Die Wulfilabibel oder auch Gotische Bibel bzw. Gotenbibel bezeichnet die von Bischof Wulfila (311–383) angefertigte gotische Bibelübersetzung. Sie zählt zu den ältesten schriftlichen Zeugnissen der germanischen Sprache und ist als Abschrift u.a. im Codex Argenteus erhalten, der zwischen 500 und 510 in Norditalien vermutlich für Theoderich den Großen geschrieben wurde. [1]
Beschreibung[]
Laut dem Bericht des Kirchenhistorikers Sozomenos († um 450) schloss Bischof Wulfila seine die gotische Bibelübersetzung unmittelbar an die Bekehrung der Goten Fritigerns an. Die Bruchstücke dieser Bibelübersetzung sind ohne die Nennung des Verfassers überlierfert. Dennoch kann man sie aufgrund verschiedener Berichte Wulfila zuordnen.
Eng verknüpft mit der gotischen Bibelübersetzung ist eine ausführliche polemisch dogmatische Erklärung des Johannesevangeliums, das sog. Skeireins, die in fragmentarischen Resten erhalten ist und ihre Bibelzitate dem Text Wulfilas entnommen hat. [2] [3]
Handschriften[]
- Der Codex Argenteus (CA) aus der Universitätsbibliothek zu Upsala ist zuerst in Werden nachweisbar. Er besteht aus purpurgefärbtem Pergament mit silberner (zum Teil goldener) Schrift. Er datiert in das 6. Jh. wie alle gotischen Handschriften Wulfilas. Die 187 erhaltenen Blätter zeigen Bruchstücke der Evangelien des Mattheus, Johannes, Lukus und Markus. Erstausgabe von Fr. Junius 1665.
Alle anderen gotischen Handschriften Wulfilas sind Palimpseste:
- Der Codex Carolinus (Car) aus Wolfenbüttel, ehemals Weißenburg, enthält 4 Blätter mit Bruchstücken einer gotisch-lateinischen Bilingue des Römerbriefes, geschrieben in Sinnzeilen. 1756 von Knittel entdeckt wurde er 1762 veröffentlicht. Der Codex Carolinus wie die 1817 von Kardinal Angelo Mai entdeckten Codices Ambrosiani zu Mailand stammen aus dem Kloster Bobbio in Ligurien und kamen wahrscheinlich aus den Sammlungen des Gotoromanen Cassiodor dorthin.
- Die Codices Ambrosiani (A) in Mailand.
- A) 190 lesbare Blattseiten mit Bruchstücken aller Paulinischen Briefe, außer dem Hebräerbrief. Dass dieser von jeher gefehlt hat, beweist der unmittelbar auf den Brief an Philemon folgende, in Thrakien entstandene gotische Festkalender. Hierzu gehören auch die 4 Turiner Blätter. Bis I. Kor. 4. 12 ist A in Sinnzeilen geschrieben.
- B) 154 beschriebene Blattseiten mit den Paulusbriefee; Rom. Philem, sind Verloren, 2. Kor. ist vollständig erhalten. Eph. steht vor Gal. wie in A.
- C) 2 Blätter mit Bruchstücken aus Mattheus.
- D) 3 Blätter mit Bruchstücken aus Nehemias.
Einen wertvollen Zuwachs des Handschriftenbestandes von Wulfila bedeutete das gotische Pergamentdoppelblatt der Gießener Universitätsbibliothek aus Schékh Abáde, in der Nähe des alten Antinoë. Es bietet das Bruckstück einer in Sinnzeilen geschriebenen gotisch-lateinischen Evangelienbilingue [4].
- Die Skeireins - Von der Skeireins sind 8 Blätter erhalten, 5 auf der Ambrosiana, 3 auf der Vaticana; sie sind bis auf die Rückseite von Blatt 6 überschrieben.
Vorlage[]
Die Gotenbibel wurde aus dem Griechischen, nicht aus dem Lateinischen übersetzt, und ihr liegt der in Konstantinopel geltende Text zugrunde. Als Vertreter der Rezension der Septuaginta (des griechischen Alten Testamentes) durch Lukian von Antiochia sind für die auf den Oktateuch (die ersten acht Bücher des Alten Testaments) folgenden geschichtlichen Bücher des Alten Testaments mehrere Minuskeln nachgewiesen, und zwar in erster Linie durch die Übereinstimmung ihrer Lesarten mit den Randnoten des Syrohexapla (der syrischen Übersetzung der Septuaginta), die ausdrücklich als lukianisch gekennzeichnet sind, sowie mit den Zitaten der antiochenischen Kirchenväter.
Für das Neue Testament der gotischen Bibel kommt als Quelle der antiochenisch-konstantinopolitanische Text in Betracht, allerdings steht unter den griechischen Handschriften der Codex Alexandrinus (A) dem gotischen Text am nächsten. Auch die Bibel des Chrysostomos hat nahe Verwandtschaft mit der Wulfilas.
Geschichte des gotischen Bibeltextes[]
Als augenfälligste Neuerung treten die Randglossen entgegen, die im Codex Argenteus und Codex Alexandrinus (A) überliefert sind; an manchen Stellen drangen solche Randglossen nachweislich in den Text vor. Ferner zeigen sich überall, wo Doppelüberlieferung vorliegt, größere oder geringere Varianten. Zudem gibt es zahlreiche Stellen, wo der gotische Text völlig allein steht oder mit der altlateinischen Bibel übereinstimmt. In all diesen Fällen handelt es sich um nachträgliche Änderungen der ursprünglichen Fassung.
Der gotische Text ist also nicht in unveränderter Form überliefert. Die zahlreichen Änderungen sind teils dem Einfluss der Parallelstellen, teils der Einwirkung der altlateinischen Bibel zuzuschreiben, deren Berücksichtigung in Italien nahe lag. Ein wertvolles Zeugnis für die Vornahme von Textvergleichen gewährt die Praefatio des Codex Brixianus (f), einer dem Codex Argenteus in Ausstattung wie Anordnung nahe verwandten lateinischen Evangelienhandschrift. Sie unterrichtet ausdrücklich darüber, dass in Randglossen (uulthres) auf die griechische und die lateinische Überlieferung hingewiesen werde.
Die gotische Wiedergabe des griechischen Textes bei aller Treue der Übersetzung ein nicht geringes Maß stilistischer Selbständigkeit und auch die Synonymik bekundet die gleiche Feinfühligkeit und Unabhängigkeit.
Quellen[]
- Hoops, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 1. Auflage, 4 Bände. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. IV, S. 565 ff.
Einzelnachweise[]
- ↑ Wikipedia: Codex Argenteus (Version vom 16.05.2019)
- ↑ Vgl. Marold, Die Schriftzitate der Skeireins. Königsberg, 1892.
- ↑ Dietrich, Ernst. Die Bruchstücke der Skeireins (Internet Archive). Strassburg : K.J. Trübner, 1903. S. XXVIII ff.
- ↑ lat. Luk. 23, 2-6; 24, 5-9; got. 23, 11-14; 24, 13—17