Mittelalter Wiki
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Der Geographische Überblick des Siedlungswesen der Völkerwanderungszeit (375/376 bis 568 n.Chr.) auf Basis der erheblichen Eisenzeitlichen Veränderungen (100 v. Chr. bis 500 n. Chr.) teilt sich in die Betrachtung des altgermanischen Siedlungsgebietes und der eroberten keltisch-römischen Länder.

Beschreibung[]

Die siedelungsgeschichtlichen Ergebnisse der Ortsnamenforschung sind für das Altertum vielfach sehr unsicher. Doch für die Völkerwanderungszeit (375/376 bis 568) läßt sich die Verbreitung bestimmter Namensgruppen durchaus überblicken. Diese ergänzen das Bild der großen Ausbreitungsrichtungen der germanischen Stämme und ihren neuen Siedelungsgebieten. Der Geographische Überblick für die Völkerwanderungszeit teilt sich wiefolgt:

  • a) Das altgermanische Siedlungsgebiet und die Durchbrechung des mitteldeutschen Waldgürtels.
  • b) Das eroberte keltisch-römische Land.

Das altgermanische Siedlungsgebiet[]

In dem in dem Landstrich, der von der Unterelbe durch Thüringen nach dem Süden führt läßt sich eine große Straße langandauernder Völkerbewegungen erkennen, die zur dauernden Eroberung des Keltenlandes führte. Die Lage der suebischen Urheimat im Brandenburgischen, die Wanderung der Markomannen ins Maingebiet (und später von da nach Böhmen), schließlich die Erstreckung des thüringischen Königreiches in einem schmalen Streifen von der Unterelbe zur Donau hin, zeigen das deutlich an. Dieser Landstreifen tritt aber auch deutlich in den Ortsnamen hervor, durch die besondere Mischung allgemein üblicher Endungen.

Nord-Süd-Bewegung[]

Die Verteilung von Ortsnamen zeigt ein zusammengehöriges System von Nord-Süd-Bewegungen, das noch dadurch verstärkt wird, dass die Namensgruppen sich zuweilen paarweise ausschließen und dadurch als enger zusammengehörig erscheinen. Im Land zwischen Unterelbe und Thüringer Wald ist dies bei den Namensendungen -ingen und -leben zu beobachten; beide kommen einander benachbart vor, aber unter gegenseitigem Ausschluß.

So in der Magdeburger Börde, an der unteren Helme, wo nördlich des Flusses die Endung -ingen, um den Kiffhäuser dagegen nur die Endung -leben auftritt, und an einigen anderen Stellen. Beide Gruppen sitzen so fleckenweise über den Bezirk der -stedt verteilt. Die Namensendungen auf -stedt dagegen verstreuen sich gleichmäßig über die alte Besiedelungsfläche und scheinen zusammen mit einigen anderen Namen das älteste Siedelungsnetz dieser Gegenden anzuzeigen.

Namensgruppe "-lehen"[]

Ein Merkmal dieses Landstriches ist u.a. die Gruppe der Namen auf -lehen, die wegen ihres scharf abgegrenzten Auftretens schon früh zur Forschung anregte und immer als Zeichen einer Wanderung aus dem Norden gedeutet wurde ist. Häufig findet sie sich im nördlichen Teil der jütischen Halbinsel, auf den dänischen Inseln und im südwestlichen Schwaben, dagegen fehlt sie in Holstein, um dann südlich der Elbe, zunächst wenig zahlreich, dann aber sehr häufig in der Magdeburger Börde wieder aufzutreten.

Von hier zieht sich ihr Verbreitungsgebiet östlich am Harz vorbei tief nach Thüringen hinein. Jenseits des Thüringer Waldes treten dann noch einmal ganz vereinzelte Namen im Maingebiet auf, worauf die Endung verschwindet. Östlich der Elb-Saale-Linie ist ihr etwaiges Vorhandensein unter der slawischen Deckschicht nicht mehr zu erkennen. Westlich bildet die Oker - einst die Grenze des Thüringerreiches - einen scharfen Abschluß ihres Verbreitungsgebietes. Die Nord-Süd-Bewegungsrichtung ist hier deutlich ausgeprägt.

