Mittelalter Wiki
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Die Notwendigkeit der Einführung des Steuerruders in den Schiffbau als Stütze, um den Kurs des Fahrzeuges in der gewünschten Richtung zu halten, ergab sich, als man in der Schifffahrt vom Fortbewegungsmittel der Paddeln zu dem der Remen überging.

Geschichtliches[]

Alle Steuerruder des germanischen Altertums sind Seitensteuer und erweisen durch ihre Form noch deutlich ihren ursprünglichen Zusammenhang mit dem Remen (d. h. dem unseemännisch sog. „Ruder").

Nydamboot[]

Eines der ältesten seiner Form nach genau bekannten Steuerruder ist dasjenige am Nydamboot. Es ist etwa 3m lang und besteht aus einem runden Schaft, der von der Hälfte der Länge an in ein flaches Ruderblatt von ca. 45 cm Breite ausläuft. Nahe dem oberen Ansatz des Ruderblatts befindet sich ein Loch, darunter eine vertikal aufgenagelte Klampe, die vielleicht ein Scheuern des Ruders an der Bordwand verhindern sollte.

Nydamboot Steuerruder, RdgA Bd4, Abb

Steuerruder des Nydamboots (ca. 320 n. Chr.)

Das Loch diente wohl zum Einknüpfen einer Leine, die entweder gegebenenfalls das Heraufholen des Ruders erleichtern sollte oder zur Befestigung des Ruders an der Bordwand diente.

Da jedoch an der Bordwand selbst keine Spuren einer solchen Befestigung wahrnehmbar sind, so läßt sich die Art des Gebrauchs des Steuerruders nicht genau erkennen. Möglicherweise wurde es so gehandhabt, wie wenn man mit einem Remen steuert.

Es war also an der Steuerbordseite nahe dem Steven in einer Tauschlinge verfangen und das Ruderblatt wurde bei Steuerbordwendung vom Schiff abgehalten, bei Backbordwendung dagegen unter dem Achtersteven des Schiffes nach Backbord hinübergedrückt. Auf diese Gebrauchsweise deutet auch, dass sich am oberen Schaftende nur zwei kurze Handhaben (eine senkrecht, die andere wagerecht) befinden, wogegen eine eigentliche Ruderpinne zu fehlen scheint. Diese Art des Steuerns erfordert große Kraft anstrengung. In späterer Zeit war sie deshalb nur noch bei kleineren Booten gebräuchlich.

Gokstadschiff[]

Gokstadschiff, Steuerruder, RdgA Bd4, Abb

Steuerruder des Gokstadschiffs: Seitenansicht u. Querschnitt

Eine ganz andere und erheblich verbesserte Konstruktion weist das Steuerruder des Gokstadschiffes auf. Dieses ist im ganzen 3,50 m lang, wovon etwa ⅓ auf den runden Schaft und ⅔ auf das ca. 45 cm breite Ruderblatt entfallen. Das etwas schräg vorn übergeneigte Ruder liegt der Steuerbordseite des Schiffes an und ist in doppelter Weise befestigt.

Der Ruderhals ruht in einer den zwei obersten Planken außen angefügten Holzbettung und wird in dieser durch ein breites, ihn umschließendes Band festgehalten. Etwas weiter unten (auf der 5.-7. Planke von oben) ragt ein kegelförmiger, abgerundeter Holzklotz aus der Schiffswand heraus, an dem der obere Teil des Ruderblattes anliegt.

Eine biegsame Achse, ein Tau oder Weidenstrang (wie beim Osebergschiff), die durch einander entsprechende Löcher in Ruderblatt, Holzklotz und Schiffswand hindurchgeht, besorgt hier die Befestigung, die natürlich, wie bei dem Ruderhalsband, elastisch und lose genug ist, um dem Ruder die Drehung um seine Vertikalachse zu ermöglichen. Denn in einer solchen macht sich die Wirkung des Ruders geltend. Die Ruderpinne oder der Helm von 1 m Länge steht senkrecht zur Ebene des Ruderblatts, liegt also quer vor dem Steuermann. Stößt dieser demnach die Pinne von sich weg, so wendet das Ruderblatt seine Innenseite nach vorn, und das Schiff schwenkt nach Backbord; zieht er die Pinne an sich heran, so wendet das Ruderblatt seine Außenseite nach vorn und das Schiff schwenkt nach Steuerbord.

Handhabung des Seitensteuers[]

Seitensteuer Handhabung, RdgA Bd4, Abb

Handhabung des Seitensteuers. a) Hinab den Helm, um links zu steuern. b) Empor den Helm, um rechts zu steuern.

Die Wirkungsweise ist im Prinzip genau dieselbe, wie bei den heutigen im Achtersteven befestigten Hängerudern und bedeutet gegenüber der ehemaligen Remensteuerung einen erheblichen, kraft ersparenden Fortschritt. Bei der Fahrt des Gokstad-Modellschiffs über den Atlantischen Ozean im Jahre 1893 bewährte sich das Seitensteuer vorzüglich, ja es zeigte sich für Fahrzeuge von solcher Bauart und von so geringem Tiefgang dem Stevensteuer überlegen.

Der Steuermann saß unmittelbar hinter dem Steuer, mit dem Rücken gegen ein Querbrett, das ihm als Stütze diente. Infolge der schrägen Lage des Ruders bedeutete das Wegstoßen der Ruderpinne gleichzeitig ein Niedersenken, das Anziehen ein Aufziehen. Diese Funktionsweise zeigt sich auch in der Schilderung einer Seefahrt im "Roman de Brut" des anglo-normannischen Dichters Robert Wace (um 1150):

Hinab den Helm, um links zu steuern,
Empor den Helm, um rechts zu steuern.

In flachem Wasser musste das tief unter den Kiel hinabreichende Steuerruder ausgehoben werden. Dies geschah mit Hilfe einer Leine, deren beide Enden oben und unten am Ruder in Ösen befestigt waren. Auch beim Treibenlassen in See und beim Ankern hob man das Ruder für gewöhnlich an. Das Seitensteuer blieb bis zur Mitte des 13. Jhds. selbst für große Seeschiffe allgemein in Gebrauch (vgl. auch Steuerbord).

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

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