Mittelalter Wiki
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Crystal keditbookmarks Dieser Artikel wurde am 15. Juli 2019 als Spotlight vorgestellt.

Volksburgen bzw. Fluchtburgen, Fliehburgen oder auch Gauburgen dienten einer lokal ansässigen Bevölkerung als zeitweiliger Rückzugsort bei Kriegsgefahr. Hierbei handelt es sich um eine burgähnliche, meist von Wällen umgebene Verteidigungsanlage, die nicht dauerhaft bewohnt wurde. [1]

Beschreibung[]

Für diese Art großer Befestigungsanlagen ist der Name Volksburgen der passendste, denn es ist nicht sicher, ob sie wirklich alle nur Flucht- oder Fliehburgen, ob nicht manche dauernd bewohnt waren; und nicht sicher, ob sich nicht zuweilen mehrere in einem Gau befanden oder auch eine für mehrere Gaue reichen musste.

Der Ausdruck „Volksburg" soll aber nur heißen, dass sie für eine größere Volksmenge bestimmt war, so wie „Herrenburg" für den Herren und seine nächste Umgebung. Angelegt wurden sie gewiss nicht vom Volke, sondern von einem Herren, dem sie auch unterstanden.

Volksburgen waren in altgermanischen Gebieten in Gebrauch, bis der fränkisch-römische befestigte Herrenhof und weiterhin die dadurch hervorgerufene mittelalterliche Herrenburg sie ablöste. Als Fluchtburgen dienten auch Kirchenburgen und Wehrkirchhöfe, die teils noch in der Renaissance errichtet wurden. Intakt gebliebene Fluchtburgen dieser Art behielten ihre Bedeutung bis in den 30-jährigen Krieg (1618-1648). Die Volksburgen gehören zur gemeinsamen europäischen Kultur; sie lassen sich in gleicher Art nachweisen bei Germanen, Kelten, Italikern und Griechen.

Nutzung[]

Wie die Volksburgen benutzt wurden, erfahren wir literarisch nur für die italischen und keltischen. Dionysios von Halikarnassos (ca. 54-7 v. Chr.) berichtet: „Als Servius Tullius († um 534 v. Chr.) das Land in die betreffenden Teile (30 oder 31 Tribus) geteilt hatte, legte er auf bergigen Höhen zum Schutze der Landleute Zufluchtsstätten an und nannte sie mit griechischem Ausdruck pagoyz (von pēgnymi) = 'Befestigungen').

Dorthin flüchteten von ihren Landgütern alle, wenn der Feind ins Land kam, und nächtigten auch öfter dort. Es gab auch Befehlshaber dieser Anlagen. Sie führten Listen über die Landleute, die zu einem solchen pagus (Landschaftsbezirk) gehörten, und über ihren Besitz. Sie erhoben die Steuern und sammelten das Aufgebot. Und wenn das Volk zu den Waffen gerufen oder die Kopfsteuern erhoben werden mussten, besorgten sie das." Wir haben hier die echte 'Gauburg', ja wir sehen, wie der Begriff pagus ursprünglich nur die Burg und dann erst den Burgverband, den Gau, bezeichnete.

Aufbau[]

Größe und Gestalt der in Mitteleuropa gefundenen Volksburgen sind sehr verschieden. In der Ebene herrschten eher Rundwälle vor, wie z.B. die spätslawische Schliebener Wallburg oder die Kosilenziener Wallburg von je 60-70 m Durchmesser. Auf Erhebungen schmiegte sich der Wall dem Plateaurand an, wie z.B. Burger Wallburg auf dem Schlossberg mit 3 Hektar, bei der Schöningener Wallburg auf dem Stadtberg bei Stettin mit 7½ Hektar oder bei der Römerschanze bei Potsdam mit etwa 2 Hektar.

Überall zeigte sich, dass der Wall ursprünglich eine Mauer aus Holz und Stein oder Holz und Erde war (auch die „Schlacken- und Brandwälle" erklären sich so). Es handelte sich also nicht um einen Platz, der nur mit einem flauen „Wall" umgrenzt war oder ein Heiligtum, sondern um eine wirkliche verteidigungsfähige Burg.

Oppida - Keltische Volksburgen[]

Über die keltischen Volksburgen, die oppida in Gallien, erfahren wir viel durch Caesar. Auch sie waren offenbar Fluchtburgen: bei einer plötzlichen Ankunft Caesars wurden die Landbewohner von der Reiterei überrascht, ehe sie in ihre oppida fliehen konnten [2]. Ein Stamm hat ihrer oft eine ganze Menge: die Bituriger verbrannten an einem Tage 20 oppida, damit sie nicht in die Hände der Römer fielen, und schonten nur Avaricum, „die stärkste und schönste Burg wohl von ganz Gallien“ [3]. In diese wurden dann 10.000 Mann, aus dem ganzen Landesaufgebot ausgewählt, gelegt [4] ... → Zum vollständigen Artikel.

Deutschland[]

In Deutschland beginnen die Volksburgen schon in der Steinzeit, auf späterem keltischem Gebiet, so z.B. das Urmitzer Grubenwerk bei Neuwied (Rheinland-Pfalz), Mayen i. d. Eifel (Rheinland-Pfalz) oder Untergrombach bei Bruchsal (Baden-Württemberg).

Bronze- und Hallstattzeit[]

Ein berühmtes Beispiel einer spätbronzezeitlichen Volksburg ist die Römerschanze bei Potsdam, und auch in Mitteldeutschland und Thüringen können viele Burgen bis in die Bronzezeit (2.200-800 v. Chr) zurückgeführt werden. [5]. Ebenso erhalten sind einige Beispiele auch aus der Hallstattzeit (1.200-450 v. Chr.), wie z.B. Neuhäusel bei Bad Ems (Rheinland-Pfalz) und in Traisa, Gemeinde Mühltal (Darmstadt, Hessen).