Namensgruppe "-ingen"[]

Auch andere Benennungen schließen sich dieser Nord-Süd-Bewegung an. Vor allem die Namen auf -ingen (oder -ungen). Sie kommen zwar auch anderswo vor und sind ein Merkmal der westgermanischen Stämme, aber gerade auf der genannten Linie finden sich eine Reihe von Stellen häufigeren Auftretens, die sich in das Bild dieser Nord-Süd-Bewegung einfügen und es vervollständigen. Schon in Schleswig-Holstein begegnen Namen dieser Art (auf -ing) zusammen mit der Gruppe auf -ingen betrachtet werden kann.

Dann folgt weiter südlich eine Häufungsstelle, die sich ringförmig um das Magdeburger leben-Gebiet herumlegt. Weiter geht es den gleichen Weg wie vorher nach Thüringen hinein. Eine Gruppe dieser Namen im Helmetal zeigt dann den Weg an, dem die Bewegung folgte; sie drang, an verschiedenen Stellen zwischen Harz- und Thüringer Wald, westwärts ins Werratal, durch das sie südwärts das mittlere Maingebiet erreichte.

Eine schwache Reihe dieser Namen leitet hier fließend hinüber zum schwäbisch-bayerischen Gebiet, in dem sie ihre Hauptverbreitung fand. Nach dem Ortsnamenbestand ist die Umgehung des Thüringer Waldes im Nordwesten wahrscheinlicher, als die Überschreitung des Gebirges auf den vogtländischen Straßen westlich und östlich des Fichtelgebirges.

Namensgruppe "-stedt"[]

Die dritte wichtige Endung ist "-stedt". Sie ist weit weniger allgemein verbreitet als -ingen (-stadt ist häufig erst jüngeren Ursprungs), doch gleichfalls nicht auf einen Stamm beschränkt. Ihr zusammenhängendes Verbreitungsgebiet ist sehr groß. Es breitet sich von der jütischen Halbinsel, vor allem Holstein, fächerförmig über das Flachland südwärts aus, so daß die Ausstrahlung der Germanen aus dem Norden hier am deutlichsten wird.

Im Flachland nördlich der Allerlinie reichen die Namen auf -stedt westwärts bis über die Hunte hinaus, südlich der Aller machen sie schon vor der Okerlinie Halt, östlich des Harzes greifen sie in großer Zahl weit in das alte Siedelungsgebiet Thüringens hinein. Schon diese südliche Ausstülpung in Thüringen weist wieder auf die gleiche Bewegungsrichtung wie das Auftreten der Namen auf -ingen und -leben.

Aber auch weiterhin begleiten die stedt-Namen diese beiden Endungen, denn wir treffen sie zuerst spärlich auf der Werralinie, dann recht zahlreich (in der etwas veränderten Form -stetten) im alemannischen Gebiet der Namen auf -ingen, während sie in Bayern selten begegnen.

Süd-West-Bewegung[]

Eine zweite Ausbreitungsrichtung der Germanen müssen wir in Süd-West-Richtung annehmen; sie führte zur Besiedelung des eigentlichen Hessen, die z. T. auch auf dem vorher genannten Wegen, hauptsächlich aber unmittelbar vom norddeutschen Tiefland, d. h. von den Tälern der Leine und Weser aus erfolgte. Die alte Bediedelungsfläche, die sich hier auf schmale Striche in den Haupttälern beschränkt, zeigt einen ganz anderen Bestand an Ortsnamen als die erste Wanderstraße, die wieder durch diesen Unterschied noch deutlicher hervortritt.

