Mittelalter Wiki
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Der vollständige Visierhelm (franz. armet, engl. helmet), auch Sturzhelm oder Helmlin genannt, entwickelte sich zu Beginn des 16. Jhs. mit Beginn der Renaissance aus dem Schaller und dem Burgunderhelm. Allerdings waren Visiere bereits seit dem 14. Jh. ein Bestandteil der Helme.

Beschreibung[]

Der Visierhelm bestand aus einer gewölbten Helmglocke mit Kamm, Visier, Nasenschutz und Helmfenster; diese vorderen Teile bildeten zusammen das Helmgesicht (franz. mézail). Das Visier bzw. der Helmsturz mit der Nasenberge und dem Helmfenster war beweglich und konnte zum Kamm hin mittels eines Zapfens (Helmrose) aufgeschlagen werden.

Außerdem besaß der Visierhelm einen Kinnschutz; das Kinnstück sollte, genau wie die Halsberge, die untere Seite des Gerichts schützen. Der vollständige Visierhelm der Renaissance besaß dann einen aus Schienen bestehendem Hals- und Genickschutz und einem hohen Kamm auf dem Scheitelstück zur Abwehr gegen die Schwerthiebe. [1]

Varianten[]

War das Visier am Stirnteil der Beckenhaube an einem Scharnier befestigt, hieß es Klappvisier (Bild). War das Visier unbeweglich an den Seiten des Helms befestigt, aber durch Entfernung von Stiften abzulegen, dann nannte man es Absteckvisier. Verlief es um seitlich angebrachte Bolzen, so bezeichnete man es als auf- oder abschlächtig. Das aufklappbare (aufschlächtige) Visier war mit einer Verschraubung aus zwei Drehbolzen in der Schläfengegend an der Beckenhaube befestigt. Der Unterrand des Sehspaltes war mitunter gezahnt, um ein Hineingreifen zu erschweren.

  • 1. Hundsgugel - Entstand Anfang des 14. Jhs. als eigenständige Form des Visierhelms aus der Beckenhaube.
  • 2. Armet - Italien, entstand um 1420 aus der Hundsgugel. Besitzt ein aufschlächtiges Kantenvisier mit Drehbolzen. Die Backenstücke wurden auf der Vorderseite verschlossen und bildeten auf diese Weise ein Kinnreff. [2]
  • 3. Geschlossener Helm - Entstand zu Beginn des 16. Jhs. aus dem Armet. Visier und Kinnreff sind an der Schläfe um Bolzen drehbar und besitzen keine Backenstücke.
    • 3.1. Mantelhelm - Um 1525. Variante des Geschlossenen Helmes mit der Hals- und Nackenreifen
    • 3.2. Teufelsschembart - Helm mit Visier in Form eines abschreckenden Antlitzes.
  • 4. Deutscher Visierhelm - Entstand zu Beginn des 16. Jhs. aus dem italienischem Armet und deutscher Schaller.
    • 4.1. Larvenhelm - Deutscher Visierhelm, der ein menschliches Gesicht nachbildet.

Entwicklung[]

Der Visierhelm entwickelte sich als geschlossener Helm älterer Form in der 2. Hälfte des 15. Jhs. und war als vollständiger Visierhelm noch in der Mitte des 17. Jhs. in Gebrauch.

14. Jahrhundert[]

Mit dem frühen 14. Jh. tauchte das Visier als beweglicher Gesichtsschutz auf. Es wurde vorerst mit einem Scharnier am Stirnteil der Beckenhaube befestigt und konnte nach oben hochgeklappt werden. Auf dem Grabmal des Aymer de Valence, Earl of Pembrocke, von 1323 in der Westminster Abtei finden wir den Visierhelm bereits vollständig ausgebildet. Bereits um 1330-1340 waren in Italien und Westeuropa das um zwei Schläfenbolzen drehbare Visier nachweisbar.

In der zweiten Hälfte des 14. Jhs. wurde der Visierhelm als Form des adeligen Kopfschutzes allgemein üblich und konnte zuletzt um 1400 überall an den Beckenhauben getroffen werden. Entsprechend dem damaligen Kunstideal mit seinem neuen Hang zum Realismus, das zu absonderlichen, grotesken, ja geradezu verhäßlichten Formen neigte, nahm das Visier der gespitzten Beckenhaube in Westeuropa die Form von phantastischen Rundvisieren an, in Italien und Deutschland die des Spitzvisiers. Von diesem spitz getriebenen Visier, einer Hundeschnautze ähnlich, und der gotischen Stoffkapuze, der Gugel, leitet sich der Name Hundsgugel ab. [3]

15. Jahrhundert[]

Von der Mitte des 15. Jhs. an bildet sich allmählich der geschlossene Helm älterer Form. Die älteste Übergangsform (Armet) entwickelte sich aus der späteren Beckenhaube. Auch wenn ihre Konstruktion verschieden ist, charakterisieren sich doch alle durch das eingezogene Nackenstück und durch zwei seitlich an Scharnieren befestigte Backenstücke, die vorn am Kinn geschlossen werden und ein sogenanntes zweiteiliges Kinnreff bilden.

Zudem besitzen diese Helmtypen ein quer gekehltes oder spitz vorspringendes aufschlächtiges, dabei aber auch abzusteckendes Visier und einen mit dem Visier in gleicher Welle laufenden Stirnstulp, der die Stirnpartie des Scheitelstückes verstärkt und auch die offene Stelle an den Augen bei vorspringenden Visieren schließt. In der Zeit des Oberganges sind solche geschlossene Helme älterer Form noch mit einem Stück Panzerzeug am Unterrand ausgestattet; man trennte sich eben schwer von der gewohnten Helmbrünne. Diese Beigabe verliert sich im 16. Jh. mit dem Auftreten des Harnischkragens.

