Die mittelalterlichen Städte in Deutschland bildeten sich zumeist aus jenen Wirtschafts-und Bevölkerungselementen heraus, die nicht unmittelbar an der bäuerlichen Feldwirtschaft und Erzeugung von Nahrungsmitteln teilnahmen. Diese lagen z.B. im Bergbau, Gewerbe und Handel, aber auch in staatlicher Verwaltung, Militärwesen oder geistig-religiösen Leben.
Beschreibung[]
Die älteren deutschen Städte entstanden allmählich. Die Stadtgründungen begannen erst später, als durch die königlichen Privilegien des 10. Jhds. die rechtlichen Grundlagen für die Schaffung einer neuen bürgerlichen Rechtsgemeinschaft gegeben waren.
Unsere Städte haben ihren Ursprung in „nicht bodenständigen Elementen“, die die wirtschaftliche Selbstgenügsamkeit von Höfen und Dörfern durchbrechen, wo in „geschlossener Hauswirtschaft“ das Notwendige erzeugt und das Produzierte verbraucht wird. Diese Elemente erfordern die Zufuhr von Nahrungsmitteln und, soweit sie wirtschaftlicher Natur sind, auch den Absatz der eigenen gewerblichen Erzeugnisse oder Handelsartikel. Sie sind also auf einen Warenverkehr angewiesen.
Jede Siedlung, die auf einer nicht rein landwirtschaftlichen Grundlage beruht, muss folglich in Beziehung zu einem Gebiet stehen, das über die bloße Gemarkung hinausgeht. Die deutschen Städte des Mittelalters beruhten auf der Vereinigung mehrerer solcher Verkehrselemente. Sie hatten einen ständigen Markt und dauernde Kaufläden, sie beherbergten die Gewerbe für den Bedarf von Stadt und Umland; gleichzeitig waren sie Festungen zum Schutz des Umlandes und Sitz von staatlichen oder kirchlichen Behörden.
Unterschied vom Dorf[]
Als Verkehrssiedelung und ummauerte Festung unterschieden sich Städte scharf von Dörfern, und der Unterschied wurde durch besondere Stadtrechte (s. Stadtverfassung) zum Ausdruck gebracht. Tatsächlich war der Abstand nicht immer so groß. Auch Dörfer hatten zuweilen Markt und Mauern. Vor allem umschloss aber die Stadt auch landwirtschaftliche Elemente. Sehr oft bestand sie fast nur aus „Ackerbürgern“, so dass der Stadtcharakter nur in den Stadtrechten und etwa noch der Ummauerung - die auch fehlen konnte - gewahrt wurde. Überhaupt war die Verkehrswirtschaft noch schwach entwickelt. Der regelmäßige Austausch vollzog sich nur zwischen der Stadt und ihrer Umgebung, die beide zusammen einen selbstgenügsamen Wirtschaftsorganismus bildeten. Außenhandel, der nur als Messhandel auftrat, war anfänglich auf wenige Luxusartikel beschränkt.
Städtische Entwicklung[]
Verkehrssiedelungen im weiteren Sinne und damit Keime städtischer Entwicklung gab es in Mitteleuropa spätestens ab der Eisenzeit. Salz- und Eisengewinnung, Schmiedehandwerk und Kunsttöpferei, in Friesland auch Tuchweberei und Bernsteinhandel ließen Siedlungen entstehen, die sich von den ländlichen unterschieden. Die Volksburgen versammelten in Zeiten der Not die Bewohner eines Gaues in ihren Wallringen, und Kultstätten führten bei religiösen Festen die Menschen zusammen; allerdings lagen die Heiligtümer in Wäldern und auf Bergen und veranlassten noch keinerlei Anbau.
Diese Entwickelungskeime waren aber noch nicht vereinigt, Städte im eigentlichen Sinne fehlten. Eher waren solche noch den Kelten als den Germanen bekannt; doch brachten erst die Römer wirkliche Städte mit allen charakteristischen Eigenschaften nach Mitteleuropa. Obwohl diese in der Völkerwanderungszeit verfielen und ihre rechtliche Sonderstellung verloren, gaben sie doch den Anstoß zur späteren Städtebildung im Mittelalter. An ihre Reste knüpfte die Städtebildung nach der Völkerwanderung an und von ihnen entnahm man Mauern und Türme.
Frühmittelalter[]
Die eigentliche Entwicklung deutscher Städte geht aber von den Einrichtungen des Frankenreiches aus. Königspfalzen und Bischofsitze oder auch Klöster wurden die Kernpunkte der ältesten Städte. Manche von ihnen lagen in den Römerstädten, manche entstanden neu. Hier fand zuerst die Vereinigung der stadtbildenden Elemente statt. Diese Verwaltungsmittelpunkte, von denen einige zugleich Kultstätten waren, wurden entweder selbst befestigt, oder sie lagen zu Füßen einer schützenden Burg, die vorläufig noch Fliehburg blieb. Wirtschaftlich entstand an solchen Plätzen die Vorstufe zur Stadtwirtschaft, die als Fronhofswirtschaft bezeichnet wird. Auf dem Herrenhof wurden Handwerker angesiedelt, und es entstand ein regelmäßiger Austausch zwischen ihm und den grundhörigen Bauern.
Ottonenzeit[]
Einen weiteren Anstoß zur Städtebildung gab es mit dem Burgenbau des 10. Jhds. und der militärischen Organisation Heinrichs I.. Es wurden keine eigentlichen neuen Burgen gegründet, sondern die alten Burgstellen waren nun ständig bewohnt, teils durch die Burgherren, die sich von ihren im Tal gelegenen Höfen auf die Burg zurückzogen, teils von den ausgewählten Mannschaften des Gaus.
