Mittelalter Wiki
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Unter dem Begriff Schiffsführung versteht man im engeren Sinn die nautische Leitung des Schiffes, die Navigation oder Steuermannskunst, und im weiteren Sinn die praktische Seemannschaft und die Regelung des Lebens an Bord, zusammen.

Beschreibung[]

Bei der Navigation unterscheidet man zwischen "Küstenseefahrt" und "Hochseefahrt". Beide, insbesondere aber die letztere, waren durch das Fehlen der bekannten nautischen Hilfsmittel wie Kompass, Seekarten, Seezeichen usw. erschwert. Solange es ging, zog man daher die Küstenfahrt vor.

Ein gewisser Unterschied bestand übrigens zwischen den mit zahlreicher Mannschaft unternommenen kriegerischen Expeditionen, die leichter Querfahrten über die offene See machen konnten, und den Handelsfahrten des einzelnen, die stärker an der Küste klebten. Anderseits waren die Handelsschiffe seetüchtiger (s. Schiffsarten), und direkte Querfahrten wurden auch von diesen nicht selten unternommen. Man beobachtete nur die Vorsicht, einen guten Fahrwind (anord. byrr) abzuwarten, der von Dauer zu sein versprach; die lange auf Fahrwind wartenden Schiffe sind daher ein typisches Bild in der Saga-Literatur.

Geschwindigkeiten[]

Weil man gemeinhin guten Fahrwind abwartete, gingen die Querreisen über offene See oft erstaunlich rasch vor sich. Für die Fahrten von Norwegen nach Island werden in der Landnámabók Durchschnittsgeschwindigkeiten von 6,6 bis über 8 Seemeilen in der Stunde angegeben, von Reykjanes im südlichen bis Jǫlduhlaup im nördlichen Island sogar fast 12 Sm. Ähnlich berechnet sich nach Adams von Bremen [1] Angabe für die Strecke Ripen-Sinkfal (Brügge) und Sinkfal-Prawle Point eine Durchschnittsschnelligkeit von 6,9-8 Sm, dagegen für die Fahrten Dänemark-England und Ouessant-Ferrol nur ca. 5 Sm.

In der Küstenfahrt wurde eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 3 Sm selten überschritten. Als Beispiele für die Dauer der Seereisen sei erwähnt, dass Adam von Bremen für die Reise Dänemark-England 3 Tage und 3 Nächte, Julin (Odermündung)-Russland (Newa) 14 Tage rechnet, die Landnáma für die Strecke Kap Stadt (Norwegen) bis Horn (Island) 7 Halbtage, die Heimskringla für Kap Stadt-Eyrar (südl. Island) 8 Halbtage „bei sehr starkem günstigem Fahrwind".

Der Norweger Ottar [2] brauchte von Malangen (nördl. Norwegen) bis Skiringssal (Christianiafjord) einen Monat. Die Entfernungen über See maß man summarisch nach Halbtagen zu 12 Stunden, genauer nach "Weken", deren Größe verschieden, auf 4 und 5 Sm (7400 oder 9250 m) berechnet werden kann. (Über die Ausnutzung des Windes s. a. Lavieren).

Sturmfestigkeit[]

Artete der Wind zum Sturm aus, so traf man verschiedene Vorkehrungen. Die Segelfläche wurde verkleinert (s. Segel), an jedes zu bedienende Tau ein Mann gestellt, die abgenutzten Leinen durch neue ersetzt, die Bordwand mittschiffs durch Anbringen eines Setzbords erhöht. Drohte der schwankende Mast den Plankenverband zu sprengen, so wurde er umgelegt oder gekappt. Einigemal wird erwähnt, dass man das Auseinandergehen der Planken durch Quergürtung zu verhüten suchte, d. h. dadurch, dass man in der Mitte des Schiffs Taue quer unter dem Kiel zog und durch Zusammenwinden mit Stäben straff anzog.

