Mittelalter Wiki
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Stabkirchen sind Kirchenbauwerke in Holzbauweise, die vornehmlich in Skandinavien während der Übergangszeit von der germanischen Religion zum Christentum erscheinen, vor allem im 12. und 13. Jh.; sie entstanden aber auch noch im Spätmittelalter. [1]

Beschreibung[]

Ursprünglich waren alle Kirchen der nordgermanischen Länder Holzgebäude, teils Blockhauskirchen, teils Fachwerkkirchen. Der Blockverband wurde hauptsächlich in den im 9. Jh. christianisierten Ländern, Schweden und Dänemark, benutzt. Das Fachwerk, das in diesen Ländern ebenso vorkam, scheint jedoch ausschließlich in den Holzkirchen Norwegens angewandt worden zu sein.

Die altnorwegische Sprache hatte kein Wort für die Fachwerkkirchen (neunorw. Stavkirker), während gleichzeitig alle uns bekannten mittelalterlichen Holzkirchen Norwegens tatsächlich Stabkirchen (engl. stock-churches) waren. Der Grund liegt wohl darin, dass eben keine nähere Bezeichnung nötig war, um sie von anderen Holzkirchen zu unterscheiden, da solche gar nicht vorkamen. Erst als nach der lutherischen Reformation der Blockverband im Kirchenbau das Fachwerk ablöste, kam das Wort Stavkirke im Gegensatz zu Tömmerkirke (Laftkirke) auf.

Was Form und Konstruktion der Stabkirchen betrifft, so entstammten sie einerseits den heidnischen Hov (Göttertempel), andererseits waren sie natürlich von den Kirchenformen der missionierenden Länder, besonders von denen des angelsächsischen Englands, beeinflusst. Diese beiden Abstammungslinien fallen zusammen, weil die Göttertempel selbst den irischen und angelsächsischen Kirchen in wesentlichen Punkten nachgebildet waren.

Bauweise[]

Greensted Church North Side

Angelsächsische Kirche von Greenstead in stehender Blockbauweise

In Norwegen fanden die einfachen angelsächsischen stock-churches in Blockbauweise, von denen jetzt nur noch eine einzige zu Greenstead in Essex existiert, eine bewundernswerte Entwicklung, die die norwegischen Stabkirchen als Höhepunkt der mittelalterlichen Holzbaukunst bezeichnet.

Das Äußere der Stabkirchen ist durch die pyramidal übereinander aufsteigenden Giebel, Wände und Dächer, wie durch die aufwendige Ornamentik von großer malerischer Wirkung; das Innere wirkt durch seine konstruktive Folgerichtigkeit und durch die Anpassung an sowohl die rituellen als auch die stilistischen Anforderungen überraschend.

Über dem Dach eines Laufgangs, der die ganze Kirche umgibt und mit Balustrade und Zwergarkaden versehenen ist, erheben sich die niedrigen Wände der Seitenschiffe mit ihrem Pultdach; darüber erheben sich wiederum die Wände des erhabenen Mittelschiffs, die von einem mächtigen Satteldach gekrönt werden, auf dem wieder ein kleiner zierlicher Dachreiter das Ganze abschließt.

Nach Osten hin ist das niedrigere und schmalere Chor in ähnlicher Weise errichtet. Über den Eingängen zum Schiff und Chor im Westen, Süden und Norden steigen kleine Giebeldächer (skruf) empor. Im Inneren nur durch die Tür und durch kleine, hoch oben in der Oberwand des Mittelschiffes angebrachte runde Löcher (gluggar) beleuchtet, außen mit Holzschindeln schuppenartig bedeckt, bildet das Ganze eine Übersetzung der romanischen Steinbasilika ins Holzmaterial.

Der Hauptunterschied ging aus dieser Veränderung des Materials hervor, indem das Innere nicht nur Säulen in der Längsrichtung des Schiffes, sondern auch nach der Breite haben (wie in der altchristlichen Basilika Sant'Agnese fuori le mura bei Rom), weil das Holzmaterial eine gleiche Absteifung der Wände, in der Seiten- wie in der Längsrichtung, forderte.

