Mittelalter Wiki
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Auf das Siedlungswesen von der Antike bis Völkerwanderungszeit folgte das Siedlungswesen des Frühmittelalters (ca. 500 n.Chr.) in Mitteleuropa.

Einleitung[]

Das mitteleuropäische Siedlungswesen des Frühmittelalters (ca. 500 bis 900 n.Chr.) kann wie folgt gegliedert werden:

Beschreibung[]

Die Errichtung des salfränkischen Reiches bildet in der Siedelungsgeschichte einen ebenso wichtigen Abschnitt wie in der Staatengeschichte. Mit der Unterwerfung der germanischen Stämme unter die Frankenmacht (496 wird das Alemannenreich, 531 das der Thüringer vernichtet), kommen die Wanderungen der Völker zur Ruhe.

Die Änderungen im staatlichen, rechtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben, die sich allmählich durchsetzen, schaffen wesentlich andere Faktoren der Besiedelung, die dann in weiterer Entwicklung die gesamte übrige Zeit bis zum Ende des 13. Jhds. beherrschen. Die ersten Jahrhunderte bilden noch eine Periode des Übergangs, bis die Regierung Karls des Großen die Ergebnisse der Übergangszeit zusammenfaßt und die Grundlagen für die Zukunft legt.

Das germanische Wohngebiet und die Slawengrenze[]

Der äußere Umfang des germanischen Wohngebietes erfährt in den drei Jahrhunderten von 500 bis 800 insofern eine wichtige Veränderung, als die schon vorher von den Ostgermanen verlassenen Länder östlich der Elbe nun von den Slawen besetzt werden. Seit dem 6. Jhd. dringen diese westwärts vor.

Das fast menschenleere auf weite Strecken hin offene, waldarme Land durchschreiten sie schnell, so dass sie schon früh an der Elbe und Saale erscheinen und vielleicht im Laufe des 7. Jhds. auch über die Saale hinüber nach Thüringen hinein gelangen. Gleichzeitig rücken sie durch die Lücke zwischen Fichtelgebirge und Böhmerwald vor und besetzen das Gebiet des oberen Main mit seinen Nebenflüssen. Auch südlich von der trennenden Mauer des Böhmerwaldes schieben sich slawische Stämme in den großen Längstälern der Ostalpen bis nach Tirol hinein vor.

Karl der Große[]

Die Grenze zwischen germanischen und slawischen Volkstämmen schwankte während der Jahrhunderte von 500 bis 800 im einzelnen vielfach, bis sie durch Karl den Großen für längere Zeit festgelegt wurde. Dem alten römischen Limes entsprechend schloss Karl seinen eigentlichen Herrschaftsbereich gegen Osten durch den Limes sorabicus ab (805). Doch war dies nicht, wie sein Vorgänger, eine befestigte, mit Kastellen versehene Militärgrenze, sondern nur eine politisch festgesetzte Linie oder vielmehr ein breiterer Grenz bezirk.

Die Slawen, von Karl durchaus als Untertanen betrachtet, durften ihn nicht überschreiten; deutsche Kaufleute durften nur bis zu einzelnen besonders bezeichneten Punkten wie Bamberg, Erfurt, Magdeburg, Bardowiek, ostwärts vorgehen; Waffenausfuhr war verboten. Die Grenze folgte von der Donau bei Linz dem Böhmerwald, umging dann westlich das Gebiet der oberen Naab und des oberen Main mit der Regnitz und Pegnitz, überschritt den Frankenwald und schloß sich der Saale bis zu ihrer Mündung an.

Die Altmark blieb auf der slawischen Seite; doch erreichte die Grenze bei Lauenburg wieder die Elbe und zog von hier (seit 808) nordwärts zur Kieler Bucht. [1]

Diese Teilung Mitteleuropas zwischen Germanen und Slawen hat für die weitere Entwicklung grundlegende Bedeutung. Alle Einwirkungen auf die Siedelungsfläche, die mit dem fränkischen Einfluss zusammenhängen, können sich anfangs nur westlich des Limes sorabicus geltend machen. Im Slawenland bleiben die geographischen Zustände des Altertums bestehen, bis später die Germanisierung einsetzt.

Die fränkische Siedlungsweise[]

Die Tätigkeit der Franken nimmt das Werk der Römer auf germanischen Boden wieder auf. Die unmittelbaren Spuren römischer Zivilisation waren bis auf einige Reste von Römerstädten und Römerstraßen unter den Umwälzungen der Völkerwanderungszeit verloren gegangen. Nun aber zeigten sich die mittelbaren Wirkungen.

Die Berührung mit den überlegenen wirtschaftlichen und politisch-militärischen Einrichtungen des Römischen Reiches begann bei den Germanen selbst neue Früchte zu tragen. Während die ostgermanischen Völker bei ihren Staatengründungen in südeuropäischen Ländern in der römischem Kultur aufgingen, kamen die norddeutschen und innerdeutschen Stämme jedoch nicht in diese unmittelbare Berührung.

