Die Siedlungsformen des Frühmittelalters (ca. 500 bis 900 n.Chr.) wurden durch die Veränderungen im Siedlungswesen beeinflusst, die mit dem Aufstieg des Frankenreichs aufkamen und sich verbreiteten (s.a. Siedlungswesen: Frühmittelalter).
Beschreibung[]
Die Bevölkerungselemente, die sich aus der reinen Landwirtschaft herauslösten, wurden zahlreicher, und die Keime städtischer Entwickelung traten deutlicher hervor. Die Mittelpunkte der Verwaltung, die Königspfalzen und Reichshöfe, die Sitze der Grafen und die der Bischöfe wurden Plätze, an denen sich das Gewerbe entwickelte und Mittelpunkte des Handelsverkehrs, wie er in der „Fronhofswirtschaft" zwischen dem Herrenhof und den Stellen der grundhörigen Bauern entstand.
Die Höfe schlossen sich vielfach an die alten Wallburgen an, und so wurde die Vereinigung des friedlichen Verkehrs mit dem militärischen Schutz eingeleitet, die für die Städte charakteristisch ist, während die Bischofssitze Kultstätten und Verkehrspunkte vereinigten.
Anfänge städtischer Siedlung[]
Die älteren Städte des westelbischen Deutschlands gingen alle aus solchen Mittelpunkten staatlicher und kirchlicher Verwaltung oder aus den wiederbelebten Römerstädten hervor. Von letzteren sind in der Merowingerzeit (5. Jh.-751) Köln und Metz als Hauptstädte des Ostfrankenreiches von besonderer Bedeutung; neben ihnen treten noch Mainz, Straßburg, Augsburg und Regensburg mehr hervor.
Auch die Königspfalzen und Bischofssitze schließen sich zum Teil an die alten Römerorte an. Doch entstanden auch neue Orte, die im 9. Jhd. mehr und mehr Stadtcharakter annahmen; so besonders Aachen, die Lieblingsresidenz Karls des Großen, und Frankfurt, der Hauptort des Reiches Ludwigs des Deutschen (806-876). An der Ostgrenze des Frankenreiches wurden bei Festsetzung des limes sorabicus 805 eine Reihe von Orten als Plätze für den Handel mit den Slawen bestimmt, von denen Lorch, Regensburg, Forchheim, Hallstadt bei Bamberg, Erfurt, Magdeburg, Bardowiek schon als stadtähnliche Siedlungen gelten.
Rheinmündung und Friesenhandel[]
Am stärksten aber war die Entwicklung der Handelsplätze im weiteren Gebiet der Rheinmündung. Das Zusammentreffen des wichtigsten Verbindungsweges zwischen Süd- und Nordeuropa mit der ozeanischen Straße des britischen Kanals erwies sich hier schon früh als wirksam und verschaffte der Gegend eine Überlegenheit in Handel und Gewerbe, die sich im weiteren Mittelalter immer mehr steigerte.
Träger des Handels waren die Friesen. Sie brachten die Gewürze und feinen Stoffe des Orients, den Wein des Rheinlands nach England und holten von hier Rohwolle, die in Friesland und den Niederlanden zu Tuchen verwebt wurde. Der bedeutendste unter einer größeren Zahl von Häfen war Dorestad, das heutige Wijk bij Duurstede, an dem Punkt gelegen, wo der Krumme Rhein sich vom Lek abzweigt. [1]
Neue Siedlungsformen[]
Mit diesen neuen Siedlungsarten kamen auch neue Formen ins Land, deren Zusammenhang mit den römischen Vorbildern sich klar zeigt. Bischofssitze und Klöster knüpfen in ihrer Anlage an römische Bauweise an. Aber auch die fränkischen Kastelle, die z.B. im Sachsenland angelegt wurden, gleichen mit ihrem rechtwinkligen Grundriss so auffällig den römischen Limeskastellen, dass sie lange Zeit als römisch galten; und gleiche Formen weisen die mit ihnen verbundenen Reichshöfe auf. [2]
Ob auch die Handelsplätze in ihrer Anlage römischen Städten irgendwie ähnlich waren, lässt sich nicht erkennen. Die Grundrisse zeigen im Allgemeinen nur bei den als römische Gründungen bekannten Städten die Formen des Castrums (z. B. Metz, Köln), und auch bei diesen sind sie meist bis zur Unkenntlichkeit verwischt.
