Der sog. Universalienstreit war das philosophische Hauptproblem, das seit den Anfängen der Scholastik die ganze mittelalterliche Philosophie durchzog. Es war die Diskussion über das Verhältnis der Gattungsbegriffe (universalia) zu den Dingen (res), der Streit über Nominalismus und Realismus, der bereits bei Johannes Scottus Eriugena im 9.Jh. anklang.
Beschreibung[]
In der Einleitung des antiken Neuplatonikers Porphyrius (um 233-301/305) zu Aristoteles' logischen Schriften warf er die Frage auf, ob die Gattungsbegriffe (genera und species, zusammengefaßt unter dem Namen universalia), z.B. Eiche, Rind, wirklich d.h. dinglich oder nur in Gedanken vorhanden, ob sie körperlich oder unkörperlich seien, ob sie gesondert von den Sinnendingen oder nur in und an denselben existieren. An diese, dem Mittelalter nur in der lateinischen Übersetzung des Boethius vorliegende, Stelle knüpfte sich der fast das ganze Mittelalter durchziehende sogenannte Universalienstreit.
Die einen (die Realisten) behaupten, indem sie sich dabei auf Plato (von dem damals nur ein Teil des Timäus bekannt war!) beriefen, dass die Gattungsbegriffe das Ursprüngliche und Wirkliche, sowohl der Zeit wie dem Rang nach, also die wahrhaften Dinge (res) seien, welche das Besondere aus sich erzeugten (universalia ante rem).
Demgegenüber behauptete die andere Partei (die Nominalisten), dass die allgemeinen Begriffe bloße Worte (nomina, voces) oder Abstraktionen (intellectus) des Verstandes seien, während in Wirklichkeit nur die Einzeldinge existierten (universalia post rem). Zwischen beide schob sich später eine vermittelnde, auf Aristoteles sich berufende Ansicht (sog. gemäßigter Realismus), wonach die Universalien zwar real existierten, aber nur in oder an den Einzeldingen (universalia in re).
Nominalismus: Roscelin von Compiègne[]
Die althergebrachte Ansicht war im Allgemeinen der Realismus, den auch bereits Johannes Scottus Eriugena vertrat. Demgegenüber zeigten sich in der Schule von Fulda schon nominalistische Anfänge, die jedoch größere Bedeutung erst in der 2. Hälfte des 11. Jhs. durch das Auftreten des Roscelin von Compiègne erreichen. Dieser vertrat im Universalienstreit den Nominalismus so extrem, dass er auch die Unterscheidung von Teilen an Einzeldingen für eine willkürliche, nur der menschlichen Auffassung und Mitteilung dienliche Zerlegung erklärte.
Sätze wie: "Es gibt keine Farbe an sich, sondern nur gefärbte Körper" oder "es gibt keine Weisheit an sich, sondern nur weise Menschen", hätte man ihm seitens der Kirche wohl noch hingehen lassen. Doch als er den Nominalismus selbst auf die Dreieinigkeitslehre ausdehnte und lehrte, dass die drei Personen der Gottheit in Wahrheit drei getrennte Substanzen, also im Grunde drei Götter seien, veruteilte man ihn auf der Synode zu Soissons 1092 und zwang ihn zum Widerruf... Weiterlesen.
Realismus: Anselm von Canterbury[]
Der Realismus feierte einen glänzenden Sieg in Roscelins Gegner, Anselm von Canterbury (1033-1109). Dieser trat in Glaubenssachen unbedingt für die kirchliche Autorität ein und war insofern streng genommen der erste eigentliche Scholastiker. Anselms philosophische Ansichten besagten, dass der Glaube der Erkenntnis vorausgehen muß, um dann zu letzterer aufstreben. Für jene, die der wahren Einsicht unfähig sind, reiche die bloße demütige Verehrung (veneratio) jedoch aus.
Die Sinne, so lehrte Anselms Schrift "De veritate" im Sinne des Realismus, erkennen das Einzelne, der Geist das Allgemeine. Jedes Wesen sei nur dadurch wahr oder gut, daß es an der höchsten Wahrheit oder Güte (Gott) teilnimmt. Seine wichtigsten Lehrstücke waren: 1. der ontologische Beweis für das Dasein Gottes, 2. seine Lehre von der stellvertretenden Genugtuung Christi... Weiterlesen.
Weitere Realisten[]
Zu den extremsten Realisten gehörte nach dem Zeugnis Petrus Abaelardus auch der spätere Bischof von Châlons, Wilhelm von Champeaux († s. M. 1121). In Sokrates, soll er behauptet haben, sei die "Sokratität" das bloß Zufällige, die Menschheit das Substantielle. Die "Weißheit" würde existieren, wenn es auch kein einziges weißes Ding gäbe. Abaelardus selbst nahm eine vermittelnde Stellung in dem Universalienstreit ein.
- Die Geschichte der Philosophie geht weiter mit der Frühscholastik: Peter Abälard
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Quellen[]
- Der Kampf zwischen dem Realismus und Nominalismus im Mittelalter (Internet Archive). Johann Heinrich Loewe. Prag : Kosmack & Neugebauer, 1876.
- Geschichte der Philosophie, Band 1 (Zeno.Org). Karl Vorländer. Leipzig 1903. 5. Auflage, Leipzig 1919. S. 445 ff.: Die Philosophie des Mittelalters. Kapitel III. Die Anfänge der Scholastik, S. 456 f., § 60. Der Universalienstreit oder: Nominalismus und Realismus (Roscelin, Anselm von Canterbury u. a.).