Küstenfahrer flüchteten vor dem Sturm eher ans Land und suchten ihre Schiffe womöglich auf den Strand zu ziehen. Hochseefahrer dagegen strebten die gefährliche Nähe der Küste zu vermeiden und die hohe See zu halten [3] indem sie, schließlich ohne Segel, mit niedergelegtem Mast und hochgezogenem Steuer, das Schiff treiben ließen und mit den Remen verhinderten, dass es von den Wellen in der Breitseite erfaßt und zum Kentern gebracht wurde.

War es nicht mehr möglich, der Brandung und den blinden Klippen zu entrinnen, so steuerte man das Schiff lieber entschlossen ans Land und ließ es scheitern, um wenigstens das nackte Leben zu retten. Seereisen im Winter, vom Oktober oder November bis April, vermied man allgemein wegen der Stürme und des gewöhnlich bedeckten Himmels und brachte die Schiffe in Winterlage (s. Hafen).

Seemannschaft[]

  • Siehe auch: Seemann

Bei den Mängeln der astronomischen Nautik war man um so mehr auf die praktische Seemannschaft angewiesen. Die Vita des hl. Godric [4] schildert, was ein tüchtiger Schiffer verstehen musste. Danach musste er sich vor allem auf die Vorzeichen des Wetters verstehen und mittels seiner empirisch erworbenen Kenntnis vom Drehungsgesetz der Winde und vom Verlauf der Sturmbahnen kommenden Winden auszuweichen wissen. Die Sorge um die Sicherung des Schiffes überwog noch die um eine möglichst rasche Erreichung des Fahrtziels.

In der Ostsee, der südlichen Nordsee mit ihrer geringen Tiefe und im Bereich der westeuropäischen Schifffahrt überhaupt spielte das Lot und der Peilstock eine große Rolle, in der norwegisch isländischen Schiffahrt, wie das Fehlen eines eigenen Terminus dafür beweist, dagegen nicht. Man stellte durch das Lot nicht nur die Tiefe, sondern auch die Beschaffenheit des Grundes und daraus wie aus der Farbe des Meerwassers den Schiffsort fest (so z.B. 1147 eine Kreuzfahrerflotte die Nähe der nicht sichtbaren Westspitze der Bretagne [5].

Außerdem achtete man auf das Erscheinen der Vögel und (bei Island) der Wale als Zeichen der Landnähe. Der Islandfahrer Flóki ließ auf der Reise von Shetland nach Island mehrmals Raben aufsteigen und schloss aus ihrer Flugrichtung auf die Nähe des nächsten Landes (denselben Brauch berichtet Plinius (Hist. Nat. VI 22) und Kosmas Indicopleustes um 530 n. Chr. von den Schiffern von Ceylon). Am besten war es, wenn man, z.B. auf der Fahrt nach Island bei den Orkney-, Shetland- oder Färöer-Inseln, den Kurs durch eine Landkennung bestimmen konnte; gelegentlich wurde dies vom Land aus durch Anzünden von Feuern, sobald ein Schiff in Sicht kam, unterstützt.

Segelanweisungen[]

Die gleichen Beobachtungen verdichteten sich dann zu lapidaren Segelanweisungen, von denen z.B. die Landnámabók zwei Beispiele überliefert: "Von Herne (jetzt Hennö in Nordhordaland) in Norwegen soll man segeln genau westlich nach Hvarf (Kap Farewell) in Grönland; und zwar segelt man nördlich von Shetland so, dass man es gerade ausmachen kann, wenn das Wetter sehr gut sichtig ist; dann südlich der Färöer, so dass die See bis zur halben Höhe der Bergwände reicht (d. h. man die obere Hälfte der Berge sieht); und weiter südlich von Island derart, dass man Vögel und Wale hat."

