Die Blütezeit der Scholastik folgte im 13. und 14. Jh. unter den Einflüssen der arabisch-jüdischen Philosophie des Mittelalters auf die Anfänge der Scholastik.
Vorläufer: Arabische und jüdische Philosophen[]
Die Vorläufer der Blütezeit der Scholastik waren arabische und jüdische Philosophen des Mittelalters. Die Kreuzzüge brachten nicht bloß kriegerische, sondern auch geistige Berührungen mit dem Orient. Die morgenländische Kultur wirkte in manchen Beziehungen befruchtend auf die abendländische ein. Durch sie erst wurde der gesamte Aristoteles im Abendland bekannt. Allerdings brachte die arabisch-jüdische Philosophie insgesamt nur wenig originale geistige Schöpfungen hervor und hatte nur wenig dauernde Nachwirkungen.
Philosophie des Islam[]
- Siehe Hauptartikel: Islamische Philosophie
Die Neuplatoniker der letzten, von Justinian aufgelösten athenischen Philosophenschule hatten sich nach Persien und Syrien gewandt, ohne hier den erhofften Einfluss zu finden. Dagegen wurde der der Kirche genehmerere Aristotelismus in einzelnen syrischen Schulen gepflegt. So lernten die Araber, als sie ihren Siegeslauf durch das gesamte Morgenland vollendet hatten und sich der Pflege der Wissenschaften zu widmen begannen, durch syrische und arabische Übersetzungen fast sämtliche aristotelische Schriften, von Plato dagegen nur Timäus, Republik und Gesetze kennen. Bald überflügeln sie ihre Lehrmeister.
Im Morgenland[]
Am Anfang des 9. Jhs. herrschte am Kalifenhof zu Bagdad unter der Herrschaft der Abbassiden bereits reges wissenschaftliches Leben. Praktische Naturkenntnisse, d.h. Astronomie, etwas Mathematik, praktische Chemie und Medizin in roher Form waren bei den arabischen Wüstenbewohnern und Händlern seit alters heimisch; dazu war dann der religiöse Aufschwung durch Mohammeds strengen und reinen Monotheismus gekommen.
Daher kam ihr Interesse für die naturwissenschaftlichen wie für die metaphysischen Schriften des Aristoteles, welche letzteren ja einen theologischen Zug trugen und ihnen überdies zunächst in neuplatonischer Übersetzung und Auslegung bekannt wurden. Während sie rasch über die Naturkenntnisse des griechischen Philosophen hinauswuchsen, blieb dieser in der Theorie ihr Meister. So sind die ersten in Bagdad lebenden Philosophen, die deutlicher hervortreten, Al-Kindi († um 870) und Alfarabi († um 950 in Damaskus), zugleich auch Ärzte, Mathematiker und Astrologen.
Dem reinen Aristotelismus näher stand der bedeutendste unter den morgenländischen Ärzten und Philosophen Avicenna (980-1037). Philosophisch erscheint er besonders dadurch bedeutsam, dass er sozusagen den Universalienstreit im Morgenland bereits geschlichtet hatte, ehe er im Abendlande entbrannte. Er lehrte nämlich, die allgemeinen Begriffe seien ante res im göttlichen Verstande, in rebus in den natürlichen Dingen und post res in unseren abstrahierten Begriffen.
In Spanien[]
Spanien war das Land, in dem im 12. Jh. Künste und Wissenschaften mehr als in jedem anderen Land Europas blühten, und vor allem durch das von ihnen beherrschte Spanien wurden die Araber die geistigen Vermittler zwischen Orient und Okzident. Auch die Philosophen hier waren zugleich Ärzte, Mathematiker, Astronomen oder Alchimisten. Dazu zählen:
- Avempace (um 1095-1138) - Der erste Aristoteliker des islamischen Spanien.
- Abubaker (1110-1185) - Autor eines philosophischen Inselromans ("Robinsonade")
- Averroës (1126-1198) - "Der Kommentator", da er fast zu jedem Werk des Aristoteles einen Kommentar verfasste.
Dadurch, dass Averroës die naturalistische Seite des Aristoteles betonte, naturwissenschaftliche Kenntnisse verbreitete und für Aufklärung im Sinne der natürlichen Religion eintrat, wirkte er einerseits zersetzend auf die Scholastik. Durch die scharfe Ausprägung seines aristotelischen Standpunktes trug er anderseits aber auch dazu bei, ihre Grundbegriffe zu befestigen. Auf seine Glaubensgenossen, deren Macht und geistiger Einfluss bald nach ihm zusammenbrach, hatte er weniger nachhaltigen Einfluss, wohl dagegen auf das Denken der in Spanien lebenden gebildeten Juden.
