Mittelalter Wiki
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Die Betrachtung der Waldbedeckten und waldfreien Flächen spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Besiedlungsfläche in Mitteleuropa im Altertum. Die Periode dieser Betrachtung erstreckt sich von der Jungsteinzeit (5500-2200 v. Chr.) an bis zum Ende der vorrömischen Eisenzeit (1.n.Chr.).

Beschreibung[]

Das Landschaftsbild während der vorrömischen Eisenzeit konnte früher nur nach den spärlichen Angaben der römischen Schriftsteller beurteilt werden. Einige, wie z.B. Tacitus bezeichnen Deutschland summarisch als Land, das überreich an gewaltigen Wäldern und Sümpfen sei (Germ. c. 5). [1]

Literarische Quellen[]

Griechische und Römische Historiker beschrieben in der Antike und Spätantike im Landschaftsbilds Mitteleuropas ausgedehnte geschlossene Waldgebiete, deren Lage sich annähernd erkennen läßt. Als größtes erscheint der Herkynische Wald (lat. Hercynia silva), der den gesamten Waldgürtel der mitteldeutschen Gebirge (Mittelgebirge) umfaßt. Daneben werden die lat. Arduenna Silva (Eifel und Ardennen), lat. Marciana silva (Schwarzwald), lat. Gabreta silva (Böhmerwald), lat. Bacenis silva (Spessart) und andere mehrfach erwähnt.

Die Angaben der römischen und griechischen Schriftsteller führten allerdings zu übertriebenen Vorstellungen von der Ausdehnung der Wälder. Keine größeren offenen Landschaften sollten zwischen Wald und Sumpf bestehen, die Germanen sollten der Hauptsache nach in Wäldern leben. Mit einer solchen Beschaffenheit des Landes läßt sich aber weder der wirtschaftliche Zustand eines schweifenden „Halbnomaden"-Lebens, in dem man sich die Germanen jener Zeit dachte, noch die Höhe der von den antiken Schriftstellern angegebenen Bevölkerungszahlen in Einklang bringen.

Doch diese antiken Berichte dürfen nicht unbedingt eine wortgetreu ausgelegt werden, selbst die Worte des Tacitus nicht. Neuere Forschungen gelangten in Hinsicht auf Beschaffenheit des Geländes, Wirtschaftszustand und Bevölkerungsmenge zu anderen Anschauungen, die sich schon besser zu einem Gesamtbild vereinigten.

Beschaffenheit des Geländes[]

Die Ausdehnung der alten Besiedelungsfläche bis zum Ende der vorrömischen Eisenzeit (1.n.Chr.) läßt sich in ihren Grundzügen einigermaßen bestimmen, teils durch Nachweis der unbebauten Gebiete, teil durch den Nachweis eben von alten Siedelungsspuren. Einige Anhaltspunkte dafür auch bietet die Beschaffenheit des Geländes und die Zusammensetzung des Bodens. Schon aus den rein geographischen Betrachtungen ergeben sich die Grenzen der alten Sumpfgebiete fast immer mit großer Sicherheit.

Ehemalige Sümpfe verschwinden auch durch die menschliche Zivilisation nicht so vollständig, dass nichts mehr an sie erinnerte. Ebene Flächen, meist mit Wiesen bedeckt, zwischen höheren, wenn auch nur um wenige Fuß höheren Rändern zeigen ihre Stelle an; noch sicherer gibt die Bodenanalyse darüber Aufschluss. Erst die neuzeitliche Fehnkultur beseitigte manche Hochmoore völlig. Sonst zeigt aber der Boden weit genauer an, wo einmal Sumpf, Moor oder feuchte Niederung gewesen ist, als die historische Überlieferung. Diese wird erst dann von Wert, wenn es sich um den Nachweis handelt, wann ein Sumpf noch bestand, wann er urbar gemacht wurde.

Außer den großen Sumpf- und Moorflächen, die vor allem im norddeutschen Tiefland und im Alpenvorland weithin jede Besiedelung ausschlossen, waren durchweg auch die Talsohlen der Flüsse versumpft. Die Täler sind deshalb nur dort Stellen ältester Besiedelung, wo sie breit genug waren, um neben der eigentlichen Talsohle noch anderen Boden zu enthalten. Fehlte dieser, so wurden sie lange gemieden, wie bis in die Moderne viele enge Täler (z. B. in der Eifel) ohne Siedlungen, ja, ohne Wege blieben.