Tragende Glieder[]

Die tragenden Glieder einer Stabkirche bestehen aus einem Rahmenwerk aus horizontalen (vierseitigen) Balken und vertikalen (runden) Pfosten. Dieser Rahmen umfasst die eingefalzten Bohlen der Diele, der Wand und des Daches und wird durch Knieverbindungen in den Ecken und zwischen den tragenden Säulen und übrigen Balken kräftig gestützt. Die Eckpfeiler sowie die innern freistehenden Säulen bestehen aus gewaltigen Masthölzern.

Umschließende Glieder[]

Die umschließenden Glieder bestehen bei Stabkirchen aus flachen Bohlen; die Oberwände des Mittelschiffes werden von den Säulen getragen und öffnen sich zwischen den aus starken Kniehölzern gebildeten Rundbogenarkaden in ein zum Schiff hin offenes Triforium unter dem Dach der Seitenschiffe. Die Triforienöffnungen zwischen den Säulen, die von der Diele bis zu den Oberbalken der Wand reichen, werden durch dekorative Andreaskreuze ausgefüllt.

Währenddessen hat das Triforium anstatt eines Fußbodens nur strebende Hölzer zwischen den Säulen und den Außenwänden der Seitenschiffe, die so mit ihren dazwischen eingespannten Knieverbindungen die Wände noch kräftiger stützen und auseinanderhalten. Starke Querbalken, die in den Oberbalken befestigt wurden und quer über die Kirche laufen, besorgen diese Ausspannung in nachdrücklicher Weise (s. Dach).

Getragene Glieder[]

Die getragenen Glieder der Stabkirchen bestehen aus einem nach innen offenen Dachstuhl, dessen Konstruktion im Art. "Dach" beschrieben wird.

Arten[]

In konstruktiver Hinsicht zerfallen die Stabkirchen in mehrere Typen, die nach den Landschaften benannt wurden, wo sie am häufigsten vorgekommen zu sein scheinen:

  • A. Langkirchen
    • I. Dreischiffige Stabkirchen.
      • a) Sogn-Gudbrandsdaltypus. Mit vielen (20-16) Säulen in gleichmäßigem Abstand, Beispiel: Stabkirche Urnes.
      • b) Sogn-Gudbrandsdaltypus. Zu den Ecken hin gruppierte Anordnung der Säulen (in Anzahl von 16—12), Beispiel: Stabkirche Borgund.
      • c) Valdrestypus. Achtsäulige Stabkirche (ohne Säulen nach der Breite der Kirche), Beispiel: Stabkirche Gol (jetzt auf Bygdö bei Christiania).
      • d) Valdrestypus. Viersäulige Stabkirche , eine Säule in jeder Ecke des Mittelschiffes, Beispiel: Stabkirche Wang (jetzt in Brückenberg, Schlesien).
    • II. Einschiffige Stabkirchen:
      • a) Numedalstypus. Mit Mittelsäule, um die sich die ganze Kirche baut (Stabkirche Nore und Stabkirche Uvdal)
      • b) ohne Mittelsäule, Beispiel: Stabkirche Eidsborg.
  • B. Möretypus. Kreuzförmige Kirchen (mit Querhaus), fast sämtlich verschwunden
    • a) dreischiffige
    • b) einschiffige

Eine andere, etwas abweichende Klassifizierung, gliedert die Stabkirchen wiefolgt:

  • Typ A – einfache, einschiffige Saalkirchen und Mittelmastkirchen
    • a) Haltdalentyp. Einschiffige Kirchen ohne Mittelsäule. Beispiel: Stabkirche Haltdalen
    • b) Numedaltyp. Einschiffige Kirchen mit Mittelsäule (Einmaststabkirchen bzw. Mittelmastkirchen). Beispiel: Stabkirche Nore, Stabkirche Uvdal.
    • c) Möretyp. Stabkirchen mit Mittelstäben in den Längswänden. Beispiele: Stabkirche Kvernes, Stabkirche Røvden, Stabkirche Grip. Davon sind zwei Hallenkirchen und eine Langkirche.[8]
  • Typ B – Große Mastenkirchen
    • a) Kaupangertyp. Stabkirche mit Arkaden. Beispiele: Stabkirche Kaupanger, Stabkirche Urnes, Stabkirche Hopperstad und Stabkirche Lom.
    • b) Borgundtyp. Kirchen mit Triforium. Beispiele: Stabkirche Borgund, Stabkirche Fantoft, Stabkirche Gol, Stabkirche Hegge, Stabkirche Høre (Hurum), Stabkirche Lomen, Stabkirche Ringebu und Stabkirche Øye. [1]

