Als Wergeld (auch Wehrgeld, Wiedergeld, Manngeld [wer = Mann], Friedegeld, Buße, Compositio, Weregildus) wurde nach germanischen Recht eine bestimmte Geldbuße bezeichnet, die wegen Totschlags an die Blutsverwandten zu entrichten war.
Diese Geldsumme wurde als Befriedung und Sühne für ein Verbrechen an die Familie des Opfers gegeben, so dass diese auf eine Blutrache verzichtete. Der Betrag richtete sich dabei nach den Standesverhältnissen und dem Geburtsrecht des Getöteten; ursprünglich entsprach das Wergeld dem Wert der Hufe. Daneben war wegen des Friedensbruchs auch noch ein Strafgeld an den König zu zahlen. [1] [2]
Beschreibung[]
Das Wergeld (schwed. mangoeld, manbot, dän. manbot, norw. mangjöld, ags. wer-, leodgeld, langobardisch. virgild, vidrigild, fries. ield, liudwerdene, werield, lat. weregildus) war sprachlich und sachlich der Wert eines freien Mannes, eine "Mannbuß"e, und deshalb vom Totschläger eines solchen freien Mannes als Sühne zu zahlen, sofern ein Sühnevertrag abgeschlossen oder die Fehde sonst rechtlich beigelegt wurde. Wenn auf die Fehde verzichtet wurde, musste das Wergeld ursprünglich von der "Sippe der lebenden Hand" an die "Sippe der toten Hand" geleistet werden. Und zwar, da Frauen eine Fehde weder tragen noch erheben können, von den Männern an die Männer.
Die Forderung des Wergeldes ging von der "Sippe der toten Hand" (Blutsfreunde und -Verwandte) des Erschlagenen aus, die das Geld auch unter sich verteilten, und ebenso war die "Sippe der lebenden Hand" (Blutsfreunde und -Verwandte) des Täters genötigt, zu dem geforderten Wergeld beizutragen oder es unter Umständen ganz zu zahlen. Unfreie hatten kein Wergeld, sondern nach einem Gesetz Kaiser Heinrichs II. von 1022 mußte der Totschläger dem Herren des Unfreien das Wergeld bezahlen, und dieser sich dann mit den nächsten Verwandten des Getöteten abfinden.
Seit Maximilians I. (1459–1519) durch seinen Landfrieden die Privatbefehdungen aufhob und vorsätzliche Totschläger in der Regel am Leben bestraft wurden, hörte auch das Wergeld in seiner früheren Gestalt auf und wurde nur auf den Fall beschränkt, wenn der Totschlag durch Fahrlässigkeit, Zufall oder in Notwehr erfolgte. Nach dem Sachsenspiegel ist die Summe des Wergeldes bei Männern auf eine Summe von 240 Thalern, beim Tod von Frauen auf 120 Thaler zu setzen; im Königreich Sachsen hat der Gerichtsgebrauch diese Summen aber auf 20 und 10 Thaler gemildert. Wenn Mehre an der Tötung Teil nahmen, mußte jeder das ganze Wergeld bezahlen. An dessen Stelle trat fast überall eine Entschädigungsforderung der Nachgelassenen wegen jedes, durch die Tötung entstandenen Schadens, die sich nicht blos auf Kur-, Begräbniß- und Trauerkosten, sondern auch auf Alimentation der Wittwe und unmündigen Kinder erstreckte, selbst solcher von anderen Personen, die der Getötete zu alimentieren schuldig war und die sich nicht selbst ernähren konnten. [3]
Entwicklung[]
Der Rechtshistoriker Professor Wilhelm Eduard Wilda (1800-1856) unterscheidet folgende Stufen in der Entwickelungsgeschichte des Wergeldes:
- 1.) Es bildete sich und bestand neben dem ältesten auf Friedlosigkeit gegründeten Strafrecht und war weder Gegenstand der Gesetzgebung, noch der Rechtspflege.