Jüdische Philosophie[]
- Siehe Hauptartikel: Jüdische Philosophie
Schon lange vor ihrer Beeinflussung durch die arabisch-aristotelische Philosophie existierte bei den Juden eine Geheimlehre, die Kabbalah (= Überlieferung), deren Keime bis in die vorchristliche Zeit hinaufreichen, und deren ausgebildete Gestalt viele Ähnlichkeit mit den neuplatonisch-gnostischen Vorstellungen zeigt.
Kabbalah[]
In der Kabbalah gibt es genau wie in den neuplatonisch-gnostischen Vorstellungen ein stufenweise absteigendes Hervorgehen des Geringeren aus dem Höheren, eine Lehre von den Engeln, an deren Stelle später reine Attribute gesetzt werden, u.a.m. Die beiden Hauptquellen sind das alte Buch »des Schaffens« (Jezirah) wahrscheinlich erst um 900 n. Chr. entstanden, aber dem Erzvater Abraham zugeschrieben - und das auf einen Schüler des berühmten Ben Akiba (2. Jh.) zurückgeführte, jedoch erst im 13. Jh. verfasste Buch »des Glanzes« (Zohar).
Jüdische Philosophen[]
Zu der mystischen Geheimlehre der Kabbalah, tritt in der Blütezeit der Scholastik die von den arabischen Aristotelikern beeinflusste jüdische Philosophie in Gegensatz. Schon Saadja aus Ägypten († 942 in Babylonien) hatte in seinem Hauptwerk "Glauben und Wissen" die Vernunftgemäßheit der jüdischen Glaubenssätze zu beweisen gesucht.
- In Spanien ist der früheste Vertreter jüdischer Philosophie Salomon ibn Gabirol (1020-1070), dessen Hauptwerk "Die Quelle des Lebens" eine Verschmelzung jüdischer mit aristotelischen, mehr aber noch neuplatonischen Lehren enthält.
- Eine gleichfalls ethische Schrift des Bahja ben Joseph (gegen 1100) entwirft ein Moralsystem, in dem die Herzenspflichten über die äußeren gestellt werden, die sich meisten jedoch auf Gott beziehen.
- Der weitaus der bekannteste und einflussreichste jüdische Philosoph des Mittelalters ist Moses Maimuni (1135-1204), ein Zeit- und Heimatsgenosse des Averroës. Sein philosophisches Hauptwerk, die "Leitung der Zweifelnden" oder "Führer der Verwirrten", wollte denen, die durch Beschäftigung mit der Philosophie den Glauben verloren hatten, zeigen, wie sie sich ihn auf wissenschaftlichem Wege wieder aneignen konnten.
Umschwung der scholastischen Philosophie[]
Durch das Bekanntwerden der gesamten Werke des Aristoteles erfolgte im Abendland ein Umschwung der scholastischen Philosophie. Maßgeblichen auf diese Entwicklung hatten dabei die Franziskaner Alexander von Hales und Bonaventura.
War der stärkere Anschluss der Kirchenlehre an die Philosophie des Aristoteles schon durch die Vermittlung der arabischen und jüdischen Philosophen gefördert worden, zumal als nach dem Fall Toledos (anno 1085) die reichen Schätze arabischer Wissenschaft in die Hände der Christen gefallen waren, so wurde diese Bewegung noch gestärkt, seitdem im Laufe des 13. Jhs. der griechische Urtext von Konstantinopel her bekannt und ins Lateinische übersetzt wurde, aus dem man nun die wahre Lehre des Stagiriten erst kennen lernte.
Gründung der Universitäten[]
An diese knüpfte die Scholastik zunächst zögernd, dann aber umso lieber an, als sie erkannte, dass aus ihr eine wertvolle Stütze des eigenen Systems zu gewinnen war. Eine bedeutende Förderung erfuhr der wissenschaftliche Betrieb durch die um 1200 erfolgte Gründung der ersten Universitäten: Paris und Oxford. In den Statuten der ersteren (1215) wird allerdings nur das Studium der "neuen", d. h. neuentdeckten Logik des Aristoteles neben der "alten" erlaubt.
Dagegen war das Studium der Metaphysik und Naturphilosophie noch verboten, und erst ein Menschenalter später wurde auch dieses gestattet, nachdem man sie von den als ketzerisch geltenden neuplatonischen und averroistischen Auslegungen gereinigt hatte. Aristoteles erlangte bald eine so ungemessene Autorität, dass er als eine Art zweiter Johannes der Täufer, nämlich als "Vorläufer Christi in naturalibus", ferner als "Norm der Wahrheit", als die "geschriebene Vernunft", ja häufig als "der Philosoph" schlechthin bezeichnet wurde.
Franziskaner[]
In dieser Richtung wetteiferten miteinander die beiden neugegründeten Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner. Der erste Scholastiker, der die gesamte aristotelische Philosophie kannte und zur Begründung der Kirchenlehre verwertete, war der englische Franziskaner Alexander von Hales († 1245). Sein Hauptwerk, die "Summa universae theologiae"behandelt die seitdem übliche scholastische Methode.