Doch selbst aus dieser letzteren Art von Burgen wuchsen nicht alle zu Städten heran, weil nicht allen eine Verkehrsentwicklung zu Hilfe kam. Doch entstand im 10. Jh. jener Stadttypus, welcher die Burg (lat. urbs) und den Ort (lat. suburbium) durch Mauern zusammenfasste, und gegen Ende des Jahrhunderts war dieser in seiner äußeren Form bereits fertig ausgebildet.
Hochmittelalter[]
Die städtischen Siedlungen als Träger des neuen Stadtrechts entstanden entweder allmählich oder durch ein bewusste Gründung. Zuerst ließen sich Kaufleute und Gewerbetreibende in den alten Römerstädten des Rhein- und Donaugebietes, innerhalb und außerhalb der Römermauern, oder neben den Königspfalzen und den bischöflichen Herrenhöfen nieder, um unter dem Schutz des Ortsherrn eine neue Rechtsgemeinde zu entwickeln. Und dann begannen die Ortsherren neue Siedlungen planvoll anzulegen. Solche planvollen Gründungen von Kaufmannssiedlungen erfolgten in drei verschiedenen Arten:
- 1. In einem längst bestehenden Dorf wurde ein Markt errichtet und den Dorfleuten das Recht der Marktbewohner erteilt (z.B. in Aliensbach 1075).
- 2. Neben dem Dorf wurde auf der zugehörigen Allmende eine Marktsiedlung begründet (z.B. in Radolfzell 1100).
- 3. Auf bisher unbewohntem Gebiet erfolgte eine bürgerliche Ansiedlung „von wilder Wurzel“ (z.B. Freiburg im Breisgau 1120 .
Am späteren Stadtplan ist meist die Art der Entstehung deutlich zu erkennen. In Deutschland, besonders im östlichen Teil gelangte eine Art Normalschema der Anlage zur Anwendung. Dabei kamen wahrscheinlich zeitlich und territorial verschiedene Typen vor, wurden aber bisher nicht nachgewiesen. Die Zahl der deutschen Städte, die so teils allmählich entstanden, teils mit einem Mal begründet sind, betrug vor dem Jahre 900 etwa 40, in der Zeit der Sachsenkaiser (10. Jh.) etwa 50, in der der Salier und Lothars III. etwa 65, in der ersten Stauferzeit bis zum Ende des 12. Jhds. rund 100, im Ganzen also bis dahin rund 250.
11. Jahrhundert[]
Solche Neuanlagen ganzer Städte begannen schon in den ersten Jahrzehnten des 11. Jhs., wo z.B. um 1028 Naumburg (Saale) erbaut wurde. Diese Gründungen gingen von Territorialherren (in diesem Fall den Söhnen Eckards von Meißen) aus und wurden später mit Hilfe von Unternehmern ausgeführt. Die östliche Kolonisation bediente sich dann, wie bei den Dorfanlagen so auch bei den Stadtgründungen, des Unternehmertums der Lokatoren (vgl. Siedlungswesen/Hochmittelalter).
Was wir von der Gründung der Stadt Naumburg (Saale) zum Jahre 1033 erfahren, kam sicher schon früher vor: Die Ekkardiner, die in (Groß-)Jena eine Burg und neben dieser in Kleinjena eine Kaufmannssiedlung besaßen, gestatten diesen Kaufleuten den Abzug nach Naumburg; und hier wies ihnen der Bischof zinsfreie Hausstellen in einem neuen Siedlungsgebiet an, verlangte dabei nur die im Naumburgischen übliche Kaufmannsabgabe und verschaffte ihnen vom Kaiser das ius gentium, d. h. das Privileg der Kaufleute im ganzen Reich [1].
12. Jahrhundert[]
Städte im rechtlichen Sinn gab es erst seit dem Anfang des 12. Jhds. (s. Stadtverfassung). Um die gleiche Zeit kam auch die, inhaltlich leere, Bezeichnung „Stadt“ für diese Siedlungsform in Aufnahme. Während nun immer weitere Orte von Dörfern zu Städten wurden, fanden seit Ausbildung des Stadttypus, der Burg und Ort mit Mauern umschloss, in wachsender Zahl auch Neugründungen statt, die entweder einen neuen Namen (Freiburg, Naumburg, Neustadt u. a.) bekamen oder den Namen eines älteren Dorfes beibehielten, das dann häufig als Altstadt oder Altendorf neben dem neuen Ort weiterlebten.
13. Jahrhundert[]
Im 13. Jahrhundert wuchse die Zahl der neuen Städte nocheinmal immens auf mindestens 800. Es herrscht geradezu ein Gründungsfieber, das sich noch bis in das 15. Jhd. hinein fortsetzte.
Verwandte Themen[]
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Quellen[]
- Below, Georg von: Das ältere deutsche Städtewesen (Internet Archive). 2. Auflage. Bielefeld und Leipzig : Velhagen & Klasing, 1905.
- Hegel, Karl: Die Entstehung des deutschen Städtewesens (Internet Archive). Leipzig : Hirzel, 1898. Reprint: Nabu Press (8. Oktober 2011). ISBN 1247986004.
- Hoops, Johannes: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. IV, S. 240 ff. (Stadt, A. § 1-8.)
- Keutgen, Friedrich: Untersuchung über den Ursprung der deutschen Stadtverfassung (Internet Archive). Leipzig : Duncker & Humblot, 1895. ISBN 10: 3428165055
- Rietschel, Siegfried: Markt und Stadt in ihrem rechtlichen Verhältnis (Internet Archive). Leipzig : Veit, 1897. Reprint Forgotten Books (12. Dezember 2018). ISBN 0260927139.
Einzelnachweise[]
- ↑ Keutgen Nr. 76