Mittelalter Wiki
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Die Steinkisten oder auch Kistengräber gehören zu den Bestattungsarten der Megalithkulturen zu verschiedenen Zeiten in Teilen Eurasiens und im Orient sowie in Süd- und Ostasien. In der Schweiz gehört die ab 4300 v. Chr. auftretende Steinkiste vom Typ Chamblandes zu den ältesten Anlagen ihrer Art. [1]

Beschreibung[]

In Europa erscheinen die meisten der geschlossenen, aus Platten erbauten Steinkisten während des Endneolithikums (2800 bis 2200 v. Chr.) als jüngste Gruppe der Steingräber. Die auf die Kanten gestellten Seitensteine bilden dabei einen rechteckigen Grabraum von durchschnittlich 2,5 bis 4 m Länge, der zur Aufnahme einer größeren Anzahl nach und nach beizusetzender Leichname bestimmt ist.

Darüber liegt gewöhnlich ein Haufe loser Feldsteine, und das Ganze ist mit einem flachen Hügel umgeben. Bei den älteren Steinkisten ragen die Decksteine und Seitenränder noch aus dem Hügel empor, die jüngeren sind vollständig davon verhüllt. Außerdem ist bei den älteren Steinkisten an der südlichen Schmalseite oft eine Öffnung angedeutet oder ein Vorraum angebracht, eine Erinnerung an den Grabtypus des Jungneolithikum (4400 bis 3500 v. Chr.), bei dem die Kammer stets ihren Eingang oder ihre Türöffnung hatte.

Während aber bei jenem der Zugang offen blieb, mußte man sich hier für jede neue Bestattung durch den Hügel durcharbeiten. Die Umständlichkeit dieses Verfahrens mag der Grund gewesen sein, weshalb man sich nicht selten auf eine Bestattung beschränkte und schließlich dazu überging, auch die Abmessungen des Grabes entsprechend zu verringern. Die Beisetzung der Leichname erfolgte meist in Hockerstellung.

Die Beigaben bestehen, wie in den jüngeren Einzelgräbern, hauptsächlich in Dolchen, Speeren und Pfeilspitzen aus Feuerstein. Dagegen fehlen fast ganz die Streitäxte, Werkbeile, Meißel und andere Altertümer, die man teils in den großen Steinkammern, teils in den älteren Einzel grab ein findet. In alledem nähert sich die Bestattungsweise derjenigen der ältesten Bronzezeit.

Entwicklung[]

Die Steinkisten waren in der ältesten Bronzezeit groß und gewöhnlich mit mehreren Leichen belegt, später wurden sie kleiner, und gegen das Ende der Bronzezeit nach der Einführung der Leichenverbrennung schrumpften sie zu fußlangen Quadraten zusammen oder verschwanden gänzlich, indem eine Urne anfangs innerhalb der Steinkiste, später ohne diese den Leichenbrand aufnahm, wenn dieser nicht einfach in eine Erdgrube gebettet und mit einem Stein zugedeckt wurde. [2]

Bauart[]

Holstein Hügelskelettgrab, RdgA Bd2, Taf.037, Abb.01

Steinkistengrab mit Skelett unter hohem Hügel (Holstein)

Steinkistengräber sind etwas jünger als die megalithischen Ganggräber. Zu ihrem Bau wurden nicht mehr Findlinge verwendet, die man in zwei Hälften gespaltete, sondern regelrechte Platten. Sie gehören nach den Beigaben auch noch der Steinzeit an.

Die Steinkiste liegt gewöhnlich im Mittelpunkte des Hügels und meist auf ebenem Boden. Ein Zugang wurde meist nicht beobachtet, kann aber nach Analogie der in Holz gebauten Gräber wohl vorhanden gewesen sein. Eine solche Steinkiste wurde im Galgenberg bei Sahlenburg (Cuxhaven) gefunden.

Steinkiste mit Hügel Uelzen, RdgA Bd2, Taf.037, Abb.02

Steinkiste mit Hügel mit Steinkranz (Uelzen, Niedersachsen)

Die langen Steinkisten (7-10 m lang), die bei Züschen in Fritzlar durch Böhlau 1894 und bei Rimbeck bei Scherfede durch Alfred Götze 1907 aufgedeckt wurden, gehören derselben Zeit an und bilden das südwestlichste Vorkommen dieser Grabbauart.