Östlich der Elbe, besonders in der Mark und der Lausitz sind ca. 20 alte Burgen nachweisbar, die eine Reihe von Jahrhunderten v. Chr. zurückgehen. Fast alle wurden späten von den Slawen wieder benutzt, darunter auch die Barzliner Wallburg in der Niederlausitz.

Eisen- und Latènezeit[]

In Norddeutschland gibt es westlich der Elbe im Flachland nur wenige Volksburgen, z.B. den Wunderbütteler Hünenkamp und die Sieverner Heidenschanze [6]. Allerdings scheint davon keine älter als die Zeit der Sachsenkriege; erst am Gebirgsrand finden sich ältere Typen, die bis in die Latènezeit (450 v.Chr. bis 15 n.Chr.) zurückreichen, wie z.B.: die Grotenburg bei Detmold oder Altenburg bei Niedenstein.

Das keltische Steinsburger Oppidum auf dem Kleinen Gleichberg bei Römhild (Thüringen, 5. Jh. v. Chr.) mit seinen großen Steinringwällen und Funden datiert in die mittlere und späte Latènezeit (280 v. Chr.-0), darunter fand sich auch viel Eisengerät. Das Milseburger Oppidum nordöstlich von Fulda liegt über 800 m hoch und weist ebenfalls Steinringwälle mit Spätlatènefunden (190 v.Chr.-0) auf.

In Westdeutschland finden sich: die Taunus-Ringwälle Altkönig und das Heidetränk Oppidum auf der Goldgrube. 1908 legten Ausgrabung die großen und komplizierten Befestigungen der Ringwallanlage Dünsberg bei Gießen frei, die ebenfalls der Latenezeit angehören. In Hessen-Kassel war die Burgenforschung bereits im 19. Jh. weit vorgeschritten, wobei am umfassendsten auf der Altenburg bei Niedenstein ausgegraben wurde. In Nordwestdeutschland gilt besonders die Grotenburg bei Detmold, der sog. „Große Hünenring" als germanische Volksburg.

Frühmittelalterliche Sachsenburgen[]

Die Sachsenkriege gegen Karl den Großen (772-804) waren auch eine Zeit des Baus von umfangreichen Flucht- und Volksburgen. So überliefern die fränkischen Annalen eine Reihe von Sachsenburgen, wie z.B.: die Eresburg in Obermarsberg, die Sigiburg (Hohensyburg) bei Dortmund, die Skidroburg (Herlingsburg) bei Schieder-Schwalenberg, die Brunsburg bei Höxter, die Iburg bei Bad Driburg oder auch die Hohsiburg, die sich außer letzterer alle sicher nachweisen lassen.

Die Hohsiburg deckte den Weg von Thüringen her, die Eresburg den Weg vom Mittelrhein über Frankfurt-Gießen-Marburg, die übrigen den vom Westen die Ruhr oder Lippe herauf ins Sachsenland führenden Weg. Fast alle dieser Sachsenburgen lassen sich im Gelände noch nachweisen und wurden zum guten Teil ausgegraben. Sie liegen auf Bergeshöhen, haben die unregelmäßige Form des Bergplateaus, an den Toren eingebogene Wallenden und an den gefährdeten Seiten vermehrte Vorlinien. Daneben haben in der Ebene die Burgen derselben Zeit runde oder ovale Form.

Die Wahl der Örtlichkeit war wie bei den germanischen Burgen ein möglichst isolierter Berg (gewöhnlich nur ein Tor) mit einer großen Fläche darauf. Die Umwehrung bestand aus doppelten oder dreifachen Linien am Tor, wie früher schon bei der Altenburg bei Niedenstein. Im Wall finden sich zuweilen schon Bruchsteinmauern mit Kalk (wie bei den Königshöfen in der Regel).

Dem durch die fränkischen Reichsannalen bestimmten Typus gehören noch eine Reihe weiterer Burgen an, die Forscher somit für die gleiche Zeit in Anspruch nehmen können. Darunter die Karlsschanze (Willebadessen), das Tönsberglager (Oerlinghausen) (ausgegraben 1892 und 1897 von Schuchhardt und Weerth) und die Hünenburg bei Bielefeld. Die Heidenschanze und Heidenstadt bei Sievern sind zwei der seltenen Volksburgen im nordwestdeutschen Flachland.

Beispiele[]

  • Jungsteinzeit (5.500-2.200 v.Chr):
    • Urmitzer Grubenwerk bei Neuwied (Rheinland-Pfalz). Zugehörigkeit: Michelsberger Kultur (4400-3500 v. Chr.).
    • Mayen i. d. Eifel (Mayen-Koblenz, Rheinland-Pfalz).
    • Untergrombach bei Bruchsal (Baden-Württemberg). Zugehörigkeit: Michelsberger Kultur (4400-3500 v. Chr.).

Galerie[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Wikipedia: Fliehburg
  2. Caesar, BG. aaO. 8, 3, 1.
  3. Caesar, BG. aaO. 7, 15.
  4. Caesar, BG. aaO. 7, 21.
  5. Götze, Alfred. Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens (Internet Archive). Paul Höfer, P. Zschiesche. Würzburg : C. Kabitzsch (A. Stuber), 1909.
  6. alle Schuchhardt, Atlas. aaO. Heft VIII u. IX
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