt werden. Die Ruderer saßen in Abständen von 1 m, nicht auf die ganze Breite des Schiffs überspannenden Duchten (wie im Nydamschiff und anderen kleineren Booten), sondern auf kürzeren Rudersitzen, wahrscheinlich Kisten (anord. hálfrýmskista), in denen die Leute ihre Sachen, Schlafsäcke usw., aufbewahrten. Zwischen den Sitzreihen rechts und links blieb dann in der Schiffsmitte ein Längsgang frei.

In Schiffen, wo ein Mann zur Handhabung des Remens ausreichte, befanden sich in der Regel noch 2 Mann im Halbraum zur Bedeckung und gelegentlichen Aushilfe. In größeren Schiffen dagegen, wo die Remenlöcher höher über Wasser lagen und die Remen entsprechend lang und schwer wurden, waren mindestens zwei ständige Ruderer am Remen und in der Regel 4 Mann im Halbraum stationiert. Höher als 1, 80 m durften jedoch die Löcher kaum liegen, so dass im Allgemeinen selbst die größten Kriegsschiffe zu den niederbordigen Schiffen zählten.

Die skandinavischen Lang- oder Kriegsschiffe wurden nach der Zahl der Ruderbänke auf einer Schiffsseite in Klassen eingeteilt, z.B. Zwanzigbänker (tvitugsessa) mit insgesamt 40 Remen (s. Schiffsarten).

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

  • Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. III, S. 497 f.
    • Abb. 1. Ruderdolle vom Nydamboot (nach Engelhardt, Nydam Mosefund. a. von der Seite, b. von oben gesehen).
    • Abb. 2. Ruderdolle vom Beiboot des Gokstadschiffs (nach Nicolaysen, Langskibet fra Gokstad).
    • Abb. 3. Remenloch des Gokstadschiffs (nach Falk, Altnordisches Seewesen (Wörter und Sachen IV)).

Einzelnachweise[]

  1. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 920. http://www.zeno.org/nid/20007350422
  2. Tacitus, De origine et situ Germanorum (Germania). Übersetzung "Die Germania des Tacitus". Anton Baumstark: Freiburg 1876. Digitalisat auf Wikisource.
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