Als Tjost (frz. joute, lat. justa, it. giostra) wird das Lanzenstechen oder auch Lanzenbrechen bei einem Turnier bezeichnet. Es war ein ritterlicher Zweikampf auf Pferden, mit Turnierlanze oder Schwert, der häufig den Höhepunkt des Ereignisses bildete. Das Ziel war es den Gegner vom Pferd zu stoßen. Trotz stumpfer Waffen kam es häufig zu Verletzungen oder gar Todesfällen.
Beschreibung[]
Im Gegensatz zum Buhurt oder Reihenkampf ist der Tjost ein Zweikampf. Das Tjostieren begann im Hochmittelalter, später kam der Tilt, ein Zaun der die Reiter voneinander abgrenzte hinzu um zu verhindern, dass die Pferde ineinander stürmten.
Als Angriffswaffe diente eine abgestumpfte Turnierlanze ohne metallene Spitze, manchmal war sie statt der Spitze mit einem kleinen Halbmond oder einer flachen, etwas gezackten Platte (dem kroenlîn) versehen. Als Schutzwaffe dienten Schild und Stechhelm. Auch Schwerter kamen zum Einsatz. Heute werden bei Ritterfesten oft anstelle eines Tjostes Ritterspiele gezeigt.
Ritter wie Ross waren gepanzert, sprengten im Galopp an und stürmten dann mit verhängten Zügeln auf einander los. Jeder versuchte mit der eingelegten Lanze den Gegner zu treffen, mit dem Schilde den Stoss zu parieren. Das Aufeinanderprallen der Kämpfer heißt ahd. puneiz. Traf die Lanze den Gegner richtig, so wurde derselbe entweder aus dem Sattel gehoben, oder die Lanze zersplitterte an dem richtig parierenden Schild, so dass die Stücke (trunzûne) umherflogen. [1]
Technik[]
Der Tjost im engeren Sinne ist ein Einzelangriff (frz. attaque) eines Reiters mit eingelegter Turnierlanze auf den Feind. Hierbei muss er nicht nur als Reiter seine Kunst beweisen und im richtigen Augenblick zwischen verschiedenen Gangarten seines Pferdes wechseln, z.B. zwischen Galopp- und Karrièreritt (gestreckter Galopp), sondern auch Taktikgespür zeigen und entscheiden, ob und wann er seinen Gegner „zem puneiz“ (vorn vorn) oder „ze treviers“ (von der rechten Seite) angreift.
In diesem Sinne ist es ein Zweikampf, der allerdings auch in Gruppen geritten werden konnte. Jede Tjoste, die als kunstgemäss »gemessen« gelten soll, muss richtig geritten und richtig gestochen werden. Die beiden Tjostiure, d.h. die tjostierenden, reiten geradlinig aufeinander; ist die Tjoste zu Ende, so »kerent« sie oder sie »tuont den wanc«, d.h. sie reiten zum ersten Standort zurück, lassen sich neue Lanzen geben und beginnen den gradlinigen Ritt wieder, so dass man also vom ersten, zweiten, fünften Tjost spricht.

Tjost beim Ritterfest Jedenspeigen (Österreich, 2015)
Die Tjost beginnt im Galopp und geht nachher in die Karrière über, wobei die Kunst darin besteht, zur rechten Zeit das Tempo zu wechseln. Dabei treten zwei Fälle ein:
- entweder reiten die beiden Tjostiure, während sie die Lanzen verstechen, aneinander vorüber,
- oder sie treffen mit den Rossen Brust an Brust zusammen; der Name dieses Zusammenrennens mit den Rossen ist hurten, der oder die „Hurt“.
Ehe die Tjostiure zum Stiche aneinander ritten, galt es die tjost ziln, d.h. Schild und Lanze kunstgerecht zu halten, den Schild mit der linken Hand so, dass er den ganzen Oberkörper vom Hals bis zu den Knien, von vorne und von der linken Seite bedeckt; daz sper under den arm slahen, daz sper ûf die brust lîmen. Zielpunkte des Lanzenstoßes waren die vier Nägel (im Zentrum des Schildes) oder der Hals des Gegners. Die vier Nägel befanden sich auf dem Teil des Schildes, der während des Kampfes die Hand deckte; diese Nägel hielten innen die Handriemen fest und lagen um den Schildbuckel herum.
Sieg und Niederlage[]
Besiegt war der Gegner, wenn er durch den Stoss auf die vier Nägel oder auf den Hals abgestochen oder wenn beim Hurt das Ross mit samt dem Reiter zu Boden gesunken war; unentschieden war der Kampf und hatte also aufs Neue zu beginnen, wenn die aus dürrem Holze gefertigten Lanzen zersplitterten oder wenn beim hurten das Ross zwar den Stoß ausgehalten hatte, die Sattelriemen aber durch den Hurt gelöst wurden und der Sattel mit samt dem Reiter vom Ross herabrutschten.
Die stehende Formel für den Schluss eines getroffenen Stiches war; dass der Abgestochene fragte: „Wer hât mich überwunden?“, worauf der Sieger antwortete: „Ich bin N.“ und der Besiegte: „Mîn sicherheit sî dîn“. Wurde aber dem Gegner nur der Helm- oder Schildriemen gelockert oder die Riemen des Rosses zerstochen, so war er nicht besiegt, musste aber vom Turnierplatz, um sich mit Helm, Schild und Ross aufs Neue zu versehen. Beim Endurteil kam dann freilich mit in Betracht, wie oft dieses letztere eingetreten war.
Arten[]
Die im hochmittelalterlichen Turnier geübte Reit- und Kampfkunst erhellt am deutlichsten eine Stelle im Parzival (812, 9–16):

Lanzenstechen (MPS Bückeburg 2011)
- Fünf stiche mac turnieren hân:
- die sint mit mîner hant getân.