Den salischen Franken fiel die Rolle einer fruchtbaren Vermittlung zu. Ihr festgefügter Staat behielt in seinem austrasischen Teil bei allem Übernommenen doch von Grund aus germanisches Gepräge. Seine Macht und seine Einrichtungen waren es vor allem, die das Verhältnis der germanischen Bevölkerung zu ihrem Boden und damit das ganze Siedlungswesen auf eine andere Grundlage stellten.

Veränderungen[]

Die Veränderung zu früher besteht zunächst darin, dass die Umsiedlung großer Volksteile in andere Landschaften nicht mehr auf dem Weg der Völkerwanderung erfolgt, sondern durch ein Machtgebot des Herrschers bestimmt wird. Die Form der Landbesetzung durch ganze Volksgruppen, wie sie in der Völkerwanderungszeit üblich war, geschieht auch jetzt noch häufig; aber es ist die Staatsmacht, die ein erobertes Land mit fränkischen oder befreundeten Kolonisten besetzt, oder aber Teile eines unterworfenen Volks aus ihrer Heimat in andere Gegenden des Reiches verpflanzt.

So kamen nach dem Fall des Thüringer Reiches Franken in das Maingebiet, und einige Zeit später Hessen, Friesen und „Nordschwaben" in das Land nördlich der unteren Unstrut, nachdem die sächsischen Eroberer von 531 es wieder verlassen hatten. Auch Karl der Große siedelte mehrfach Sachsen in verschiedenen Teilen des Reiches an.

Die natürliche Ausbreitung der Germanen von ihrer Heimat an der Ostsee, entlang den geographisch vorgezeichneten Wegen, wird abgelöst von einer Durcheinanderwürfelung der Stämme aus politischen Gründen, die sich nicht nach dem geographisch Naheliegenden richtet und ihr Aktionszentrum an anderer Stelle, im Niederrheingebiet hat.

Art der Besiedlung[]

Doch auch die Form der Landbesetzung und Besiedlung selbst wandelt sich. Die Technik des Ackerbaus wird gehoben; müssen wir doch in dieser Übergangsperiode die Entwickelung der Dreifelderwirtschaft annehmen. Vor allem beginnt man jetzt die Wälder durch Sengen und Roden mehr zu lichten, und in den Niederlanden entwickelt sich bereits die von römischen Anregungen ausgehende Technik des Wasserbaus, sodass die die Friesen schon im 8. Jh. ihretwegen gerühmt werden. [2]

Im Binnenland wird diese schwierige Aufgabe nur bei kleineren Sümpfen vorgenommen, wobei sich die Benediktiner vor allen betätigen. Für die Durchführung und Ausbreitung solcher Errungenschaften ist aber wieder die staatlich-soziale Organisation von höchster Bedeutung. Alles zielt auch hier darauf ab, an die Stelle der ursprünglichen volkstümlichen Besiedlung eine planmäßige Kolonisation unter höherer Leitung zu setzen.

Dabei tritt neben der (jetzt zwangsweisen) Massenwanderung ganzer Volksgruppen die Wanderung einzelner Personen oder Familien in den Vordergrund, die zwar in kleinen Schritten erfolgt, sich jedoch zu großen Bevölkerungsverschiebungen summiert.

Einfluss der Rechtsauffassung[]

Wesentlich, wenn nicht sogar grundlegend für die Besiedelung in dieser Zeit ist die fränkische Rechtsauffassung, nach der alles herrenlose Land dem König zu eigen gehört. Sie wurde nicht nur auf wirklich herrenloses und unbesiedeltes Land angewendet; sondern es wurde auch oft ein Gebiet kraft des Rechts der Eroberung einfach als herrenlos und königseigen erklärt.

Der Bericht über die Gründung Fuldas durch Sturm (MGS. II 365 [3]) und andere Urkunden lassen erkennen, dass die stets wiederkehrenden Ausdrücke lat. eremus und vasta solitudo keine tatsächlichen Einöden bezeichnen - das Fulda-Tal hatte schon vorher eine schwache Bevölkerung, wie durch Ausgrabungen festgestellt wurde; sondern es sind nur Ausdrücke für das zu besetzende und zu kolonisierende Land.

Im Allgemeinen aber handelt es sich doch um Waldgebiete, die, noch kaum bewohnt, nun der Besiedelung erschlossen werden. Aus dem "eremus" wird ein Stück herausgeschnitten, nach feststehenden Regeln abgegrenzt und der Bebauung überwiesen. Die Neuanlagen waren von großer Ausdehnung; in einem besser beglaubigten Fall hat sich eine Fläche von 81 km² ergeben.

