„Eine Esche weiß ich, heißt Yggdrasil,
Den hohen Baum netzt weißer Nebel;
Davon kommt der Thau, der in die Thäler fällt.
Immergrün steht er über Urds Brunnen.“– Völuspâ: 19
Yggdrasil, altnordisch Yggdrasill oder Yggdrasils askr, auch: Weltesche, ist in der nordischen Mythologie der Name einer Esche, die als Weltenbaum den gesamten Kosmos verkörpert. Andere Namen dieses Baumes waren wohl Mimameid oder Lärad.
Beschreibung[]
Nachdem die Asen den Ur-Riesen Ymir töteten, erschuffen sie, aus seinem Leichnam alle existierenden Dinge. Die immer grüne Weltenesche Yggdrasil war der erste Baum, der wächst. Er war der größte und prächtigste Baum der Welt. Seine Äste breiteten sich über alle neun Welten aus und erstreckten sich über den Himmel. Ein Adler saß im Geäst, zwischen seinen Augen ist ein Habicht, der Vedrfölnir genannt wird. Das Eichhörnchen Ratatöskr ("Nagezahn") kletterte zwischen der Baumkrone und Wurzeln hin und her und verbreitete dabei üble Nachrede.
Vier Hirsche namens Dain, Dwalin, Dunneir und Durathror fraßen die Triebe der Weltenesche ab. Die zwei Schlangen Goin und Moin, die von Grafwitnir (Grabeswolf) abstammten, nagten an den Wurzeln von Yggdrasil. Unter den Zweigen des Baums halten die Götter Gericht. Am Fuße Yggdrasils liegt auch der Urdbrunnen, an dem die drei Nornen Urd (das Gewordene), Werdandi (das Werdende) und Skuld (was da kommen soll) ihren Sitz haben, die das Schicksal der Menschen bestimmen. Wenn Yggdrasil zu beben (oder zu welken) beginnt, naht das Weltenende Ragnarök.
Aufbau[]
Yggdrasil hat drei große Wurzeln, von denen eine nach Jötunheim, dem Land der Riesen, wächst, wo sich auch Mimirs Brunnen befindet. Die andere Wurzel führt nach Niflheim zur Quelle Hvergelmir, wo der Drache Nidhöggr an ihr nagt. Die dritte Wurzel findet sich in der Nähe von Asgard.
„Drei Wurzeln strecken sich nach dreien Seiten Unter der Esche Yggdrasil: Hel wohnt unter einer, unter der andern Hrimthursen, Aber unter der dritten Menschen.“
– Grimnismal, 31
In der Edda werden bestimmte mythische Orte einer der Welten zugeordnet. Insgesamt werden jedoch mehr als neun Weltennamen genannt. Die Anordnung, gerade der mittleren und unteren Welten variiert jedoch stark.
1. Oberwelt
- Asgard (Asenheim): Heimat des Göttergeschlechts der Asen.
- Wanaheim (Wanenwelt): Heimat des Göttergeschlechts der Wanen.
- Liusalfheim (Alfheimr, Lichtalbenwelt): Heimat der Alben (Lichtalben).
2. Erde
- Midgard (Mittelheim): Heimat der Menschen.
- Jötunheim (Riesenwelt): Heimat der Riesen.
- Utgard (in etwa Außenwelt, Raum außerhalb): Außenwelt.
- Muspelheim: Heimat der Feuerriesen.
3. Unterwelt
- Svartalfheim (Schwarzalbenheim): Heimat der Zwerge (Schwarzalben).
- Niflheim (Dunkelwelt): Heimat der Frostriesen, Reich des Eises, des Nebels und der Finsternis (Polarnacht).
- Unterwelt der Asen zum Fluss Äsir.
- Hrimthursen (einst mal Ginnungagap).
