Mittelalter Wiki
Advertisement
Mittelalter Wiki

Als Sämisch-, Fett- oder Ölgerberei bezeichnet man eine der ältesten bekannten Verarbeitungstechniken von rohen Tierhäuten zu Leder. Bei dieser Art des Gerbens kommen vorrangig tierische Fette oder pflanzliche Öle zum Einsatz.

Beschreibung[]

Die Sämischgerberei bzw. Ölgerberei erzeugt mit Hilfe von tierischen Fetten, besonders der Trane (Robben-, Wal-, Seehunds-, Leber-, Fischtrane), die Sämisch- oder Waschleder (da es ohne Schaden gewaschen werden kann). Sie verarbeitet Schaf-, Kalb- und Ziegenfelle, leichte Ochsen-, Kuh- und oft auch Wildhäute (z.B. Hirsch-, Reh-, Bockfelle).

Durch das Imprägnieren mit Fetten erzielt man hierbei eine große Weichheit und Geschmeidigkeit der Leder. Die Umwandlung der Blöße in Leder wird dadurch erreicht, dass die Haut wiederholt mit Tran gewalkt und dann der Luft ausgesetzt wird. Das auf diese Art gegerbte Leder ist außerordentlich widerstandsfähig gegenüber Wasser und Hitze, indem sogar kochendes Wasser Sämischleder nur langsam in Leim umwandelt. Das sämischgare Leder unterscheidet sich von den übrigen Lederarten durch seine wollige Beschaffenheit, Weichheit, Dauerhaftigkeit und durch die Eigenschaft, sich waschen zu lassen, ohne dass es seine Weichheit verliert.

Gerbstoffe[]

Als Gerbstoffe werden dabei die dünnflüssigen Wal- und Fischtrane bevorzugt, aber auch Talg und Degras (ein Abfallprodukt der Sämischgerberei). Vereinzelt kamen auch Pferdefett, Rindsgehirn, Butter, Milch u.s.w. zum Einsatz, erlangten jedoch nur geringere Bedeutung für die Gerberei. Als teilweisen Ersatz für Talg verwendete man auch Wollfett. Damit die Trane später nicht aus dem Leder ausharzen, erhitzt man diese vor dem Anwendung.

Lederarten[]

Man verarbeitet besonders schwache Rindshäute, Kalbfelle, Schaf- und Ziegenfelle, Hirsch-, Reh- und Gemsenfelle, ferner die Spalte von verschiedenen Rohfellsorten zu Sämischleder und verwendet dasselbe in großen Mengen zur Herstellung von Kleidungsstücken, vorzugsweise für Handschuhe, Bandagenzwecke, Reithosen, Putzleder u. dergl.

  • Fettgarleder - nimmt eine Sonderstellung ein, da es kein richtiges Leder ist, sondern nur die vorgegerbte Blöße, die mit Fetten imprägniert wurde.
  • Rauh- oder Rauchleder - sämischgares Bock- oder Kalbleder für Schuhe, dessen Narbe nicht abgestoßen wurde und dessen Fleischseite geschwärzt ist; wegen seiner Milde und Weichheit für Damenstiefel sehr beliebt.

Verarbeitung[]

Die Vorbereitung des Hautmateriales ist ähnlich wie in der Oberledergerberei. Die Felle werden in fließendem Wasser gut geweicht, im Kalkäscher reichlich geäschert und dann gehaart.

Äschern[]

Das Äschern erfolgt in einer Grube (Schwödegrube) oder einem Fass (Schwödefass), welches halb mit Wasser gefüllt ist, worein gelöschter Kalk gegossen wird. Beim Einlegen der Felle muss der Kalk mit einer hölzernen Krücke oder einer Schaufel umgerührt werden. Das Untertauchen der Felle geschieht mit einer hölzernen Stange (Tauchstange), welche an dem einen Ende mit einem viereckigen Klotz versehen ist. Die Kalkbrühe ist anfangs schwach (Milchbrühe, das Hineinlegen in dieselbe heißt „Sparen“), später kommen die abgehärten Felle erst in die frische oder gute Kalkbrühe.