- 2.) Es wurde eine Rechtsinstitution, die dazu diente, die Familien, ohne notwendige Rücksicht auf den Täter, lediglich um ihrer selbst willen zu versöhnen.
- 3.) Es wurde der Familie zur Pflicht gemacht, zum Wergeld beizusteuern, damit der Schuldige selbst sich von weiteren Folgen seiner That befreien könne, ohne dass jener vorige Gesichtspunkt ganz erlosch.
- 4.) Die Gesetze beschränkten diese Pflicht der Familien, bis sie dahin kamen, jede notwendige Beteiligung aufzuheben und den Grundsatz aufzustellen, es solle der Thäter allein für seine Schuld büssen, mit Ausschluss jeder subsidiären Haftung. Das Wergeld nahm nun ganz die Natur einer Strafe an; es war, nebst dem beim Totschlage zu zahlenden Friedensgelde, rein an die Stelle der den Schuldigen treffenden Friedlosigkeit getreten.
- 5.) Das war nicht nur in Beziehung auf den Totschlag der Fall, sondern eine Menge anderer Missetaten sollten nach den gesetzlichen Bestimmungen mit dem Wergelde, und zwar bald des Verletzten, bald des Schuldigen gebüsst werden, ohne dass sich dafür, wenn man das eine oder andere gewählt hat, eine feste Regel auffinden lässt. Indem man dann dieses Wergeld auch vervielfachte und teilte, war es zu einem allgemeinen Busssatz geworden. [4]
Verteilung[]
Die Aufbringung und Verteilung des Wergeldes wurde auf beiden Seiten Sippen-intern geregelt, die darüber in einer Zusammenkunft beschließen konnte, ansonsten geschah es nach externen Rechtsregeln. Zunächst wurde die gesamte Summe geteilt, und zwar in:
- 1.) Die Erbsühne, die von den nächsten Verwandten des Totschlägers zu leisten war und an die nächsten Verwandten des Erschlagenen ging.
- 2.) Die i.d.R. geringere Magsühne, die von Magschaft zu Magschaft ging. Diese entfiel bei verwandtenlosen und wurde z.B. bei Freigelassenen durch den Anspruch des Patrons ersetzt.
So wurde jeder Teil nach Nähe der Verwandtschaft zum Täter oder Verletzten in seiner Gruppe aufgeteilt, so dass die näheren mehr gaben und empfingen als die entfernteren.
Norwegisches Recht des Gulathing[]
Das norwegische Recht des Gulathing regelte das Wergeld bereits unter Berücksichtigung nahestehender Frauen, wie es auch später stattfand, wiefolgt: Es sah von Erbsühne und Magsühne ab und teilte die ganze Summe in drei Hauptteile, ebenso unterschied es die Verwandten in drei Gruppen bauggildismenn ("Ringgeldleute"), nefgildismenn ("Nasengeldleute") und namagar ("nahe Verschwägerte").
- 1.) Von den bauggildismenn ("Ringgeldleuten") nahm der Sohn alleine oder zusammen mit dem Vater den "Hauptring", der Bruder den zweiten, der Vatersbrudersohn den dritten Ring.
- 2.) Die nefgildismenn ("Nasengeldleute" = nahe Verwandte der Frauenseite) erhielten den zweiten Teil.
- 3.) Die namagar (die "nahen Verschwägerten") erhielten den dritten Teil.
Der uneheliche Sohn schloß sich mit noch anderen Verschwägerten zu den "Sühnvermehrern" (sakaukar) zusammen. Fehlten die Männer als Verwandte einer dieser Gruppen, konnten auch Töchter oder Schwestern als baugrygjar (Ringweiber) Ringe als Ringgeld geben und nehmen, und auch sonst erhielten in solchen Fällen gewisse Frauen aus der Verwandschaft den Anteil des Wergeldes.