In beiden waren eine große Menge von Toten bestattet, im Galeriegrab von Warburg-Rimbeck über hundert, und für die späteren Beisetzungen wurde in derselben rücksichtslosen Weise Raum geschaffen, wie in den Riesenstuben Dänemarks. [3]

Figürlicher Schmuck[]

Grab von Kivik Steineinfassung 02

Grab von Kivik (Schweden, ca. 1000 v. Chr.)

Mehrfach kommt bei den Steinkistengräbern ein ornamentaler oder auch figürlicher Schmuck der Wände vor. So sind z.B. in der jungsteinzeitlichen Steinkammer von Göhlitzsch bei Merseburg alle Wandsteine mit geometrischen Mustern, wie die Schnur und Zonenkeramik sie zeigt, bedeckt [4].

In der Steinkammer von Züschen in Fritzlar fanden sich merkwürdige Doppelgabeln dargestellt [5]. Die Stelen von Ellenberg (Guxhagen) in Hessen zeigen lauter plastische Dreiecke, die Steinkiste von Anderlingen (Hannover) auf der Schmalseite drei Figuren ganz im Stil der schwedischen Felsbilder.

Die reichhaltigsten Darstellungen jedoch finden sich in Schweden selbst, in der Kammer des Grabes von Kivik (ca. 1000 v. Chr.): ein Menhir (Irminsul) mit Beil links und rechts, Tierbilder, Sonnenräder und geometrische Motive, Zeremonien und Kampfbilder [6].

Verbreitungsgebiet[]

Obwohl die Steinkisten sich in Nordeuropa organisch aus den älteren Megalithbauten entwickelten und in Schweden Übergangsformen zwischen Ganggräbern und Steinkisten vorliegen, so sprechen doch einige Gründe dafür, dass südliche Einflüsse auf diese Entwicklung eingewirkt haben. So vor allem das vergleichsweise höhere Alter der gleichartigen Grabtypen in Nord- und Mitteldeutschland.

In der Uckermark [7] und in Pommern gehen die großen unterirdischen Steinkisten ihrem Inventar nach den skandinavischen Ganggräbern parallel, während die kleinen Plattenkisten schon metallzeitlichen Charakter haben. In Mecklenburg und in Hessen-Nassau entsprechen die keramischen Leitformen (Hals- und Kragenflaschen) sogar den dänischen Dyssekammern, also den Megalithgräbern des Spätneolithikums (3500 bis 2800 v. Chr.).

Im Saalegebiet erscheinen die Steinkisten mit der Schnurkeramik, die in ihren Anfängen mindestens gleichzeitig mit der Megalithkeramik ist. Auch in Galizien, Ungarn, der Schweiz und in Frankreich tragen die neolithischen Steinkisten ein vergleichsweise altertümliches Gepräge. In welchem Verhältnis die prämykenischen Steinkisten des ägeischen Kulturkreises mit Hockerbestattungen zu den mitteleuropäischen stehen, bleibt fraglich.

Auf einen inneren Zusammenhang deutet aber die merkwürdige Beobachtung, dass sich in Mittelschweden, Deutschland, Frankreich, England und ebenso in den Kaukasusländern und in Indien an der einen Schmalseite der Steinkisten öfters eine runde Öffnung angebracht findet, die zweifellos im Totenkult eine Rolle gespielt hat.

Nordeuropa[]

In Schweden und Dänemark wurde die Bestattung in Steinkisten - neben der allerdings viel häufigeren in Holzsärgen oder bloßen Steinlagern - auch während der älteren Bronzezeit beibehalten, in Norwegen war sie sogar die herrschende. Die Kisten hatten reichliche Manneslänge und bargen jetzt stets nur einen einzelnen Leichnam.

Nach Einführung der Verbrennung wurden sie anfangs immer noch so groß gebaut, wie wenn sie für eine unverbrannte Leiche bestimmt gewesen wären. Erst nach und nach schrumpften sie auf das zur Aufnahme der Brandreste erforderliche Maß zusammen. Diese wurden entweder lose zwischen die Steine gelegt oder zuvor in eine Urne geschüttet. Als gegen Ende des Bronzezeitalters die Sitte der Gräberfelder mehr und mehr Boden gewann, hörte die Beisetzung in Steinkisten für mehrere Jahrhunderte auf.