Ländliche Siedlungen[]

Taf. 31: Verbreitung der ländlichen Siedlungsformen (s. Dorf)
Die rein ländlichen Siedlungen lassen - mit Ausnahme der Klöster - die Einwirkungen der fränkischen Grundherrschaft auf die Siedlungsform nicht mit Bestimmtheit erkennen. Die Besiedlung des gerodeten Waldbodens in Mittel- und Süddeutschland erfolgte in Höfen oder Weilern, die dann vielfach nachträglich zu Dörfern heranwuchsen.
Die Orte, die in ihrer Entstehung dem Frühmittelalter zugewiesen werden können, zeigen nirgends die scharfgeprägten Formen der späteren Kolonisationsperiode. Dagegen ist zu vermuten, dass der alte Typus des Haufendorfes mit seiner Gewannflur erst in fränkischer Zeit die volle Ausbildung seiner wesentlichen Züge gefunden hat.
Schon die Entstehung der Dreifelderwirtschaft in dieser Periode, weist auf Umgestaltungen in den dörflichen Siedlungen hin. Dazu kommt, dass die Hufenverfassung auf spätere Veränderungen in der Zeit des fränkisch-grundherrlichen Siedlungssystems hindeutet. [3]
Vom Runddorf zum Haufendorf[]
Auch die Formen des Haufendorfes legen Veränderungen in den Siedlungsformen während der fränkischen Zeit nahe. Viele Haufendörfer, und oft solche mit sehr alten Namen, zeigen in ihrem Grundriss die regelmäßigen Formen der geraden Linie und des rechten Winkels. Mitunter steigert sich das bis zu einer starken Ähnlichkeit mit dem Grundriss des römischen Lagers. Es ist nicht unmöglich, dass diese Spuren einer bewußten, planmäßigen Anlage in die fränkische Zeit reichen.
Weitere Anzeichen einer Entwicklung des Haufendorfs liegen in den Siedlungsformen, die durch einen rundlichen, um einen Platz gruppierten Kern gekennzeichnet sind. Von diesen Anlagen führt eine vollständige Reihe von Übergängen bis zum ausgeprägtesten Typ des Rundlings (s. Runddorf).
Diese Runddörfer, die auf alten Slawenboden beschränkt sind, aber nur an der Westgrenze nahe der Elbe und Saale auftreten, gelten allgemein als volkstümlich slawische Siedlungsform, und da auch die verwandten Anlagen der 'unechten Rundlinge' und Platzdörfer zumeist in den östlichen Teilen des späteren Heiligen Römischen Reiches begegnen, so führt man sie auf slawische Einflüsse zurück.
Solche Dörfer haben jedoch sehr häufig deutsche Namen und oft fehlen auch in den Flurbenennungen alle slawischen Anklänge. Zudem erweckt jene Reihe von Übergängen zum echten Haufendorf Bedenken gegen den slawischen Ursprung, und schließlich kommen platzdorfähnliche Formen bis weit nach Westen hin vor, wo von Slawen keine Rede mehr war. Im Rheinland zwischen Bonn und Aachen finden sich z.B. mehrfach solche Anlagen, die ihre Gruppierung um einen Dorfteich rein aus der natürlichen Beschaffenheit des quellreichen Geländes gefunden zu haben scheinen.
Dicht an der Westgrenze des Heiligen Römischen Reiches treffen wir in dem Dorf Hastenrath bei Gangelt in Nordrhein-Westfalen auf einen Doppelrundling, dessen einer Teil eine scharf ausprägte Form dieses Typus' ist. Dies alles macht es wahrscheinlich, dass das Runddorf sich aus älteren germanischen Siedlungsformen entwickelt hat, auch wenn es seine strenge Ausprägung erst im Slawenland fand.