Lokalnamen[]

Eine weitere, sehr wichtige Quelle liegt in den Lokalnamen. Orts- und Flurnamen geben sehr häufig Hinweise auf die ehemalige Beschaffenheit des Geländes. Für die großen Züge der Besiedelungsgeschichte sind dabei am wertvollsten die Namen, die auf Wald und Niederlegung des Waldes deuten: -rode und die anderen Dialektformen desselben Wortes (-rade, -reuth u.s.w.); ferner -schwende, -hagen, -hain, -hart, -husch, -loh und andere mehr.

Nicht immer aber läßt sich erkennen, ob Hochwald oder Hain und Busch gemeint sind, und bei manchen Flurnamen bleibt auch überhaupt zweifelhaft, ob sie auf Baumbestand deuten. Im ganzen aber bilden die Lokalbenennungen gerade für die Ermittelung ehemaliger Waldbedeckung das reichste, zuverlässigste und am leichtesten verwertbare Quellenmaterial. Bei dem damals herrschenden Klima war fast überall in Mitteleuropa Waldwuchs möglich... Weiterlesen.

Geographische Verteilung der Siedlungsspuren[]

Der Gegensatz von waldbedeckten und waldfreien Gebieten zeigt sich für die Siedelungsgeschichte noch deutlicher, wenn man die geographische Verteilung derältesten Siedlungsspuren selbst heranzieht. Die ältesten Ortsnamen orientieren sich an offenen Landschaften, wie sie auch für Skandinavien nachgewiesen wurden. [2] Das gilt ebenso für die vorgeschichtliche Besiedelung. Die Ausgrabungsfunde, mindestens von der Bronzezeit (2200-800 v. Chr.) an, sind auf eben diese waldfreien Flächen beschränkt.

Nur Einzelfunde und Fluchtburgen, die sich in den Wäldern versteckten, gehen über die Waldgrenze hinaus; doch selbst diese vorgeschichtlichen Befestigungen bleiben immer in den Waldrändern nahe bei den bewohnten Bezirken. Die offenen Flächen werden bereits in vorgeschichtlicher Zeit mehr oder weniger von Besiedlung ausgefüllt.

Diese mag später dichter geworden sein, aber - und das ist für die Siedlungsgeschichte das Wesentliche - die Besiedlungsfläche wächst nicht aus kleinen Anfängen allmählich an, sondern sie ist von Anfang an verhältnismäßig groß, erhält sich dann aber im Wesentlichen unverändert durch das gesamte Altertum seit der Jungsteinzeit (5500-2200 v. Chr.), bis in einigen Landesteilen vorübergehend die Römerzeit, dann in größerem Maßstab erst die fränkischen und nachfolgenden Jahrhunderte eine wesentlich Erweiterung bringen.

Wie Ausgrabungen beweisen, wie konstant die einzelnen Wohnstellen als solche beibehalten wurden, so ist es auch mit der Besiedlungsfläche insgesamt. Lange Jahrhunderte hindurch führte die Bevölkerungszunahme nicht dazu, die Fläche durch Kultivierung zu erweitern, sondern veranlaßte hauptsächlich Auswanderungen.

Die Erklärung hierfür liegt zum großen Teil darin, dass das Roden mit nicht geringen Schwierigkeiten verknüpft ist. Die Mittel zum Fällen der Bäume besaß zwar schon der steinzeitliche Mensch, aber damit allein wurde noch kein Wald in Ackerland verwandelt. Auch die Wurzeln müssen in mühsamer Arbeit ausgegraben werden, und diese Arbeit konnte im Altertum nicht in größerem Stil betrieben haben.

Ein anderes Mittel wäre die Brandrodung, wie es noch heute in den Tropen geschieht. Anzeichen für die Anwendung des Brandverfahrens in größerem Umfang sind aber in Deutschland nicht vorhanden. Zwar säuberten die Bewohner im Gebiet des heutigen Deutschlands schon während des Altertums das Land beständig von einzelnen Bäumen und von Buschwerk, so dass sie auch in kleinerem Maße in die lichteren Randpartien der Wälder eindringen konnten. Aber die eigentlichen großen Waldflächen scheinen sie weitestgehend unberührt gelassen zu haben. Diese blieben echte Urwälder, in die der Mensch nur schwer eindringen konnte.