Geschichtliches[]
Das Wort Yggdrasil setzt sich aus den beiden altnordischen Wörtern yggr „Furcht“, „Schrecken“, „Schrecklicher“ und altnordisch drasill „Pferd“ zusammen. Einige Interpreten vermuten, dass Yggdrasil „Pferd des Schrecklichen“ heißt, und dass damit die Weltesche selbst als Odins Pferd bezeichnet wird. Der isländische Gelehrte Eirikr Magnússon meinte jedoch, Yggdrasil sei das Reittier Odins und nicht der Baum selbst gewesen. Der eigentliche Weltenbaum habe askr Yggdrasil geheißen, also der Baum, an den Odin sein Pferd bindet. Eine weitere Ansicht führt altnordisch yggr auf seine eigentliche Bedeutung ‚Schrecken‘ zurück und übersetzt den Baumnamen mit „Schreckensbaum“, „Galgen“. Damit würde wiederum Odins Selbstopfer am Galgen des Weltenbaums zum Ausdruck gebracht werden.
Die ursprünglichen schriftlichen Beschreibungen stammen aus der Lieder-Edda (Völuspa und Grimnismal). Die Snorra-Edda malte auf Basis der Lieder-Edda das Bild der Weltesche weiter aus und ließ an jeder Wurzel einen Brunnen sein. In Niflheim, d.h. im Reiche der Hel, lag nun der Brunnen Hvergelmir, bei den Reifriesen der Brunnen Mimirs (Mimisbrunnen) und nur an der dritten Wurzel, die in der Snorra-Edda im Reiche der Asen lag, befand sich der Brunnen der Urd (Urdbrunnen), an dem die Götter ihre Richtstätte hatten.
Hier wohnten auch die drei Nomen, die mit dem Wasser des Brunnens die Esche besprengten, damit sie nicht faule. Der Mimirsbrunnen erschloss sich aus der Lieder-Edda (Völuspa 47), wonach Mimirs Söhne nach des Vaters Tode den Brunnen besaßen. Danach hieß der Weltenbaum auch Mimameiðr (Fj. 14). Hvergelmir aber ist nach dem Grimnismal (26) der Brunnen am Baum Laerad (anord. Læraðr), der sein Geäst über Odins Halle erstreckt und wohl mit Yggdrasil identisch ist.
Die Vorstellung von einem Weltenbaum war im Mittelalter weit verbreitet. Im Lied einer Colmarer Handschrift heißt es z.B.: "Ein edelbaum gewachsen ist in einem garten, so mit wunniclicher list, sin wurzeln hant der helle grund dorchgangen, sin dolden reichent in den tron, da got erzeugen wil sin lieben fruwde Ion, der este hant den garten schon umbfangen" [1]. Diese Vorstellung war kam auch in den Norden und wurde dort von den Skalden unter dem Einfluss der immergrünen Eibe am Heiligtum von Upsala [2] weiter ausgebildet.
Quellen[]
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Außerdem[]
- Er Yggdrasilsmythen af christelig Oprindelsel Nord. Univers. Tidskr. Thaasen. Kapitel II 2, 1 88 ff.
- Wald- und Feldkulte. Von Wilhelm Mannhardt. 2 Bände. Berlin 1875 — 77. Band I, S. 54 ff.
- Studien über die Entstehung der nordischen Götter- und Heldensage. Von Sophus Bugge. Hrsg. C. Kaiser, 1889. Kapitel I, S. 421 ff.
- The eult of Othin. Von Chadwick. S. 75 ff.
- The origin and meaning of the name Yggdrasill. Von Sivert N. Hagen. Mod. Philol. University of Chicago, 1903.
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 4. Von Johannes Hoops, 1918—1919. S. 573.
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Einzelnachweise[]
Videos[]
- Yggdrasil und die neun Welten - Germanische Mythologie 1 (YouTube). Ardko, 20.07.2019.
- Das Flüstern von Yggdrasil: Eine Reise durch mythische Gefilde (YouTube). Mysteriöse Mythologie, 27.12.2023.
- Wir erklären die 9 verschiedenen Welten der Federn in der nordischen Mythologie! (YouTube). Mysteriöse Mythologie, 14.03.2024.
- Was die 9 Reiche wirklich sind - Die nordische Kosmologie (YouTube). Ardko, 30.03.2024.