An den geschlossenen Helmen älterer Form kommen auch zuerst die doppelten Visiere zur Anwendung. Zwei übereinander stehende Visiere, von welchen das untere gewöhnlich ein Spangenvisier, oder breiter durchlocht ist.

16. Jahrhundert[]

Auf den ältesten Visierhelmen des 16. Jhs. befindet sich nur eine über das Scheitelstück verlaufende, wulstförmige Erhöhung, die ersten Anfänge des Kammes. In der Folge wurde dieses Scheitelstück immer höher aufgetrieben und damit zum ausgesprochenen Kamm. Um 1570 wuchst der Kamm besonders in Italien zu riesiger Höhe (Burgunderhelm). Eine barocke Phantasie führte dahin, die Visiere auch in Form eines abschreckenden Antlitzes zu bilden; man nannte solche Visiere Teufelsschembart (Bild). Überhaupt führten die damaligen Helmvarianten, hauptsächlich nach der Gestalt der Visiere, eigene Namen wie z.B. Totenkopf, Affenvisier usw..

Geschlossener Helm[]

Um 1500 wurde der geschlossene Visierhelm in seiner Zusammensetzung wesentlich vereinfacht. Die Öffnung erfolgte lediglich von dem seitlichen Visierkloben aus, indem Kinnreff und Visier aufgeschlagen den Raum geben, um beim Aufsetzen den Kopf durchzulassen. Das Nackenstück erscheint nun geschoben, die Stielscheibe verschwindet. Aus dieser Übergangsform bildet sich um 1530 der Geschlossene Helm neuerer Form.

Geschlossene und Burgundische Helme, wiesen schon von ihrem ersten Auftreten an mitunter die Eigentümlichkeit, die bei aller Anerkennung gewisser Vorteile doch eine Schwächung darstellte: das Durchlöchern des Scheitelstückes. Einer der ältesten derartigen Helme stammt aus dem Besitz Kaiser Maximilians I., doch kommen ähnliche bis 1570 vor. Die zahlreichen Löcher erleichterten das Tragen des Helmes in der Tageshitze erheblich (Bild).

Burgunderhelm[]

Am Beginn des 16. Jhs. entstand der Harnischkragen und fast gleichzeitig damit verband man diesen mit dem Helm. Man trieb den Unterrand des Helmes rinnenartig auf, so dass sich die Oberkante des Kragens innerhalb dieser Rinne bewegte. Solche Helme nannte man Burgundische Helme. Um diese Zeit bildete sich auch eine aufschlächtige Visierform mit weit und spitz vorspringenden Wänden heraus, in die oberhalb in einer Kehlung der Sehspalt geschnitten wurde. Diese blieb bis an das Ende des Jahrhunderts überall üblich. In der Konstruktion zur Öffnung des Helmes durchlebte der Burgunderhelm genau dieselben Wandlungen wie der Geschlossene Helm.

Burgunderkappe[]

In der 2. Hälfte des 16. Jhds. traten wieder einfachere Visiermechanismen auf. Den alten Stirnstulp ersetzte ein aufschlächtiger Gesichtsschirm, mit dem ein meist breit und senkrecht gespaltenes Visier verbunden war, das sich beim Aufschlagen des Schirmes gleichzeitig öffnete. In den Heeren der Niederländer und Engländer führten die reitenden Schützen Helme mit ähnlichen Visieren, die aber nur aus drei Spangen bestanden, sog. Burgunderkappen (Bild).

Verstärkungen[]

Besondere Verstärkungen durch Auflegen von Doppelstücken kamen bei Geschlossenen Helmen wie bei burgundischen Helmen nicht selten auch für den Feldgebrauch vor, für gewisse Turnierarten waren solche unentbehrlich. Zunächst wäre hier die Verstärkung am Scheitel zu erwähnen. Sie überdeckte das Scheitelstück, bei Kämmen mit Aussparung desselben vollständig und wurde hinten durch 3 Spangen gehalten, die sich federartig wirkend an das Nackenstück pressten. Die ältesten Scheitel-verstärkten Helme erschienen um 1510; um 1540 kamen sie auch in hübschen Designs durchbrochen vor Augen, wo sie allerdings nur als Zierstücke dienten.

Eine andere Verstärkung war der Feldbart, der auch an Sturmhauben üblich war. Er war schmal geschnitten, bedeckte nur die Kinnpartie und reichte bis zu den Visierbolzen hinauf, die er an beiden Seiten bedeckt; unterhalb reihte sich daran ein geschobener Halsreifen. Nicht so häufig im Feld, wie beim Turnier wurde die Helmwand an der linken (Hieb-) Seite verstärkt. Solche Wandverstärkungen erschienen, je nachdem ob sie sich über andere Partien des Körpers verbreiteten, in verschiedenen Größen. Die kleinsten deckten nur die Helmwand, die Mittelkante des Helmes etwas übergreifend, und wurden um den Hals geschnallt; größere reichten bis an die Brust, an welche sie angeschraubt wurden; die größten, spannten sich über die halbe Brust und die ganze linke Achsel und wurden nur im Gestech über der pallia getragen.

Galerie[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 152.
  2. Wikipedia: Armet
  3. Explore Europe's cultural collections: Hundsgugel (Inv.-Nr. HJRK_A_24)
  4. Boeheim, Waffenkunde. aaO. S. 43, Fig.031: Geschlossener Helm neuerer Form, mit Kinnreff, auf- und abschlächtigem Visier. Der Helm gehört zu einem Harnisch von Kaiser Maximilian I.
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