Vor allem die Nadelholzwaldungen waren völlig undurchdringlich, während die Laubwälder etwas weniger unzugänglich waren. Die Urwälder konnten also nur schwer betreten und auch nur bedingt als Jagdgründe genutzt werden. Das menschliche Leben erstreckte sich also im germanischen Altertum weitestgehend nicht über die lichteren Randzonen der Wälder hinaus.

Klima[]

Da es unwahrscheinlich ist, dass die ältesten neolithischen Bevölkerungen im Gebiet des heutigen Deutschlands die offenen Landschaften, die von altersher besiedelt wurden, erst in großem Umfang aus dem Wald herausgehauen hat, so bleibt nur die Annahme übrig, dass sie von Natur aus offen, oder zumindest nur schwach bewaldet waren, als jene Bevölkerungsgruppen einwanderten. Und das legt den Verdacht nahe, dass das Klima anders war als heute, dass kein Waldklima, sondern ein Steppenklima herrschte.

Nun ist der Beweis früherer Steppenzeiten durch Eiszeitgeologen, Pflanzen- und Tiergeographen und durch die Prähistoriker längst erbracht. Nicht nur zwischen den großen Eiszeiten schalteten sich in den Interglazialzeiten auch Steppenperioden ein, sondern der Übergang von der letzten Eiszeit ("Würmeiszeit") zur Gegenwart erfolgte in Schwankungen, wobei zwischen stärkeren Gletschervorstößen auch wieder warme und trockne Perioden lagen.

Doch liegen die bisher nachgewiesenen Steppenzeiten vor dem letzten großen Vorstoß der Alpengletscher, dem „Daun-Stadium" (der deutschen Geographen Albrecht Penck und Eduard Brückner), und da dieses vorneolithisch ist und in die Altsteinzeit fällt (13.000-14.200 Jahre v.Chr.) [3] [4], können sie kaum eine nähere Beziehung zu der mit der Jungsteinzeit (5500-2200 v. Chr.) einsetzenden Besiedelung haben.

Erst die von Pflanzen- und Tiergeographen aufgestellte Theorie einer nacheiszeitlichen Trockenperiode, wonach diese Steppenzeit erst nach dem "Daun-Stadium" (13.000-14.200 Jahre v.Chr.) einsetzte, war für die Erklärung des Grundcharakters der alten Landschaft von größter Bedeutung. In der Tat verhärtete sich die Theorie über einen noch zweimaligen Wechsel warmer und kühler Perioden mit abnehrrender Stärkenach dem "Daun-Stadium" in langjährigen Studien über die Pflanzenverbreitung .

Auch Robert Gradmann (1865–1950) versuchte den Nachweis einer längeren Trockenperiode nach dem "Daun-Stadium". Während dieser Steppenzeit hätte dann die neolithische Bevölkerung von den waldfreien Gebieten Besitz ergriffen, und, als das feuchter werdende Klima überall dem Waldwuchs wieder günstiger wurde, wäre ein erneutes Vordringen des Waldes durch die Bevölkerung und ihre weidenden Herdentiere verhindert worden.

Für diese Theorie sprechen Beobachtungen in Skandinavien und einige postglaziale Lösfunde im Alpengebiet. Auch fällt es auf, dass in Deutschland gerade die neolithischen Funde vielfach auf Waldland der historischen Zeit übergreifen, während das bei den jüngern Funden nicht der Fall ist. Danach würden also im Neolithikum größere Flächen waldfrei gewesen sein als später. [5]

Landschaftliche Beschaffenheit[]

Läßt man den Ursprung dahingestellt, so bleibt der seit Urzeiten bestehende Gegensatz von offenen oder doch nur wenig bewaldeten Gegenden und großen Strecken dichten Urwaldes als grundlegend für die Besiedelungsgeschichte Deutschlands bestehen. Die freien bzw. wenig bewaldeten Landstriche waren früh verhältnismäßig dicht bewohnt, die Urwälder bis in die geschichtliche Zeit und länger gänzlich menschenleer.

Die altbesiedelten offenen Landschaften liegen zumeist tief, während die Berge und Hügel von Wald bedeckt waren; auch sind sie oft durch einen Reichtum an fruchtbarem Boden ausgezeichnet. Aber beides ist keine durchgängige Regel. Manche unfruchtbaren Heidebezirke im Norden gehören ebenso wie die kargen Hochflächen des schwäbisch-fränkischen Jura zu den Gebieten ältester Besiedelung, da sie waldfrei waren.

