Der Schultheiß (ahd. scultheizo, mhd. schultheize, nhd. Schulze - 'Leistung Befehlender') oder Schulze bezeichnet im mittelalterlichen Rechtswesen den Beamten, der 'die Schuld heischt', d.h. im Auftrag seines Herren (Landesherrn, Stadtherrn, Grundherrn) u.a. Abgaben eintrieb oder für das Beachten anderer Verpflichtungen Sorge trug. [1]
Beschreibung[]
Dem Amtsnamen nach (ags. sculdhæta; afries. skeltata; nnd. schulte aus 'schuldhete'; lat. scultetus und causidicus) ist der Schultheiß derjenige, der Schuldigkeiten fordert oder Verpflichtungen befiehlt. Das Wort weist auf eine exekutive Wirksamkeit hin, nicht auf richterliche. Der Schultheiß ist der Gläubiger (lat. exactor) und gilt als Nachfolger des Sakebaro, der als Beamter in der Lex Salica auftaucht, ohne dass jedoch ein bestimmter Zusammenhang nachzuweisen wäre.
Entwicklung[]
Zuerst erscheint der Schultheiß bei den Langobarden, wo er für die Exekution sorgte, Bußen eintrieb und die Strafen vollzog. Er stand den territorialen Gerichtsbeamten, wie dem Richter (lat. iudex) und dem königlichem Gutsverwalter (lat. gastaldius), zur Seite, hatte aber selbst in bestimmten Bezirken eine obrigkeitliche und niedere richterliche Gewalt. Er wurde daher auch lat. rector loci ('lokaler Führer') genannt.
Auf deutschem Boden ist der Schultheiß erst im letzten Drittel des 8. Jhs. nachzuweisen. Er begegnet in rhäto-alamannischen und bairischen Zeugnissen und war ein unter dem Grafen stehender Beamter, der in kleineren Bezirken wirkte.
Etwas später ist er im fränkischen Bereich zu finden, und zwar sofort in einer ungemein vielseitigen und wechselnden Ausprägung, bald dem Zentenar, bald dem herrschaftlichen Aufseher (villicus) gleichgesetzt. Einerseits bestellten die hohen Provinzialbeamten den Schultheiß, andererseits auch die weltlichen und geistlichen Inhaber von Herrschaften. Daher gelangte das Amt des Schultheiß je nach herrschaftlicher Gerechtsame und deren wechselvollen Verhältnissen zu anderen Gerichtsgewalten und ganz verschiedener Wirksamkeit.
Wirkungsbereich[]
Schultheißen erscheinen als herrschaftliche Dorfrichter und Dorfvorsteher mit untergeordneten Kompetenzen, in bäuerlicher Lebenshaltung; aber auch als Stadtrichter. Während der Aufseher (villicus) des Dorfes unten blieb, stieg der richterliche Gemeindeverwalter (villicus juris urbani) empor und erlangte mitunter höchste Justizübung und eine leitende Stellung unter den Bürgern.
So wurde das Amt der Schultheißen in Deutschland von Jahrhundert zu Jahrhundert immer vielfältiger. Sie waren Hochrichter und Niederrichter, sowie unerläßliche Teilnehmer im Grafengericht, die als Richter über die Grafen zu fungieren hatten. Als „schweigende Schultheißen" waren sie neben den vorsitzenden Richtern zur Wahrung der besonderen herrschaftlichen Gerechtsame im Gericht anwesend, waren Ritter, Bürger und Bauern.
Diese Vielfalt in späterer Zeit kann man nicht in der Art einheitlich erklären wollen, dass man alles als Fortbildung der ursprünglich einheitlichen Amtsfunktionen ansieht. Verbindungen von ursprünglich gesonderten Ämtern, Übertragungen des Amtsnamens auf ursprünglich andersgeartete Wirkungskreise, all das führte zu der wechselvollen Verschiedenheit des Schultheißentums schon seit der fränkischen Zeit.
Am Anfang aber war der Schultheiß weder Ortsvorsteher noch Volksrichter, sondern der Wahrnehmer fiskalischer Interessen und Vollstreckungsbeamter. Erst später gewann dieses Amt durch durch verschiedene Beziehungen eine so überaus verschiedene Bedeutung.
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Quellen[]
- Deutsche Rechtsaltertümer (Google Books). Jacob Grimm. Leipzig 1899. 4. Aufl. Bd. II, S. 364 f., 369 ff., 488.
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. IV, S. 144.
- Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte (Internet Archive). Richard Schröder. Leipzig : Veit, 1889. S. 134 f., 175, 178, 442, 574 ff.
- Deutsche Verfassungsgeschichte (Internet Archive). George Waitz. 8 Bände. 1.-3. Aufl. Berlin 1878-96. Bd. II, S. 7 ff. Bd. III, S. 404, 406. Bd. IV, S. 408. Bd. VII, S. 36f, 317 ff. Bd. VIII, S. 75 ff.