Mitteleuropa[]

In Norddeutschland werden Steinkisten während der ältesten Bronzezeit nur noch selten angewendet. Vereinzelt kommen solche in Mitteldeutschland und Böhmen vor. Dagegen werden sie in der Mittleren Bronzezeit (1600-1300 v.Chr.) in Westdeutschland wieder allgemein. Ein neues Verbreitungszentrum entsteht zu Beginn des Eisenzeitalters (zwischen 700 und 500 v. Chr.) westlich der Weichselmündung. Dort werden nunmehr flache Brandgräber in kleinen Steinkisten mit Gesichtsurnen üblich.

Sie enthalten nicht selten mehrere mit Knochen gefüllte Urnen, dürften also als Familiengräber zu wiederholter Benutzung gedient haben. Das Gebiet dieser eigenartigen Kultur, die in der mittleren Latènezeit (250-150 v.Chr.) ihr Ende erreicht, erstreckt sich westwärts bis zur Rega und südwärts bis zu den nördlichen Teilen Mittel- und Niederschlesiens. In diesem Falle erscheint die Gleichsetzung mit einer vom Norden ausgehenden germanischen (vandilischen) Besiedlungswelle als gesichert. [8]

Römische Eisenzeit bis Völkerwanderungszeit[]

Um die Wende unserer Zeitrechnung (zu Beginn der römischen Eisenzeit) kommt die Beisetzung unverbrannter Leichen in mannslangen Steinkisten zuerst auf Gotland, dann auch im übrigen Schweden und in Nordjütland wieder auf. In der Völkerwanderungszeit wird sie in ganz Dänemark und Norwegen üblich, und auf Bornholm erhält sie sich bis zur Wikingerzeit.

Ebenso ist sie in den Reihengräbern Süddeutschlands, der Schweiz und Frankreichs, besonders im Gebiete der Burgunden und Franken, doch auch der Alemannen allgemein üblich, ja auf manchen dieser Gräberfelder bildet sie die ausschließliche Bestattungsform. In der Bauweise herrscht gegenüber den älteren Steinkisten kein wesentlicher Unterschied. Nach wie vor werden sie ohne weitere Bearbeitung entweder aus Felsstücken oder abgespaltenen Platten errichtet. Dieses Festhalten an dem alten Brauch, der nur zeitweilig durch fremde Einflüsse zurückgedrängt wird, läßt in der Tat die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass wir es zumindest in der letzten Phase mit einer nordeuropäischen Eigentümlichkeit zu tun haben.

Beispiele[]

Steinkistengrab mit Urne, MgKL Wm08194b, Abb.09

Flaches Steinkistengrab mit Urne

  • Galeriegrab von Warburg-Rimbeck
  • Grab von Kivik - Zeit: ca. 1000 v. Chr. (Nordische Bronzezeit). Ort: Kivik, Schweden.
  • Steinkammer von Göhlitzsch - Zeit: ca. 3.600-2.700 v. Chr. Ort: Merseburg, Sachsen-Anhalt. Zugehörigkeit: Bernburger Kultur
  • Steinkammer von Züschen - Zeit: ca. 3.500-2.800 v. Chr. Ort: Züschen in Fritzlar, Hessen. Zugehörigkeit: Wartberg-Kultur (Typ Züschen)
  • Steinkiste von Anderlingen - Zeit: ca. 1.400 v.Chr. (Ältere Bronzezeit). Ort: Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum.

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Wikipedia: Steinkiste (Version vom 26.09.2016)
  2. Meyers Großes Konversations-Lexikon (auf Zeno.Org). 6. Auflage. Leipzig, 1905–1909. Bd. 8, S. 195-197 (Gräber, Vorgeschichtliche).
  3. Hoops. RdgA. aaO. Bd. II, S. 566 f. (Art. Hügelgräber)
  4. Vorgeschichtliche Altertümer der Provinz Sachsen, Heft I
  5. Böhlau, Steinzeitliche Gräber in Hessen
  6. Montelius, Oscar. Kulturgeschichte Schwedens von den ältesten Zeiten bis zum elften Jahrhundert nach Christus (Internet Archive). Leipzig : E. A. Seemann, 1906. S. 124
  7. H. Schumann, Steinzeitgräber der Uckermark 1904.
  8. Kossinna in Korrespondenzblätter des Gesamtvereins der deutschen Geschichte und Altertver. 1908, S. 345 f.
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