Anzahl[]

Die Anzahl der Stabkirchen, von denen jetzt noch ca. 30 existieren, während Forscher im 19. Jh. von ungefähr 300 früher existierenden sicher Kunde hatten, war zur Zeit der Reformation wahrscheinlich auf ca. 800 zu veranschlagen. Am zahlreichsten waren - nachdem man auch begann, Steinkirchen zu errichten - die Stabkirchen in den Berggegenden, besonders den waldreicheren, während sie die wenigsten Spuren in den Gegenden um den Christianiafjord hinterlassen haben.

Auch längs der Südwestküste verschwanden sie schnell, um den Steinkirchen Platz zu machen. Doch standen bis zur Reformationszeit noch etwa 300 der bereits im 19. Jh. bekannten 322. In der 2. Hälfte des 16. Jhs. verschwanden ca. 25, im 17. Jh. um die 67 Stabkirchen. Von den also um 1700 noch sicher existierenden ca. 200 verschwanden in der ersten Hälfte des 18. Jhs. ca. 70, in der zweiten ca. 40 Stück. Von den um das Jahr 1800 noch stehenden ca. 100 Stabkirchen verschwanden in der ersten Hälfte des 19. Jhs. 27, in der zweiten 32 Stück. Rechnen wir noch einige dazu, deren Verschwinden nicht näher bekannt war, so blieben ca. 24 noch existierende übrig... Die Zahl korrigierte sich dann auf 30 noch bestehende authentische Stabkirchen im 21. Jh. [2]

Ornamentik[]

Die Ornamentik der Stabkirchen knüpfte sich, wenn wir von den Drachenköpfen der Giebel und dem dekorativen Schmuck der Säulenkapitäle, die wesentlich aus Fratzen und vegetabilen Ornamenten bestehen, den Wimpergen (Vindskí) längs den Giebeln und den Triforienkreuzen absehen, hauptsächlich an die Portale. Diese bestehen aus:

  • 1. Halbsäulen längs der Türöffnung, mit freistehenden Löwenbildern gekrönt und einer Rundbogenarchivolte, alles mit Blumen, Blättern und Menschen- oder Tiermasken geschmückt,
  • 2. den breiten, die Halbsäulen und Archivolte umgebenden Planken, die die Hauptträger der Stabkirchenornamentik sind.

Wir können drei oder vier Perioden unterscheiden:

  • 1. Urnestypus (um 1100): Irische Ornamentik
  • 2. Vaagetypus (1100-1150): Angelsächsische Einflüsse
  • 3. Norwegischer Typus (1150-1200)
    • 3.1. Sogn-Valdres-Typus (horizontaler Drachenschlund)
    • 3.2. Telemarken-Typus (vertikaler Drachenschlund)
  • 4. Darstellungen des Drachentöters Sigurd Fafnesbani, die jedoch nur im südöstlichen Norwegen vorkommen (ca. 1200).

Urnestypus[]

Stabkirche Urnes, craving detail 1

Ornamentik der Stabkirche Urnes.

Der Urnestypus (bzw. Urnes-Stil, um 1100) kennzeichnet die Periode der irischen Ornamentik. Sie wird geprägt durch irische, stark stilisierte Miniaturen, Riemen- und Drahtschlingen, die mit Schlangenköpfen versehen sind und sich um ein Löwenbild schlingen. Die Reste dieser Ornamentik, die den Schmuck der "Hov" (s. Göttertempel) übernommen hatten, waren bis auf die Stabkirche Urnes nur in Fragmenten erhalten.