Entfernung des Narbens[]

Hieran schließt sich die Entfernung des Narbens an, damit das Fett beim Einwalken leicht und vollständig in die Haut eindringen kann und das Leder so nach dem Gerbprozess seine Weichheit erhält. Der Narben wird zum größten Teile mit dem sehr scharfen Schabemesser (Abstoßeisen) abgestoßen und die Reste mit dem gebogenen, an beiden Enden mit einem Griff versehenen Putzmesser (Beschneidemesser) entfernt (abgenarbt), oder auch mit einem gewöhnlichen Messer (Handmesser) abgeschabt. Sollen die Narben des Felles geschont werden, so enthaart man die Felle auf dem Schabebaum durch Reiben mit dem Haarraufer, einem ungefähr 18 Zoll langen Stock.

Enthaaren[]

Hierauf kommen die Felle auf mehrere Tage nochmals in den Äscher und werden dann vom Fleisch und von der Unterhaut befreit. Danach legt man die Felle 1–2 Tage in einen frischgestellten Äscher, damit eine möglichst starke Lockerung der Hautsubstanz eintritt. Damit dies leichter geschehe, wird besonders die Fleischseite mit Kalk gebeizt (Anschwöden), man bedient sich dazu eines großen, aus einem Kuhschwanz verfertigten Pinsels (Schwödenwedel).

Anschließend wässert man sie in warmem Wasser gut aus und beizt sie zur Entfernung des Kalkes in alter Kleienbeize. Nach dem Beizen werden die Blößen kurze Zeit gewässert, zur Entfernung eines Teiles des Wassers ausgewunden oder ausgepresst und dann dem Gerbprozess unterworfen.

Gerben[]

Bei der Sämischgerberei kann man zwei Hauptmethoden unterscheiden, die deutsche und die französische:

  • Deutsche Methode - Hierbei werden die Blößen mit der gesamten erforderlichen Tranmenge (Fisch- oder Robbentran) bestrichen, zusammengefaltet, gewalkt und getrocknet. Dann folgt das „Färben in der Brut“, d.h. in der Erhitzung oder Gärung, wozu die Felle in Haufen aufgeschichtet und von Zeit zu Zeit umgelegt werden. Haben sie einen gelben Farbenton angenommen, ist der Gerbprozess beendet.
  • Französische Methode - Hierbei werden die Blößen auf der Narbenseite mit Waltran eingerieben, in Kissen gelegt oder in Kugeln zusammengeballt, in die Walke gebracht und anschließend ausgebreitet, einige Stunden an die Luft gehängt, nochmals mit Tran eingerieben und wiederum gewalkt, was je nach Fellstärke wiederholt holt. Nachdem die Felle genügend Tran aufgenommen haben, werden sie, ebenfalls getrocknet und auf die Brut gebracht.

Abwelken[]

Nach vollständiger Gare wird beim Abwelken das überschüssige Fett aus den Fellen entfernt. Dies geschieht nach dem Einweichen der Felle durch Ausringen bzw. Auspressen und anschließendes Auswaschen mit Soda- oder Pottaschelösung. Nach der Entfernung des überschüssigen Fettes werden die Felle sorgfältig ausgewaschen, getrocknet und dann zugerichtet. Manches Leder wird auch in Lauge gewaschen, damit dieses den Tran auflöst und herauszieht (Schmelzen).

Moellon[]

Das beim Ausringen gewonnene Fett emulsioniert leicht und vollständig mit Wasser und wird „Moellon“ genannt; es wird als Schmiermittel für lohgares Leder hochgeschätzt. Dieses Nebenprodukt der Sämischgerberei wird auch als „Gerberfett“ oder „Abfallfett“ bezeichnet.