Sonstige Rechte[]
Das Trondheimische und isländische Recht unterschied in vier Gruppen, sowie im "Ringdach" und "Deut" in bestimmten Fällen zu leistende Zugaben und unter gewissen Umständen eine Herabsetzung der Ringe. Von den übrigen skandinavischen Rechten teilt das ältere schwedische die Geschlechtsbuße, indem es jedem weiteren Grad der Verwandschaft halb so viel wie dem vorausgehenden gibt und genau so fordert, während das dänische Recht je ein Drittel vom Täter, dessen väterlichen und mütterlichen Verwandten zahlen läßt. Im angelsächsischen Recht sind nur noch Spuren solcher Verteilung zu sehen, wo aber auch eine Vorausbezahlung des Blutklägers ähnlich dem norwegischen und dänischen Recht erscheint.
Die allmähliche Zurückdrängung der Fehde führte zur Entlastung der Verwandten und stärkerer Belastung des Totschlägers selbst, der so z. B. nach jüngerem schwedischen Recht bei Totschlag und Mord eine einheitliche Wergeldsumme zur Verteilung an Erben und König, im Ausnahmefall auch das haerath zahlen musste. Auf dieser Stufe standen auch die meisten kontinentalen Rechte der fränkischen Zeit, zum Teil mit zusätzlicher Magenhaftung. In Friesland erhielt sich die Teilung des Wergeldes in der Sippe noch lange, ebenso in den Rechten des fränkischen Reiches.
Höhe des Wergeldes[]
Die Höhe des Wergeldes war nicht nur bei den einzelnen Stämmen verschieden, sondern auch innerhalb dieser nach dem gesellschaftlichen Stand oder dem besonderen Wert des Getöteten. So erhielt nicht nur der Adlige mehr als der Gemeinfreie, sondern vereinzelt die Frau sogar mehr als der Mann, nach vielen Rechten der königliche Beamte wie der Geistliche ein Vielfaches seines Standeswergeldes.
Im einzelnen ist z. B. die ältere schwedische Erbenbuße 9-13⅓ Mark, die Geschlechtsbuße 12 oder 6⅔ Mark, das sporgjaeld betrug 40 Mark, das gotländische Wergeld 24 M. Silber. In Dänemark machte es 40 M. später noch 15 Silbermark aus, wozu oft eine besonders vereinbarte Überbuße (gersum) kam. 40 M. waren auch die gjold des norwegischen hauldr, 200 Schillinge das Wergeld des angelsächsischen Gemeinfreien.
Die Ansätze der kontinentalen Stämme bewegten sich, von den 240 Schillingen der Sachsen abgesehen, um die Summe von 140 Schillingen, abzüglich des Friedensgeldes. Neben den schon erwähnten Zusätzen, die der Blutkläger als Voraus empfing, sind schließlich noch Bußen zu erwähnen, die bei Tötung an andere Personen als die Blutsverwandten gingen. Hierher gehörten die Mannbuße (ags. manbot), die der Herr für einen erschlagenen Unfreien erhielt, und die bei Tötung des angelsächsischen Königs an das Volk fallende cynebol.
Quellen[]
- Nordgermanisches Obligationenrecht (Open Library). Karl Von Amira. 1882; n 1895. Band I, S. 707 ff. Band II, S. 97 ff.
- Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten (Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz). Heinrich Brunner, 1882. Artikel in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung Bd. 3 (1882) S. 1-101
- Gesetze der Angelsachsen (Internet Archive). Felix Liebermann. Savigny-Stiftung. M. Niemeyer, 1906. Band II, S. 731 f.
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 4. Johannes Hoops, 1918-1919. S. 510 f.
Einzelnachweise[]
- ↑ Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 1081-1082.
- ↑ Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 537.
- ↑ Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 11.
- ↑ Das Strafrecht Der Germanen. (1842) Wilhelm Eduard Wilda. Kessinger Pub Co (23. Februar 2010). ISBN-10: 1160705771. S. 366 ff.