- einer ist zem puneiz:
- ze treviers ich den andern weiz:
- der dritte ist zen muoten:
- ze rehter tjost den guoten
- ich hurteclîchen hân geriten,
- und den zer volge niht vermiten.
Diese Stelle erklärt, dass es in einem Tjostturnier mit Lanzenkampf fünf Reittouren gab, in denen auf den Gegner gestochen werden konnte; zu ihnen kam außerdem der Turnierschwertkampf (das zöumen). Der Turnierlanzenkampf bestand im 12. / 13. Jhd. also aus folgenden Touren oder Stichen:
- 1. Der Stich zem puneiz ist ein Angriff sämtlicher Scharen von vorne auf den Feind mit eingelegter Lanze und hurt, d.h. mit dem stoßenden Anreiten, das auch dem Buhurt zu Grunde liegt. Die Kunst für den Einzelnen bestehte darin, zur richtigen Zeit, sobald der Führer der Scharen den Befehl »zem puneiz«, d.h. zum Wechsel des Galopp- und Karrièreritts (gestreckter Galopp) gibt, diesen auszuführen, damit er nicht hinter den anderen zurückbleibt.
- 2. Der Stich ze treviers ist ein Angriff sämtlicher Scharen von der rechten Seite auf den Feind mit eingelegter Lanze und Hurt. Die Kunst für den einzelnen besteht darin, sobald der Führer das Kommando »ze treviers« gibt, zugleich aus dem Galopp in die Karrière und aus der geraden in die schräge Richtung zu fallen, damit er nicht zurückbleibt; sie ist also viel schwieriger als im Stiche ze puneiz.
- 3. Der Stich zen muoten ist das Stechen eines Einzelnen gegen eine ganze Schar, wobei es für diesen darauf ankommt, während er den einen aufs Ziel genommenen Gegner trifft, den Stössen der übrigen zu entweichen. Dieser Stich ist daher schwieriger als die vorhergehenden, aber verhältnismässig selten und gilt deshalb als Extra-Tour.
- 4. Der Stich ze rehter tjost ist ein Einzelangriff mit eingelegter Lanze auf den Feind, geradlinig oder von der rechten Seite her. Die Kunst des Reiters ist hierbei, durch geschicktes Reiten sich dem Hurt des Gesamtkampfes zu entziehen und richtig zu beurteilen, ob es im Einzelfall ratsam ist, den Gegner gerade oder schräg anzurennen. Auch muss er beurteilen, wann er in die Karrière fallen sollte und ob es gut sei, gleich anfangs ze treviers zu reiten oder erst, nachdem man schon im puneiz die Karrière genommen hat, plötzlich in die Richtung ze treviers zu fallen, was besonders große Gewandtheit erforderte.
- 5. Der Stich zer volge ist ein Stich, der nach den eigentlichen Turnieren stattfindet und nur von den gewandtesten Reitern gestochen wird; es ist noch mehr als der dritte Stich der sog. Damenstich: Dieser Tjost wird nur auf ausdrückliche Provokation und Zustimmung des Provozierten hin gestochen.
Turnierschwertkampf[]
Neben dem Lanzenkampf bestand ein Turnierschwertkampf. Er hieß das zöumen und bestand darin, dass der Ritter das Ross seines Gegners am Zügel nahm, mit ihm umwendete und versuchte, es zur Seite seiner Turniergenossen hin vom Turnierplatz zu ziehen. Da dieses jedoch meist nicht so glatt von statten ging, musste die Gewandtheit des Reiters durch den Kampf unterstützt werden, wozu man eben den Schwertkampf benutzte.
Eben in dieser Turneitour griffen nun in sehr unhöfischer Weise die Kipper ein. Kipper ist eine turnierunfähige Person, welche sich während des Kampfes der Beute der Ritter mächtigt, in erster Linie Knappen (siehe: Turnei: Turnei ze schimpfe mit vride mit kippern). Ihre Waffe war ein Prügel, mit dem sie das Ross des Gegners ihres Herrn besonders beim zoumen traktierten. Wer gezoumt war, galt natürlich als besiegt.
Spätmittelalter / Renaissance[]
Im Spätmittelalter und der Renaissance gab es dann folgende Arten des Lanzenkampfes (Gestech):
- Das Stechen über Schranken. Hierzu wurde auf der Rennbahn in der Länge eine Bretterwand errichtet, auf deren verschiedenen Seiten die Kämpfer in vollem Pferdelauf gegen einander anrannten. Wer mit der Lanze den Anderen so auf die Brust traf, dass dieser vom Pferd fiel (aus dem Sattel gehoben wurde), oder dass wenigstens die Lanze zersplitterte, hatte einen „ledigen Fall“ gewonnen, und wer die meisten Fälle gewonnen hatte (einer gewann oft 30 bis 40), dem wurde der Preis zuerkannt.
- Das Stechen im hohen Zeug. Hierbei saßen die Kämpfer auf hohen Sätteln, gegenüber deren Knöpfen sich an der Pferderüstung vorn über der Brust ein hoher Vorbug erhob. Als Gesetz galt bei diesem Lanzenstechen, dass der Stoß nur auf Kopf, Schild oder Brust (zwischen die vier Glieder) geführt werden durfte. Ein zu hoher oder zu niedriger Treffer war ein Fehler, und die Pferde durften nicht verwundet werden. Wenn einer der Kämpfer das Visier öffnete, so durfte er nicht mehr angegriffen werden. [2]
In Frankreich war es üblich, vor dem Ende des Lanzenspiels noch zu Ehren seiner Dame eine Lanze zu brechen.
Quellen[]
- Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer (Volltext auf Zeno.Org). Leipzig, 1885. S. 1018-1024 (Turnier).