Und „Wenn man von Bergen genau westlich nach Hvarf in Grönland segelt, muß man auf 1 tylft (= 12 vikur = 1 Breitengrad) Abstand südlich von Island segeln." (Diese Beschreibung aus dem Landnámabók stimmt übrigens bemerkenswerterweise nur, wenn man nicht auf dem Parallelkreis, sondern im kürzesten Kreis segelt.) Auf das Bestehen ähnlicher Kursvorschriften weisen andere Stellen in der Landnáma (von Island nach Grönland, Norwegen, Irland, Svalbardi), in den Scholien zu Adam von Bremen und das oben erwähnte schwedische Portulan-Fragment.

Leben an Bord[]

Das Leben an Bord hatte wie heute seinen fest geregelten Gang, den wir allerdings erst aus den Seerechten und norwegischen Gesetzen des 13. Jhds. kennen. In regelmäßigem Wechsel hatte die Mannschaft die nötigen Arbeiten zu verrichten: das Steuerruder zu lenken, das Segel zu bedienen, Wasser aus dem Schiff zu schöpfen - was als die schwerste Arbeit galt - und Wache zu halten, wobei das Stadtrecht von Bergen (IX 23) unterscheidet:

  • die Schärenwache, d. h. den Ausguck auf Klippen,
  • die Segelwache,
  • die Wache an der Landfeste im Hafen - 'Wache an der Landebrücke' (bes. nachts),
  • die Wache am Ankertau.

In gewissen Fällen versammelte der Schiffsführer die Mannschaft und mitfahrende Befrachter am Mast, um seine Entschlüsse mitzuteilen oder über Fragen der Schiffsführung, den einzuschlagenden Kurs, Seewurf und dergl. abzustimmen [6] [7].

Verpflegung[]

Gekocht wurde an Bord der Schiffe nicht, wenigstens nicht auf den altnordischen Schiffen, die durchweg keine Feuerstätte an Bord hatten, sondern nur an Land, was natürlich nur bei Küstenfahrt möglich war. In diesem Fall wurde abends in dem mitgebrachten großen Schiffskessel Brei oder Grütze gekocht. Als Proviant diente sonst, besonders auf hoher See, kaltes Fleisch (Schinken und sonstiges Pökelfleisch), Brot, Butter, getrocknete Streifen vom Heilbutt, Stockfisch und Hering.

Als Getränk wurde Wasser, Bier, vielleicht auch Molken in großen Gefäßen mitgeführt. Jedem Mann diente eine bestimmte Stelle im Schiff, meist der anord. rúm, in dem er stationiert war, als Schlafstätte. Sein Schlafsack, den er allein besaß oder mit einem Genossen teilte, diente oft auch zum Aufbewahren sonstiger Habseligkeiten, besonders der aus Häuten genähten Seekleider, wenn er dazu nicht, wie meist auf Kriegsschiffen, eine Seekiste zur Verfügung hatte.

Eine lebendige Schilderung der Vorgänge an Bord während der Seereise liefert der anglo-normannische Dichter Robert Wace (um 1150) seinem "Roman de Brut".

Verwandte Themen[]

Navigation Schiffe
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Quellen[]

  • Altnordisches Seewesen (Google Books). Hjalmar Falk. Sonderdruck aus Wörter und Sachen Bd. 4. C. Winter, Heidelberg, 1912.
  • Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 4 Bände (1. Aufl.). Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. IV, S. 123 ff.
  • Vogel, W. Zur nord- und westeuropäischen Seeschiffahrt im Mittelalter, in Hanseatische Geschichtsblätter 1907, 192 f.

Einzelnachweise[]

  1. Schob 96, II c. 50
  2. King Aelfreds Orosius ed. Sweet 17
  3. vgl. Emonis Chron. ad a. 1217, MSG (Monumenta Germaniae historica. Abteilung Scriptores. 23, 481
  4. Vogel, Ein seefahrender Kaufmann, in Hanseatische Geschichtsblätter, 1911, S. 246
  5. Vogel, Geschichte der deutschen Seeschifffahrt. Bd I, S. 522
  6. vgl. Rôles d'Oléron § 2, 8
  7. Falk, H. aaO. S. 5-6
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