So bestand ein einfaches, klar ausgebildetes System der Besiedlung, das schon in der Merowingerzeit, häufiger dann in der Karolingerzeit überall im Frankenreich angewendet wurde. Soweit die Besiedelung unmittelbar vom König ausging, waren vorwiegend militärische und verwaltungstechnische Gesichtspunkte maßgebend. Königsgüter mit einem geschlossenen Wirtschaftsland von oft beträchtlicher Größe lagen im Reich zerstreut. Sie dienten als wirtschaftliche Unterlage für die königliche Hofhaltung, die Beamtenschaft und die Heere und bildeten die Stützpunkte der fränkischen Macht. Eine Reihe von Burgen und Reichshöfen mit Königsgut sicherte später die Straße des Hellwegs, die ins Sachsenland führte.

Grundherrschaften[]

Zwar drang die unmittelbare Staatskolonisation an manchen Stellen schon in das Waldland hinein, die große Erweiterung der Besiedelungsfläche geschah aber wohl mehr mittelbar, durch Verleihung des Königslandes an Grundherren. Die aus den spätrömischen Zuständen übernommene Grundherrschaft wird in verschiedener Form zur eigentlichen Trägerin der Innenkolonisation.

Dabei steht die Kirche in der Zeit vor 800 noch weit voran. Ihre Tätigkeit geht mit der staatlichen Hand in Hand, richtet sich aber hauptsächlich gerade auf den Ausbau des Landes. Die Klöster werden fast sämtlich in kaum bewohnten Gegenden angelegt, sie sind vor allem die Träger der verbesserten Technik im Feldbau, sie führen Weinbau und geordnete Gartenanlagen ein.

Weniger umfangreich war in dieser Zeit noch der Ausbau durch weltliche Grundherren. Doch fehlt es auch hierfür wenigstens aus dem 8. Jhd. nicht an Beispielen, besonders am Niederrhein und in Bayern. Neben diesen großen Neuanlagen tritt der Ausbau durch Markgenossen und einzelne kleine Besitzer mehr und mehr zurück. Doch verschwinden allmählich die öden Grenzländereien, die auch im offenen Land die Besiedelungsfläche durchzogen. Überall setzt sich das Prinzip fester Grenzlinien durch.

Bevölkerungszahl[]

Fasst man alles zusammen, so nahm die Anbaufläche genau wie die Intensität der Bebauung in diesem Zeitraum erheblich zu; damit muss auch die Bevölkerungszahl bedeutend gewachsen sein. Allerdings gibt es nur wenige Vorstellungen von der Größenordnung. Der deutsche Althistoriker Karl Julius Beloch (1854-1929) veranschlagte die Bevölkerungszahl für die Zeit um 800 wie folgt: für das Gebiet des heutigen Deutschlands (ca. 357.000 km²) ca. 3 Millionen Bewohner, also ca. 9 auf 1 km²; für die slawischen Gebiete (ca. 200.000 km²) nur wenige Hunderttausend. [4]

Gleichwohl hatte sich das Gesamtbild des Landes noch wenig geändert. Es blieb bei inselförmigen Siedelungsflächen, von breiten Wäldern oder Sümpfen eingefaßt. Die jetzt auch staatlich organisierten Gaue waren landschaftlich immer noch mehr oder weniger getrennt und individualisiert.

Geographischer Überblick (Frühmittelalter)[]

Welche Landschaften unter dem Einfluss des fränkischen Systems schon vor 800 einen stärkeren Ausbau erfahren haben, lässt sich nach der historischen Überlieferung einigermaßen beurteilen, wenn man die geographischen Verhältnisse mit berücksichtigt. Folgt doch die ganze Entwicklung der Ausbreitung der Frankenmacht. Wo sie Fuß fasste, wird auch immer eine Erweiterung der Besiedelungsfläche stattgefunden haben.

Anderseits kann aber der Ausbau zu dieser Zeit immer erst die niedriger gelegenen und leichter zugänglichen Teile des Waldes betroffen haben. Die Lage und die Gründungszeit der Rodeklöster sind bekannt, und für das Siedlungssystem der Franken gibt es Beweismaterial aus allen Teilen ihres Reiches, allerdings nur in Stichproben und vorwiegend auf die karolingische Periode bezüglich. Das alles gibt allgemeine Hinweise und zumindest örtlich beschränkte Aufklärung.

Doch für einen Überblick über die gewonnenen Flächen im Ganzen können sich Forscher auch hier noch auf die (allerdings unsichere) Quelle der Ortsnamen stützen... Weiterlesen.

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Honigsheim, Paul: Der „limes sorabicus" in Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde (Digitalisat Uni Jena). 1906, S. 303-322.
  2. Geschichte der Niederlande (Band 1-6). Petrus Johannes Blok. Gotha (1902 - 1918). Nachdruck Nabu Press (8. April 2010). ISBN 1148707018. ISBN 978-1148707013. Bd. I
  3. Monumenta Germaniae Historica (MGH). Scriptores (in Folio) (SS). II 365
  4. Karl Julius Beloch; Bevölkerung Europas im Mittelalter in Zeitschrift für Sozialwissenschaft. Bd. 3, 1900.
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