Für Bischof Wilhelm von Auvergne († 1249) war Aristoteles der Führer für "alles unter der Mondsphäre"; in dem, was darüber hinaus geht, lehnte er sich daneben, soweit es seine Rechtgläubigkeit gestattete, auch an Plato an. Noch weit mehr geschieht dies bei dem italienischen Mystiker Johannes Fidanza, genannt Bruder Bonaventura (1221-1274), Schüler und Nachfolger des Alexander von Hales, später Ordensgeneral der Franziskaner. Diesem aus Lehrer und Schüler bestehenden Doppelgestirn stand ein ebensolches bei den Dominikanern gegenüber: Albertus Magnus und Thomas von Aquino.
Dominikaner[]

Unter dem Einfluss der beiden Dominikaner Albertus Magnus und Thomas von Aquino (Primat des Intellekts) verschmolz der Aristotelismus mit der Kirchenlehre. Die Lehre dieser beiden Mönche bezeichnet nicht nur die Höhe scholastischen Denkens, sondern beherrscht auch heute noch in der ausgebildeteren Gestalt die ihr der Aquinate verlieh, die offizielle "Philosophie" der katholischen Kirche.
Thomas von Aquino fand schon unter seinen Zeitgenossen, und zwar nicht nur in seinem Orden, zahlreiche Anhänger. Darunter befanden sich z.B. Polyhistor Vincenz von Beauvais († 1264) wegen seines "Speculum magnum", einer Enzyklopädie des damaligen Wissens, und Petrus Hispanus († 1277 als Papst Johann XXI.), der die Synopsis des Byzantiners Psellus (11. Jh.) als logisches Schulbuch (summulae logicae) bearbeitete; von ihm stammen die bekannten Memorialbezeichnungen der Arten des Schlusses: Barbara, Celarent usw.
Bedeutsamer ist, dass auch der größte Dichter des Mittelalters, Dante Alighieri (1265 bis 1321), in seiner "Divina Commedia" und besonders in seiner politischen Abhandlung "De monarchia" (um 1309) sich von thomistischen Anschauungen beeinflußt zeigte: so dass man "aus den Werken des Aquinaten einen Kommentar zu ihnen zusammenstellen" könnte. Freilich mit einem großen Unterschied: aus der Unterordnung des Imperium unter das sacerdotium wurde bei dem großen Ghibellinen eine Nebenordnung, doch es zeigen sich die ersten Keime einer neuen Zeit.
Die Opposition der Franziskaner[]

Heinrich von Gent (1217-1293) hatte in Anlehnung an Augustin und Plato den Primat des Willens und der Persönlichkeit gegen den Intellektualismus des Thomas von Aquin verfochten. Ihm folgte Richard von Middletown († 1300), der den praktischen, affektiven Charakter der Theologie betonte. Der Franziskaner Wilhelm de la Mare gilt als der Verfasser eines "Correctorium fratris Thomae", das nicht weniger als fünf Gegenschriften von dominikanischer Seite hervorrief: während Siger von Brabant († 1282) sogar einen gemilderten Averroismus an der Pariser Universität zu verteidigen wagte.
Dass man sich um jene Zeit auch mit dem antiken Skeptizismus von neuem beschäftigte, beweist eine aus der 2. Hälfte des 13. Jhs. stammende lateinische Übersetzung der "Pyrrhonischen Skizzen" des Sextus Empirikus. Der Hauptwiderstand gegen den Thomismus ging von dem großen Rivalenorden der Dominikaner, den Franziskanern, aus. Zu voller Entfaltung kam diese Richtung in einem Manne, der als der scharfsinnigste aller mittelalterlichen Denker gilt und trotz seines frühen Todes einer weitverbreiteten Denkrichtung, dem Scotismus, den Namen gab: Johannes Duns Scotus.
Mit Duns Scotus begann sich die von Albertus Magnus eingeleitete, von Thomas von Aquin durchgeführte Verschmelzung von Aristotelismus und Kirchenlehre, Vernunft und Christentum bereits wieder zu lösen. Wenn man daher in dieser den Höhepunkt und das wahre Kennzeichen der Scholastik sieht, würde man im Scotismus schon die beginnende Zersetzung der Scholastik erblicken.
Ausgang der Scholastik[]
- Siehe Hauptartikel: Scholastik (Ausgang)
Nach Philosophen wie Alexander von Hales, Richard von Middletown und Johannes Duns Scotus neigte sich die Blütezeit dieser Epoche ihrem Ende entgegen und erreichte nun den... Ausgang der Scholastik.
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Quellen[]
- Geschichte der Philosophie, Band 1 (Zeno.Org). Karl Vorländer. Leipzig 1903. 5. Auflage, Leipzig 1919. S. 476 ff.: Die Philosophie des Mittelalters. Zweiter Abschnitt - Die Scholastik.
- K. Werner, Die Scholastik des späteren Mittelalters. 4 Bde. Wien 1881-1887.