West-Bewegung[]

Die dritte Hauptrichtung der Ausbreitung weist nach Westen. Hier standen zwei Wege zur Verfügung: einmal das Tiefland selbst, besonders der waldarme Strich am Fuß der Mittelgebirge, und dann die Küste. Beide Wege führten die Germanen frühzeitig bis in das Rheinmündungsgebiet hinein. Schon um 330 v. Chr. trifft sie der griechische Geograph Pytheas (um 380-310 v.Chr.) hier an, und Caesar findet im ganzen Niederrheingebiet die zurückweichenden keltischen Belger stark mit Germanen vermischt. Weiter südlich dringen auf der Lahnlinie die Ubier über den Rhein. An den Küsten entlang haben sich die Friesen früh aus ihrer nordeuropäischen Heimat nach Westen hin verbreitet.

Während die Verschiebungen germanischer Stämme auf den westlichen Wegen einigermaßen klar erkennbar sind, weiß man wenig über die Ausbreitung der Ortsnamen in den älteren Zeiten. Das reichliche Vorkommen von Einzelhöfen läßt in Nordwestdeutschland keine charakteristischen Namengruppen zu. Auch mag die Ausbreitung selbst allmählicher, in fortgesetzten kleinen Schritten vor sich gegangen sein, weniger in der Form durchgreifender Wanderungen. Jedenfalls können aus den nordwestlichen deutschen Ortsnamen keine gesicherten Ergebnisse über den Gang der Besiedelung gewonnen werden.

Das eroberte keltisch-römische Land[]

Die fächerförmige Ausstrahlung vom Gebiet der jütischen Halbinsel aus führte im Westen und Süden germanische Siedler in das alte Keltenland. An den Enden der Wege bildeten sich dann neue Ausbreitungszentren. Dieser zweite Akt der Besiedelungsgeschichte zur Völkerwanderungszeit läßt sich bestimmter erkennen, da es reichere historische Überlieferung gibt. Doch bleiben auch hier die Ortsnamen eine wichtige Quelle, um die räumlichen Verhältnisse der Besiedelung zu erkennen. Die stärksten Ausstrahlungszentren lagen im Südwesten und Nordwesten bei den Alemannen und Salfranken, wogegen das mittlere, hessische Gebiet etwas zurücktritt.

Alemannen[]

Die Landschaften am mittleren und oberen Neckar sowie die Hochflächen der Alb, schon in römischer und vorrömischer Zeit verhältnismäßig dicht bewohnt, wurden von den Sueben und Alemannen auf der alten Besiedelungsfläche neu besetzt. Besonders klar ist die Grenze gegen den Schwarzwald. Zum Bestand der ältesten germanischen Besiedelung sind ferner die meisten der Ortsnamen auf -stetten zu rechnen, und auch z. T. die heim-Orte... Weiterlesen. [1]

Bayern[]

Auch Bayern ist ein Gebiet germanischer Massenbesiedelung, dessen Besetzung in letzter Linie mit den Völkerbewegungen auf der großen Nordsüd-Wanderstraße zusammenhängt. Früh gelangten auf diesen Wegen die Markomannen auf die Südseite der mitteldeutschen Waldgebirge und nahmen, sich ostwärts wendend, Böhmen in Besitz. Hier blieben sie lange und erst als die Römer längst verschwunden waren, zogen sie um den Beginn des 6. Jhs. als Bayern in das fast menschenleer gewordene Land zwischen Donau und Alpen... Weiterlesen.

Mitteldeutschland[]

In Mitteldeutschland blieb as Zentrum der Ausbreitung hinter der Linie des römischen Limes zurück. Das altbesiedelte Hessen übernahm hier die Rolle der im Südwesten und Nordwesten weiter vorgeschobenen neuen Posten. Von Hessen aus erfolgten zuerst in die Wetterau, später nach Rheinhessen starke Kolonisationsbewegungen, deren Siedelungstätigkeit in den vielen Namen auf -heim sich widerspiegelt. Hier scheinen die alten Römerländer entweder fast entvölkert gewesen zu sein oder die Neusiedler verdrängten die angestammte Bevölkerung.