Entwicklung[]
Die Entwicklung ließe sich dann etwa folgendermaßen denken. Im Westen des beginnenden Heiligen Römischen Reiches - wo gerade das Ripuarierland allgemein als Gebiet alter Dorfbesiedelung gilt - bildeten sich Runddörfer aufgrund der Geländebeschaffenheit mit seinen vielen feuchten Stellen. Während der Kolonisation der Grenzmarken des Frankenreiches wurden sie dann dorthin übertragen (s.a. Siedlungswesen des Frühmittelalters: Die fränkische Siedlungsweise.
Anschließend wurden die Siedlungsform der Runddörfer, wie einige andere Kulturelemente (vgl. die erste größere slawische Staatengründung durch den Franken Samo) auf die Slawen übergegangen. Während dann im Grenzland und besonders auf slawischem Boden die weitere Besiedlung durch Neugründung kleiner Orte in ähnlicher Form erfolgte, wurden auf deutschem Gebiet die Orte vergrößert; durch Zu- und Anbauten wuchsen die Platzdörfer zu Haufendörfern an.
Weitere Dorfformen[]
Einem Teil der Haufendörfer würde hiernach eine bestimmtere Dorfform zugrunde liegen, während viele andere mehr den Eindruck des Zusammenwachsens von einem oder mehreren Gehöften machen; und jenes „Dorf" hätte sich mit der Frankenmacht verbreitet. Dem steht das Auftreten der Ortsnamen auf -dorf zur Seite (vgl. Ortsnamen: Frühmittelalter).
Diese Benennung kommt erst in fränkischer Zeit allgemein in Aufnahme und wird gerade in den östlichen Grenzmarken des Reichs besonders häufig verwendet. Außerdem hat sie neben anderen Gegenden eine Häufungsstelle im Gebiet der alten ripuarischen Franken. Da das Wort selbst im Gegensatz zu den sonstigen Ortsnamen-Endungen eine Zusammenscharung mehrerer Gehöfte bezeichnet, so kann der Begriff des 'echten geschlossenen Dorfes' durchaus an diese besondere Platzdorf-Form gebunden sein und sich auch erst mit ihr im Frankenreich verbreitete haben.
Dabei wurden auch ältere Siedlungen, die nur aus Höfen oder lockeren Gehöft-Gruppen bestanden, in die gleiche Entwickelungsrichtung gezogen. Auch sie vergrößerten sich und bildeten sich erst während der fränkischen Zeit zu echten Haufendörfern um. Dass in dieser Zeit die Vermehrung der Bevölkerung nicht allein zu Neugründungen auf Rodeland, sondern auch schon vielfach zu einem Anwachsen der bestehenden Orte führte, ist auch sonst wahrscheinlich. [4]
Jedenfalls war gerade die fränkische Zeit für die Entwickelung der sog. volkstümlichen Dorfformen von großer Bedeutung, wenn auch die Art der Vorgänge nicht vollständig geklärt ist und vieles nur als Vermutung gelten kann.
Verwandte Themen[]
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Quellen[]
- Die Franken, ihr Eroberungs- und Siedelungsystem (Internet Archive). Karl Rübel. Bielefeld, Velhagen (1904).
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 4 Bände (1. Aufl.). Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. I, S. 434 ff. (Art. Siedlungswesen, § 135 ff.)
Einzelnachweise[]
- ↑ W. Vogel, Die Normannen und das fränkische Reich, Heidelberg 1906, S. 66 ff.
- ↑ Carl Schuchhardt, Atlas Vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen (ZVAB), Lfg. 7, Hannover 1902
- ↑ Caro, Die Hufe, in Deutsche Geschichtsblätter (Wikisource). Monatsschrift zur Förderung der landesgeschichtlichen Forschung. (Hrsg. Armin Tille). Ausg. 4, 1903 (Internet Archive), S. 297 ff.
- ↑ Deutsche Wirtschaftsgeschichte (Internet Archive). Karl Theodor Ferdinand Michael von Inama-Sternegg, Johann Paul von Inama-Sternegg. Duncker & Humblot, 1909. S. 295