Lössboden[]

Eine bestimmtere Beziehung läßt sich dagegen zwischen dem Fehlen der Waldbedeckung und der Zusammensetzung des Bodens erkennen. Hier kommt besonders der als 'Löss' bezeichnete, feinerdige und kalkhaltige Lehm in Betracht. Der echte Löss ist vom Winde zusammengewehter Staub und ein Produkt der Steppe. Wir haben also eine weitverbreitete Bodenart, die auf ein Klima der Vergangenheit hinweist, das trockener und dem Waldwuchs ungünstiger war als das heutige.

Und diese Bodenart tritt ganz überwiegend gerade dort auf, wo alle sonstigen Anzeichen für Waldfreiheit und Besiedelung seit alters her sprechen. Die Oberrheinebene, das Donauland, Mähren, Innerböhmen, das thüringische und subherzynische Hügelland sind eben so gut Hauptgebiete des Lösses wie der ältesten Besiedelung.

Die Bildung des Löss fällt allerdings nicht in jene nacheiszeitliche Trockenperiode, die möglicherweise den neolithischen Siedlern die Bedingungen ihres Daseins schuf, sondern er entstammt den quartären Kaltzeiten. Seine Beziehung zu der Waldarmut späterer Jahrtausende kann also nicht direkt sein, da die Gletschervorstöße auch außerhalb der unmittelbar von ihnen betroffenen Gegenden die Zustände gründlich ändern und verwischten.

Wenn aber von neuem trockenes Klima einsetzte, so war es der Löss, der seiner Beschaffenheit und seiner Lage wegen am ehesten und am stärksten in einen Zustand versetzt wurde, der den Waldwuchs mehr oder weniger ausschloß. Bei einem allgemeinen Rückgang der Niederschläge würden auch heutzutage die genannten Lössgebiete zuerst in Steppenlandschaften verwandelt werden, da sie zu den relativ regenärmsten Teilen von Mitteleuropa gehören.

Lössboden und Besiedlung[]

Die alte Besiedelungsfläche ist jedoch nicht durchweg an die Verbreitung des Lössbodens gebunden. Manches Stück Lössboden trug in historischer und prähistorischer Zeit eine Walddecke. Die lössbedeckten Muschelkalkhöhen zu beiden Seiten der unteren Unstrut sind durch Ortsnamen und Fehlen vorgeschichtlicher Funde deutlich als altes Waldgebiet gekennzeichnet.

Auch die Lösszone am Nordrand des rheinischen Schiefergebirges, besonders in Westfalen, weist manche Anzeichen von Waldbedeckung auf. Das regenreichere Klima muß hier früh den Löss stärker ausgelaugt und zum Waldboden geeigneter gemacht haben. Anderseits war neben dem Löss auch jeder andere kalkreiche Boden für die Ansiedelung von Steppenvegetation günstig. Deshalb gehören selbst Berge und Hochflächen, wenn sie aus Kalkgestein bestehen, vielfach zu den altbebauten Landschaften, z. B. die Schwäbische Alb.

Im norddeutschen Flachland schufen im Bereich des ozeanischen Klimas die Faktoren der Heidebildung gleichfalls waldfreie Flächen, von denen manche schon im Altertum Wohnen und Verbreitung der Menschen bestimmt haben. So geben die geographischen Bedingungen einige Anhaltspunkte für die Bestimmung der alten Besiedelungsfläche; aber Sicherheit ist erst auf dem doppelten Weg der Auswertung von Lokalnamen und weiterer archäologischer Forschung zu gewinnen.

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Tacitus, De origine et situ Germanorum (Germania). Übersetzung "Die Germania des Tacitus". Anton Baumstark: Freiburg 1876. Digitalisat auf Wikisource. Kap. 5.
  2. Hansen, Landnåm i Norge 1904.
  3. Penck in Archiv für Anthropologie : Zeitschrift für Naturgeschichte und Urgeschichte des Menschen. 1903, S. 84
  4. Zoller, H. & Kleiber, H.: Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen in der Montanen und subalpinen Stufe der Tessintäler. In: Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft Basel. Ausg. 81 (1971), S. 90–154.
  5. Robert Gradmann, "Beziehungen zwischen Pflanzengeographie und Siedlungsgeschichte" in Geographische Zeitschrift (Wikisource), hrsg. von A. Hettner. Wiesbaden : F. Steiner, 1895 ff. 12. Jahrgang, 1906 (Internet Archive)