Auch nach Westen ins Mittelrhein- und Moselgebiet richteten sich die Wanderungen, auf die mglw. vor allem die Namensendung -back hinweisen. Hier überall blieb die alte Besiedelung, soweit sie nicht auf Rodland lag. Die Neusiedler setzten sich dazwischen. Die römischen Villen im Waldgebirge verschwanden dagegen. Weiter nördlich finden wir im Tiefland die hessischen Namen auf -lar in verhältnismäßig großer Zahl verbreitet. [2]

Nordwesten[]

Im Nordwesten des heutigen Deutschlands, wo sich der germanischen Ausbreitung nach Westen kein Waldgürtel entgegenstellte, war das Land z. T. schon vor Ankunft der Römer germanisch. Die neue Ausbreitung knüpfte also unmittelbar an den Tieflandsweg an. Der Waldgürtel wurde erst nach Schwinden der Römermacht überwunden. Während im Niederrheingebiet selbst das Nebeneinanderbestehen einiger altdeutscher Ortsnamen mit häufigeren keltischen die Mischbesiedelung anzeigt, treten bei der weiteren Ausstrahlung die bekannten germanischen Ortsnamen-Endungen wieder stark hervor und lassen durch ihre Verbreitung die Wege der Ausstrahlung erkennen.

Luxemburg / Lothringen[]

Äußerst zahlreich sind die Namen auf -ingen im luxemburgischen und lothringischen Gebiet. Der dort herrschende, dem rheinfränkischen verwandte Dialekt, ist Zeichen einer starken fränkischen Kolonisation, deren Weg durch Ortsnamen wie durch geographische Verhältnisse recht deutlich gekennzeichnet ist. Es ist die schmale, geologisch bemerkenswerte Senke, die sich auf der Linie Düren-Trier durch das Rheinische Schiefergebirge zieht und die wahrscheinlich seit der Steinzeit waldfreie Strecken aufwies. Auftreten von alten, z. T. keltischen Namen, denen sich einige solche auf -ingen zugesellen, bestätigen die Annahme, dass hier der Verbindungsweg lag. Daneben kommen natürlich die Talwege des Rheins und der Mosel selbst in Betracht.

Belgien und Flandern[]

Ein zweites, wohl das älteste Gebiet fränkischer Massenkolonisation liegt, in gerader Fortsetzung des alten Tieflandweges, in Belgien und Flandern. Hier, wo das Waldgebiet der Ardennen westwärts umgangen werden konnte, bot sich die beste Möglichkeit einer weiteren Ausbreitung über das nördliche Frankreich, die zur Begründung des Fränkischen Reiches führte. Hier ist vor allem die Endung -heim (oft -inghem; im französischen Sprachbereich durch ville ersetzt) das Anzeichen der Massenbesiedelung; die Namen dieser Art sind hier außerordentlich zahlreich.

Küstenstriche[]

Entlang der Küste tritt die Entwicklung eines neuen Ausstrahlungszentrums während der Völkerwanderungszeit weniger hervor. Die Friesen behielten ihre Sitze und schienen sich während dieser Zeit mit der weiteren Besiedelung ihres Landes zu begnügen.

Dagegen ging die überseeische Wanderung nach England anfänglich gleichfalls vom Rheinmündungsgebiet aus. Hierher kamen, zumeist jedenfalls auf dem Landweg, Sachsen und Angelwarnen, setzten sich in der Gegend von Calais und in der römischen Toxandria, der späteren Landschaft Toringia, fest und begannen von hier ihre Raubzüge nach Britannien, die bald größere Massen aus der schleswig-holsteinischen Heimat nach sich zogen. Abermals sind es die im heutigen Deutschland bekannten Ortsnamen, welche diese Massenbesiedelung anzeigen: besonders die Endungen -heim, (-ham) und -ingen (-ing), seltener und in beschränkterer Verbreitung -stedt, (-stead).

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Die Besiedlung des Alamannenlandes (Internet Archive). Karl Weller. Stuttgart : W. Kohlhammer, 1898.
  2. Ansiedelungen und Wanderungen deutscher Stämme, vornehmlich nach hessischen Ortsnamen (Internet Archive). Wilhelm Arnold. Marburg : Elwert, 1875.