Vaagetypus[]

Der Vaagetypus (1100 bis 1150) repräsentiert die Periode der angelsächsischen Einflüsse. Sie wird geprägt durch die Nachahmung der naturalistischen Reliefs der northumbrischen Steinkreuze (z.B. das Kreuz von Ruthwell- und das Jedburykreuz): Man sieht Tiere verschiedener Art, die an einer Rebenschlinge fressen - eine altchristliche Vorstellung, die wohl auch die angelsächsische Gedankenwelt beeinflusste und schließlich ihren letzten Ausläufer im nordischen Yggdrasilmythus fand und ebenfalls in den Hov vorkam. Diese Nachbildungen der Northumberlandsteine kommen z.B. in der Stabkirche Vaage und in einigen Fragmenten vor.

Norwegischer Typus[]

Der norwegische Typus (1150 bis 1200) findet sich in den meisten Stabkirchen und zeigt den Yggdrasilmythus in christlicher Umkleidung. Die Rebenschlinge (Yggdrasil) steigt aus einem Drachenschlund hervor (wie Yggdrasil dem Rachen der Hel entsteigt, so entsteigt der Weinbaum der christlichen Kirche dem Rachen der Hölle).

An den gewundenen Zweigen des Baumes nagen kleine Drachen (so wie die Ziege, der Hirsch usw. an dem Baume Yggdrasil); aber in den oberen Ecken fliegen aus dem Rebenstamm heraus zwei große geflügelte Drachen gegeneinander, und streiten sich um die Leiche eines dritten (wie im Yggdrasilmythus der Drache Nidhöggr mit Leichen auf seinen Flügeln herausfliegt und, wie es in der Edda heißt, den Kampf des Bösen gegen die Kirche und gegen sich selbst symbolisiert).

Man kann stilistisch zwei Arten des norwegischen Typus unterscheiden, indem in Sogn-Valdres die Rebe aus dem Munde eines horizontal stehenden Drachenschlundes herausgeht und die Schlingen runder und feiner sind, während in Telemarken der Drachenrachen vertikal steht und die Schlingen infolgedessen oblong nach oben verlaufen.

Christliche Darstellungen[]

Christliche Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament kommen nur in zwei Stabkirchenportalen vor. Allmählich verwandelten sich, nach 1200, die anfangs fast alleinherrschenden Tierornamente in vegetabilische, und in den spätesten Portalen (wie in dem genau 1370 datierbaren von Tuddal) ist jede Spur einer Tierornamentik verschwunden, während die vegetabilischen Motive einen tiefen Verfall zeigen.

Beispiele[]

  • Stabkirche Borgund
  • Stabkirche Eidsborg
  • Stabkirche Fantoft
  • Stabkirche Gol
  • Stabkirche Grip
  • Stabkirche Haltdalen
  • Stabkirche Hegge
  • Stabkirche Hopperstad
  • Stabkirche Høre
  • Stabkirche Kaupanger
  • Stabkirche Kvernes
  • Stabkirche Lom
  • Stabkirche Lomen
  • Stabkirche Nore
  • Stabkirche Øye
  • Stabkirche Ringebu
  • Stabkirche Røvden
  • Stabkirche Urnes
  • Stabkirche Uvdal
  • Stabkirche Vaage
  • Stabkirche Wang

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

  • Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. IV, S. 228 ff.
  • Dietrichson, Lorentz (1892): De norske stavkirker. Studier over deres system, oprindelse og historiske udvikling. Kristiania: Cammermeyer.
  • Nicolaysen, Nicolay: Norske Fornlevninger, Norske Bygninger fra Forntiden (1-3), Kunst og Haandværk fra Norges Fortid i Norges Middelalder.

Einzelnachweise[]

  1. 1,0 1,1 Wikipedia: Stabkirche (Version vom 29.05.2017)
  2. Erich Burger: Norwegische Stabkirchen. Geschichte, Bauweise, Schmuck. Erstveröff. DuMont, Köln 1978, ISBN 3-7701-1080-3 (= DuMont-Kunst-Taschenbücher; 69)