Degras[]

Durch Waschen mit alkalischen Flüssigkeiten (einer lauwarmen Pottaschelösung) wird der letzte Teil des vom Leder nicht gebundenen Fettes entfernt und man erhält eine Fettemulsion („Weißbrühe“ oder „Urläuter“ genannt), aus der der sogenannte „Degras“ ausgeschieden wird. Dieses „Gerberfett“ oder „Abfallfett“ findet als Lederschmiere dieselbe Verwendung wie Moellon, ist aber nicht so geschätzt wie dieser. Es Degras dringt leicht in lohgares Leder ein, schlägt an der Sonne nicht aus, und das damit getränkte Leder erhitzt sich nicht, wenn es auf Haufen liegt. [1]

Zurichtung[]

Bei der Zurichtung werden die Felle auf dem Stollpfahl gestollt, um sie weicher zu machen und um ihre Fleischseite zu egalisieren, und schließlich mit dem Schlichtmond geschlichtet, mit Bimsstein abgerieben und glatt geschliffen, damit beide Seiten ein gleichmäßiges und glattes Aussehen erhalten.

Färbung[]

Das Sämischleder sieht in diesem Zustand gelb aus; soll es weiß werden, so kann man es auch bleichen, indem man es mit Wasser, Seifenlösung oder einer Pottaschelösung benetzt und dann grellem Sonnenlicht aussetzt. Für gewisse Zwecke wird das Sämischleder auch gefärbt, z.B. schwarz, gelb, weiß, grün oder braun. Dazu gibt es zwei Verfahren:

Tunkverfahren[]

Beim Tunkverfahren wird das Leder in eine Lösung aus Eigelb, Alaun und Wasser gebracht, gespült, getrocknet und glättet. Hierbei verwendet man ausschließlich Pflanzenfarbstoffe. Da das Sämischleder kein Metallsalz, welches den Pflanzenfarbstoff fixieren kann, enthält, so muss es zunächst mit einem solchen gebeizt werden.

  • für helle Farben wählt man Alaun und Weinstein,
  • für dunklere Farben holzessigsaures Eisen.

Nach dem Beizen erfolgt das Ausfärben mit der Farbstofflösung.

Streichverfahren[]

Beim Streichverfahren verreibt man Mineralfarbstoffe mit Wasser und einem Bindemittel (wie z.B. Stärkekleister) zu einem dünnen Brei und trägt dieses Gemisch mit einer Bürste auf das Fell auf.

  • Zum Gelbfärben verwendet man Ocker, Kreide und Schüttgelb,
  • Weiß färbt man mit Kreide,
  • für andere Farben beizt man zuvor mit Alaun und trägt dann die Farbebrühe mit einer Bürste auf.

Das gefärbte Leder wird getrocknet, gestollt und das nicht haftende Pulver ausgeschüttelt. Das so gefärbte Leder ist allerdings wenig widerstandsfähig gegenüber Wasser; beim Waschen des Leders verliert es seine Farbe. [2]

Verwandte Themen[]

Navigation Leder
Leder (Hauptartikel)  •  Blöße  •  Brandsohlleder  •  Corduanleder  •  Fahlleder  •  Fellgeld  •  Fettgarleder  •  Geschirrleder  •  Glacéleder  •  Halbsohlleder  •  Handelspelz  •  Kidleder  •  Oberleder  •  Riemenleder  •  Rohhaut  •  Rossleder  •  Saffian  •  Sohlleder  •  Vachetteleder
Konservierung und Lagerung  •  Weichen  •  Entfleischen  •  Äschern  •  Beizen  •  Gerben  •  Abwelken  •  Schlichten  •  Stollen  •  Färben  •  Prägen
Pelzgerberei  •  Rotgerberei  •  Sämischgerberei  •  Weißgerberei
Kategorie: Lederverarbeitung (Hauptkategorie)  •  Kategorie: Lederrüstung  •  Kategorie: Handwerk  •  Kategorie: Kleiderstoff

Quellen[]

Fußnoten[]

  1. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Leipzig 1906. Bd. 4, S. 585-586.
  2. Lueger, Techniklexikon. aaO. Bd. 6, S. 109-111.
Advertisement